Erdogan-Berater warnt Europäische Union
11. Mai 2016Die Türkei wird einem hochrangigen Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan zufolge Flüchtlinge nach Europa schicken, wenn die geplante Visafreiheit am EU-Parlament scheitern sollte. Mit Blick auf die Sitzung der EU-Parlamentarier an diesem Mittwoch schrieb Erdogans Berater Burhan Kuzu (Artikelbild) im Kurznachrichtendienst Twitter, das Parlament stehe an der Schwelle einer wichtigen Entscheidung. "Wenn es die falsche Entscheidung trifft, schicken wir die Flüchtlinge los."
Eine entsprechende Warnung kam auch vom türkischen EU-Minister Volkan Bozkir. Sollte es keine Fortschritte geben, werde die Türkei das Flüchtlingsabkommen mit der EU überprüfen, sagte der Minister bei seinem Besuch des EU-Parlaments in Straßburg. "Ich bin hier, um vielleicht ein letztes Mal über diese Dinge zu reden und eine Fehlentwicklung zu verhindern."
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sieht allerdings keine Chancen mehr für eine Verabschiedung der Visumfreiheit für türkische Bürger bis Juli. Es sei "absolut außerhalb jeder Diskussion", dass das Europaparlament mit den Beratungen beginne, wenn Ankara die Voraussetzungen für die Visumfreiheit nicht erfüllt habe, sagte Schulz im Deutschlandfunk. Er habe deshalb die Vorlage der EU-Kommission nicht an den zuständigen Justizausschuss weitergeleitet. Die Türkei hat nach Angaben von Schulz fünf der 72 Bedingungen noch nicht erfüllt.
Erstmals Zweifel aus den Reihen der Bundesregierung
Kritisch zu dem Thema äußerte sich erstmals auch ein Mitglied der Bundesregierung. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat laut "Bild"-Zeitung am Dienstag in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt, ein Scheitern sei durchaus möglich. Präsident Erdogan sei offenbar "nicht bereit, die Kriterien zu erfüllen", sagte der Minister laut Berichterstattung nach Angaben von Teilnehmern. "Wenn nicht, dann wird es keine Visafreiheit geben." EU-Parlamentarier Elmar Brok geht trotz Uneinigkeit im Thema Visafreiheit nicht von einem Scheitern des EU-Türkei-Abkommens aus. "Ich sehe nicht, dass wir keine Einigung finden", sagte der CDU-Europapolitiker im ZDF. Präsident Erdogan habe auch Interesse am Deal.
Die zugesagte Visafreiheit für türkische Reisende im Schengen-Raum ist Bestandteil des türkisch-europäischen Flüchtlingsabkommens vom März. Damals hatte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu - der inzwischen seinen Rücktritt angekündigt hat - zugesagt, alle Bedingungen für die Visafreiheit bis Juni zu erfüllen. Dagegen kritisierte Erdogan, die EU habe die Visafreiheit an neue Bedingungen wie die Reform der türkischen Anti-Terrorgesetze geknüpft. Eine solche Reform lehnt Erdogan ab.
bri/sti (afp, dpa, epd)