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Essen wir in Zukunft alle Insekten?

Kaj Hasselriis/ db11. Juli 2013

Insekten sind sehr nahrhaft und gut schmecken sollen sie auch. Es gibt sie massenweise und sie lassen sich - auf engstem Raum - einfach züchten. Experten fordern deswegen: mehr Heuschrecken und Spinnen auf den Teller!

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Mann steckt eine getrocknete Schabe in den Mund (Foto: Frank Rumpenhorst dpa/lhe)
Bild: picture-alliance/dpa

In einem lebhaften Café mitten in Paris beugen sich drei junge Leute über ein kleines Glas mit Schraubverschluss und blicken prüfend auf den Inhalt. "Die riechen ja nach Paprika", erklärt Katie Evans, greift in das Glas und zieht eine winzige gegrillte Heuschrecke heraus. In Mexiko sind sie eine Delikatesse, in der europäischen Hauptstadt der Haute Cuisine dagegen so gut wie unbekannt. Evans steckt sich das Insekt in den Mund.

"Das ist aber pikant", ruft sie. "Die ganze Heuschrecke, vom Kopf bis zum Hinterteil, schmeckt wie Kürbiskerne."

Produziert werden die Heuschrecken-Snacks von der Gourmet-Gewürzfirma "Terre Exotique", es gibt sie momentan auch nur auf Vorbestellung. In naher Zukunft könnte sich das allerdings ändern. Mit essbaren Insekten will die UN-Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) den Hunger in der Welt bekämpfen und ermuntert auch reiche Länder, gegrillte Burger durch knusprige Käfer zu ersetzen.

Eiweiß für die wachsende Weltbevölkerung

Mit einer Weltbevölkerung von gegenwärtig rund sieben Milliarden Menschen und voraussichtlich neun Milliarden im Jahre 2050 ist Nahrungssicherheit eines der wichtigsten Themen für Politiker weltweit. Viehzucht, so die FAO, ist einer der Hauptgründe für die weltweit größten Umweltprobleme: Erderwärmung, Degeneration der Böden, Wasser- und Luftverschmutzung und der Rückgang der Artenvielfalt. Der Fleischkonsum könne nicht auf dem momentanen Niveau bleiben, mahnt die UN-Umweltorganisation, und verweist auf Insekten als praktibale, proteinreiche und umweltschonende Alternative.

Insekten sind, diese Grafik zeigt es deutlich, wie viele andere tierische Lebensmittel reich an Proteinen. Sie enthalten Eisen und Kalzium, Vitamin A, B1, B2 und D. Der Fettgehalt ist deutlich geringer als der von Rind- oder Schweinefleisch.

"Insekten sind sehr nahrhaft", erklärt Eva Ursula Muller, die für die Waldpolitik der FAO zuständig ist. "Für die Nahrungssicherheit spielen sie eine große Rolle. Zwei Milliarden Menschen - knapp ein Drittel der Weltbevölkerung – essen bereits Insekten."

Entomophagie - der menschliche Verzehr von Insekten - wird auch von Umweltschützern befürwortet. Insekten produzieren weniger Treibhausgase als Kühe, brauchen vielleicht ein Viertel der Futtermenge und Züchter brauchen viel weniger Platz um Käfer, Würmer und Grashüpfer heranzuziehen. Viehzuchtfarmen breiten sich in Waldgebieten aus, für die Produktion von Insekten reichen kleine, abgeschlossene Gebäude.

Schale mit frittierten Spinnen (Foto: dpa)
In Kambodscha sind Spinnen eine DelikatesseBild: picture-alliance/dpa

Großes Ernährungspotenzial

In Europa hält sich die Begeisterung für Entomophagie zwar noch in Grenzen, aber Start-Ups wie die französische Firma "Ynsect" arbeiten bereits an neuen Produkten. In ihren Büroräumen im Zentrum von Paris kreieren die Unternehmer um Jean-Gabriel Levon Viehfutter aus Insektenmehl. Das Endprodukt sieht aus wie Sägemehl. "Es riecht wie Fischfutter", meint Levon stolz. "Fische lieben unser Produkt." Das Futter aus Mehlwürmern ist auch für Hühner und Schweine gedacht.

Eigentlich wollte Levon Lebensmittel auf Insektenbasis für Menschen machen. Mit seinen Partnern entwickelte er Insektenkekse und Insektenchips, allerdings erlauben Gesetze in fast allen EU-Ländern nur kleinen Versandfirmen den Versand der essbaren Insektenprodukte. Also schwenkten die Käferfans bei "Ynsect" auf Tierfutter um, auch das ist sehr gefragt. Die EU importiert etwa 70 Prozent des benötigten Futters für Tiere: Soja und Getreide werden um den Globus geflogen, um Schweine, Kühe und Konsorten zu füttern. Seine Firma könne die Insekten-Alternative in Frankreich produzieren, meint Levon, der bereits an weiteren Insekten-Produkten tüftelt. Insekten werden bereits in Kosmetika, Medikamenten und biologischen Pflanzenschutzmitteln verwendet.

Weltweit finden sich mehr als 1900 Insektenspezies in über hundert Ländern auf dem Speiseplan. Bis allerdings Insekten-Rezepte in Europa und Nordamerika ausgetauscht werden, wird sicher noch Zeit vergehen. Es hilft der Sache auch nicht, dass im März Dutzende Besucher des berühmten Kopenhagener Restaurants Noma, in dem Ameisen und fermentierte Heuschrecken serviert werden, Opfer einer Lebensmittelvergiftung wurden. Es lag zwar nicht an den Insekten, gab aber negative Schlagzeilen.

Mehrere Mopane-Rauben (via Adrian Bailey/Africa Imagery/africanpictures.net)
In Botswana mögen die Menschen Mopane-RaupenBild: picture-alliance/africamediaon

EU-Gesetze seien nicht die einzige Hürde, meint Levon: Damit essbare Insekten auf europäischen Tellern landen, müssen Leute ihre Einstellung ändern. Die Akzeptanz von asiatischen Gerichten mit rohem Fisch lässt ihn optimistisch in die Zukunft blicken.

"Vor 30 Jahren aß kein Mensch in Europa Sushi. Jetzt isst jeder Sushi", erklärt Levon. "Warum soll das mit Insekten nicht auch so sein?" Dafür müssen sich die Konsumenten umstellen, und das erfordert Zeit. Das könne man nicht in ein paar Jahren bewerkstelligen, "dafür braucht man Jahrzehnte", meint er.

EU investiert in Insekten

In dem Café in Paris haben Katie Evans und ihre Freunde die Heuschrecken-Snacks verputzt, sind aber skeptisch was die Zukunft der Entomophagie in Europa angeht.

Gründer von Ynsect (Foto: Kaj Hasselriis)
Die Gründer des französischen Start-Ups YnsectBild: Kaj Hasselriis

Grashüpfer könne er sich ja noch vorstellen, aber keine Würmer, meint ein Mann vom Nachbartisch. "Das wäre ekelhaft." Insekten könnten ein leckerer Appetithappen sein, meint dagegen ein anderer Gast. "Sie sind trocken, man kann sie zu einer Party mitbringen - damit bricht man das Eis!"

Die EU bietet Mitgliedsländern drei Millionen Euro an Forschungsgeldern, um Europäern Insekten schmackhaft zu machen. Mit dem Titel 'Insects to Feed the World' plant die FAO 2014 eine Konferenz in den Niederlanden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten zehn Jahren die meisten Gesetze gegen den Verkauf von essbaren Insekten außer Kraft gesetzt werden.