1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Europäische Jugendgarantie

Sabrina Pabst11. November 2013

Im Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit haben sich einige EU-Länder zusammengetan. In Paris ziehen nun die verantwortlichen Politiker Bilanz: Wie erfolgreich war bisher die europäische Jugendgarantie?

https://p.dw.com/p/1AFE6
Junge Menschen warten vor einem spanischen Arbeitsamt. (Foto: REUTERS/Sergio Perez)
Bild: REUTERS

"Wir müssen mehr Erfolg haben im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit", betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Sommer. Die eigens in Berlin einberufene EU-Konferenz beschloss die europäische Jugendgarantie: Kein Unter-25-Jähriger sollte länger als vier Monate auf eine Beschäftigung oder einen Ausbildungsplatz warten müssen.

Die EU-Kommission hatte bereits im Herbst 2012 eine Reihe konkreter Maßnahmen angeregt, die den Anstieg der hohen Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen stoppen sollen. Ein Milliarden-Euro-Pakt der Europäischen Kommission wurde durch die Regierungsvertreter und durch Mittel des Europäischen Sozialfonds (kurz: ESF) aufgestockt. Sechs Milliarden Euro stehen nun extra zur Verfügung. Besonders junge Menschen sollen ab 2014 von der finanziellen Unterstützung profitieren. Aber nicht jedem Jugendlichen ohne Arbeit kommt der Geldsegen aus Brüssel zu Gute: Die acht Milliarden Euro werden den Regionen zur Verfügung gestellt, bei denen die Jugendarbeitslosigkeit über 25 Prozent liegt. Das sind vor allem Regionen in Spanien, Griechenland oder Portugal. Mit den Milliarden aus Brüssel sollen die Mitgliedsstaaten Jugendliche vor Ort beim Übergang von der Schule zum Beruf oder bei der Berufswahl unterstützen. Sie sollen außerdem Anreize zur Mobilität innerhalb Europas schaffen. Betriebe können ebenfalls finanzielle Zuschüsse erhalten, damit sie junge Menschen einstellen.

--- 2013_11_08_Jugendarbeitslosigkeit_EU.psd

Die sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Jutta Steinruck fordert die Regierung der einzelnen Mitgliedsstaaten auf, bessere Bedingungen für die Entstehung neuer Arbeitsplätze mit Zukunft zu schaffen. Die Kürzungsdiktate der Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission hätten die Wirtschaft in den Krisenländern noch tiefer in die Rezession gestoßen. Das habe Arbeitsplätze vernichtet. "Wir brauchen Strukturen, damit dauerhaft gute Arbeitsplätze vor Ort entstehen. Dafür müssen Politik und Wirtschaft zusammen Geld in die Hand nehmen."

"Subventionierte Jobs sind nicht von Dauer"

Allerdings ist die derzeitige Finanzierung problematisch: Die bereitgestellten Gelder sollen aus den Strukturfonds kommen. Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für junge Menschen ohne Arbeit werden bereits über den Europäischen Sozialfonds (kurz: ESF) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (kurz: EFRE) unterstützt. Aber: die Mitgliedsländer müssen diese Fonds mitfinanzieren. In den Krisenländern fehlt hierfür das Geld.

Die acht Milliarden Euro sind für das gesamte Ausmaß der Arbeitsmarktprobleme viel zu gering, meint Holger Schäfer, Arbeitsmarktökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. "Wenn der Staat diese Arbeitsplätze organisiert, dann hängen diese immer von der Finanzierung durch Steuern ab. Diese Steuern führen dann ihrerseits wieder an anderer Stelle dazu, dass Arbeitsplätze zerstört und abgebaut werden." Staatlich organisierte und subventionierte Arbeitsplätze kosten viel Geld und halten schlimmstenfalls junge Menschen davon ab, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, meint Holger Schäfer. Diese Menschen würden in Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen gesteckt, damit sie aus der Arbeitsmarktstatistik verschwinden.

