EU will auf Dauer Befreiung von US-Strafzöllen
23. März 2018Die EU ist froh, dass ihr US-Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumausfuhren in die USA erst einmal erspart werden. Aber sie geht sofort in die Offensive. Die Europäer fühlen sich im Recht auf der Grundlage der Regeln der Welthandelsorganisation. Die Strafzölle, so heißt es in den Gipfel-Schlussfolgerungen, "sind ungerechtfertigt" und nicht mit nationalen Sicherheitsinteressen zu erklären. Die USA werden aufgerufen, die Ausnahmen dauerhaft zu machen.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz drohte: "Wenn sich der Präsident falsch entscheiden sollte, dann wird die Europäische Union stark darauf reagieren." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte: "Wir werden unsere Interessen verteidigen."
Mit anderen Worten: Nimmt die US-Regierung die Drohung nicht auf Dauer zurück, will die EU ihrerseits Strafzölle auf US-Produkte wie Motorräder, Jeans oder Whiskey aufschlagen. Belgiens Premier Charles Michel ärgert sich außerdem über die kurze Atempause nur bis Mai. Trump setze der EU damit "den Revolver an die Schläfe". Gleichzeitig bot EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die schon in den vergangenen Tagen mit den USA im Zollstreit verhandelt hatte, Washington weitere Gespräche an. Die EU sieht in weltweiten Überkapazitäten bei der Stahlerzeugung das eigentliche Problem, das man gemeinsam angehen solle.
Russland muss sich auf weitere Konsequenzen gefasst machen
Im Streit mit Russland um den Nervengasanschlag auf einen russischen Ex-Agenten im englischen Salisbury hat die britische Regierung weitgehende Unterstützung von ihren EU-Partnern erhalten. In einer gemeinsamen Erklärung wurde die russische Regierung "aller Wahrscheinlichkeit nach" für das Attentat verantwortlich gemacht. Die EU beorderte außerdem ihren Botschafter in Moskau zurück. Was einzelne Staaten darüber hinaus tun werden, ist unterschiedlich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich mit Macron einig, "dass zusätzliche Reaktionen noch notwendig sind", ohne sagen zu können welche. Andere waren zurückhaltender. Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar sagte, man werde in jedem Einzelfall Sicherheitsprüfungen vornehmen. "Wir werden nicht willkürlich Leute ausweisen." Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz legte sich sogar jetzt schon fest: "Russische Diplomaten aus Österreich werden wir keine ausweisen." Österreich gilt seit längerem als Gegner eines harten Vorgehens gegenüber Moskau.
Die allgemeine Unterstützung der britischen Position in dieser Frage will die EU aber strikt von den Brexit-Verhandlungen trennen, auch wenn die britische Premierministerin Theresa May dabei "bedeutende Fortschritte" vermelden konnte. Das stimmt einerseits. Die Blockadesituation ist einer neuen Beweglichkeit auf beiden Seiten gewichen. May hat sogar vom Gipfel grünes Licht für ein Übergangsabkommen bekommen. Es soll britischen Unternehmen und Bürgern nach dem offiziellen EU-Ausstieg in einem Jahr noch 21 Monate Zeit geben, sich auf ein neues Verhältnis einzustellen. Mitentscheiden kann London dann aber nicht mehr. Das ist insgesamt nicht wenig, verglichen mit dem bitteren Streit noch vor einigen Monaten. May hat seitdem wichtige Zugeständnisse gemacht. So hat sie zum Beispiel zugestimmt, als 'Ausstiegssumme' fast 40 Milliarden Pfund zu zahlen und EU-Bürgern in Großbritannien wichtige Rechte zu gewähren. Es dürfte für May schwierig genug werden, dies den Kritikern in den eigenen Reihen zu verkaufen.
Zarter Handkuss, harte Verhandlungen
Die eigentliche Arbeit fängt aber ohnehin erst an. Es geht um das künftige Verhältnis von 2021 an, also nach Ablauf der Übergangsfrist. Die EU bietet den Briten jetzt ein "ehrgeiziges und weitreichendes Freihandelsabkommen" an. Das klingt gut an, ist aber weit weniger, als die Briten anstreben. Ausnahmen für einzelne Branchen wie den für London äußerst wichtigen Finanzsektor lehnt die EU ab. Denn die Briten wollten ja aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion aussteigen, heißt es in den Leitlinien für die nächste Verhandlungsphase. Auch könnten sie sich nicht bestimmte Vorteile der EU als Rosinen herauspicken.
Es geht zum Teil um schwierige Details. Strittig ist zum Beispiel, was nach dem Brexit aus der Grenze zwischen Irland und Nordirland wird, das zum Vereinigten Königreich gehört. Da sie in Zukunft eine EU-Außengrenze wird, befürchten vor allem die Iren Grenzkontrollen, die den Handel stark beeinträchtigen würden.
Varadkar, der May am Rande des Gipfels zu einem Vieraugengespräch getroffen hatte, sagte, er strebe eine Einigung an, "die das Vereinigte Königreich so eng an die EU wie möglich bindet. Das ist der beste Weg, um eine 'harte' Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland zu vermeiden und den enormen Handel zwischen Großbritannien und Irland zu schützen." Auch Kurz meinte dazu: "Wir brauchen eine offene Grenze. Alles andere kann aus meiner Sicht nicht funktionieren."
Die übrigen EU-Regierungschefs haben im Laufe der Verhandlungen gemerkt, dass es sich lohnt, geeinigt den Briten gegenüberzutreten. "Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen", sagt Merkel. Das scheint nun die Devise zu sein: Höflich, aber bestimmt auf Forderungen bestehen und darauf hoffen, dass die Briten im eigenen Interesse nachgeben. Wie ein Symbol dafür wirkte, wie Michel Barnier, der EU-Brexit-Unterhändler, am Freitag Theresa May begrüßte: Der französische Kavalier küsste ihr formvollendet die Hand; in der Sache allerdings gilt er als knallharter Sachwalter von EU-Interessen.