In Dänemark, Finnland, Österreich und Schweden gibt es solche Jugendgarantien - ohne erkennbaren Erfolg. Die Jugendarbeitslosigkeit ist dort gestiegen oder hat sich nicht wesentlich besser entwickelt als die Arbeitslosenquote der Erwachsenen. Denn das Beschäftigungsversprechen wurde nicht eingelöst. In Finnland sind noch 21 Prozent, in Schweden sind 23 Prozent der Jugendlichen ohne Jobs. Jugendarbeitslosigkeit ist kein separates Problem, sondern Ausdruck der generell schlechten Beschäftigungslage. Dabei gilt ein Grundsatz: Je höher die Arbeitslosigkeit, desto höher ist auch die Jugendarbeitslosigkeit.

EU-Parlamentarierin Jutta Steinruck von der SPD. (Foto: SPD)
Jutta Steinruck: Jugendgarantie ist nur ein kurzfristiges InstrumentBild: Jutta Steinruck

Begrenzte Möglichkeiten der Politik

Die europäische Jugendgarantie garantiert dauerhaft also keine Jobs, meint Arbeitsmarktökonom Schäfer. "Die Arbeitslosigkeit in den Ländern ist eine konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Die kann nicht durch Arbeitsmarktpolitik bekämpft werden." Laut Schäfer sollte die Politik versuchen, die Rahmenbedingungen für Unternehmen so günstig wie möglich zu gestalten, mit denen Betriebe auch in der Lage sein würden, nachhaltig Arbeitsplätze für junge Menschen anzusiedeln. "Manchmal braucht man dafür nicht einmal Geld. Zum Beispiel reicht es aus, bestimmte Regulierungen abzuschaffen." Die Politik müsse für ein wachstumsfreundliches Umfeld sorgen. So würde sich die Beschäftigung durch eine expandierende Produktion mehr und mehr aufbauen und die Arbeitslosigkeit zurückgehen.

Der verpasste Einstieg in das Berufsleben habe aber weitreichende Konsequenzen: Es sei eine verpasste persönliche Entwicklung, sagt Jutta Steinruck. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der europäischen Jugendgarantie vermittelten den Jugendlichen nicht, dass sie gebraucht würden, sondern nur, dass sie untergebracht seien, meint die Sozialdemokratin. Gerade junge Menschen müssten in den Arbeitsmarkt integriert werden, weil sie sonst dem Arbeitsmarkt verloren gingen. "Wenn junge Menschen nach dem Studium einen Abschluss haben, aber keinen Arbeitsplatz finden und dann gezwungen werden, in einer anderen Branche oder im Niedriglohnsektor einen Arbeitsplatz zu finden, dann haben sie oft keine Chance mehr, da heraus zu kommen" , sagt Jutta Steinruck. Ihnen fehle besonders direkt nach der Ausbildung die notwendige Berufserfahrung. Zu einem späteren Zeitpunkt sei der Wechsel zurück sehr schwierig. Die Eingliederung in den Niedriglohnsektor sei vorbestimmt.

Holger Schäfer ist Arbeitmarktökonom am Institut der deutschen Wirtschaft Köln mit Sitz im Hauptstadtbüro (Foto: Insitut für deutsche Wirtschaft)
Holger Schäfer: Arbeitsmarktpolitik geht am Kern des Problems vorbeiBild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Die Politik kann bei ihrem erneuten Treffen in Paris ledilich Anstöße geben und Weichen stellen, aber nicht die Arbeitslosigkeit beseitigen. Das medienwirksame Treffen von Präsident Hollande soll trotzdem mehr erreichen: Jugendlichen ohne Jobperspektive soll das Gefühl vermittelt werden, dass die Politik, erst in Berlin, dann in Brüssel und jetzt in Paris, die Probleme anpackt und sie mit ihren Problemen nicht alleine lässt. Das soll Vertrauen in die verantwortlichen Regierungen schaffen und Politikverdrossenheit abwenden. Doch mit reiner Arbeitsmarktpolitik lässt sich eine europäische Beschäftigungsgarantie für junge, arbeitslose Menschen nicht gewährleisten.