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Ein Ritt durch Berlins Supper Clubs

Katherine Sacks2. Januar 2014

Ob vegetarisches Festmahl oder traditionelle asiatische Gaumenfreuden - Berlins geheime Kulinarik-Szene bietet die verschiedensten Geschmäcker und zugleich einen Einblick in die Kieze der Stadt.

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Bild: DW/K. Sacks

Als ich vor gut einem Jahr nach Berlin zog, riet mir meine Schwester die Supper Clubs der Stadt zu testen. Eine ihrer Freundinnen, Samantha, betreibt selbst einen: das angesagte Krauted Haus - ein Mischmasch aus deren New Yorker Lieblingsrezepten und der traditionellen deutschen Küche einer weiteren Freundin. Sofort malte ich mir aus, wie ich in diese verborgene Szene eintauchen würde; sah mich umgeben von den kreativsten Menschen Berlins und stellte mir vor, wie sie mich mitnehmen auf eine Reise durch die avantgardistische Esskultur der Stadt.

Wem Supper Clubs kein Begriff sind: Etwa einmal im Monat laden leidenschaftliche Köche eine Gruppe von ca. 15 Leuten zu sich nach Hause ein und bekochen sie. Organisiert wird das ganze übers Internet. So einen Platz zu ergattern, kann ziemlich schwierig sein. Im Sommer hörte ich das erste Mal von einem neuen privaten Pop-up-Restaurant namens Jung Grün & Blau - einem Restaurant, das seine Türen nur für eine begrenzte Zeit öffnet. Der Name des Kochs, Dylan Watson Brawn, war in aller Munde. Der 20-Jährige hatte bereits für die besten Restaurants der Welt gearbeitet: Tokyos RyuGin, Copenhagens Noma und New Yorks Eleven Madison Park. Und nun kochte er in einer Privatküche in Moabit. Als gelernte Konditorin war meine Neugier geweckt.

Ein junger Koch mischt die Szene auf

Im Frühjahr 2013 hatte das Pop-up-Restaurant geöffnet und die Teilnehmerliste - begrenzt auf 16 bis 24 Plätze pro Wochenende - war bereits bis zum Projektende im Oktober komplett ausgebucht. Es gelang mir nicht, einen der Plätze zu ergattern, aber ich traf mich mit dem vielbeschäftigten Koch auf einen Plausch. Dylan Watson Brawn erklärte mir, dass das Jung Grün & Blau gar kein Supper Club sei: "Viele in Berlin nutzen die Supper Clubs, um neue Leute kennenzulernen. Das Essen ist für sie zweitrangig.", sagte Brawn. "Für mich aber ist das Essen das Wichtigste. Es beeinflusst doch auch, wie sich ein Gespräch entwickelt."

Brawn hatte keinen Schimmer von der gerade boomenden Supper-Club-Szene Berlins. Er knüpfte vielmehr an seine Zeit als Koch in Hong Kong an, wo er die Kultur von Privatrestaurants kennengelernt hatte. In Berlin lösten seine Kochveranstaltungen wahre Wogen der Begeisterung aus. Das liegt zum Teil an Brawns jungem Alter und der beeindruckenden Vita, aber auch an seinem erfrischenden Ansatz, regionale und hochwertige Produkte zu verwenden und zugleich sein Wissen über die traditionelle Asiatische Küche und französische Kochtechniken einfließen zu lassen.

Dylan Watson Brawn
Kannte Supper Clubs aus Hongkong: Dylan Watson BrawnBild: DW/K. Sacks

Sein Pop-up-Restaurant ist inzwischen geschlossen, doch Brawns Einflüsse haben die Berliner Kochszene nachhaltig geprägt. Auch dank diverser anderer Kochprojekte haben sich Themen und Zutaten erweitert. Es gibt auch etabliertere Restaurants, die dennoch geheimnisvoll daherkommen; wie das Cookies Cream mit seiner Geheimtür oder das Cantina im Hinterraum der Bar Tausend, ebenso wie ein Dutzend semiprofessioneller Supper-Clubs, die alles auftischen: von chinesischen Teigtaschen, über italienische Klassiker bis hin zu angesagten Rohkostkreationen.

Aus schick wird gemütlich
Mein erstes eigenes Genusserlebnis bereiteten mir die Geschwister Kristof und Mariana Mulack. Sie betreiben das Mulax in einem Privatraum in Kreuzberg. Es ist weder ihre Wohnung, noch ihr Restaurant. Sie selbst nennen es "Esszimmer zum sozialen Netzwerken". Kristof, der tagsüber Versicherungen verkauft, brachte sich das Kochen selbst bei. Seine Gerichte waren absolut umwerfend, hübsch dekoriert und mit Feingefühl abgestimmt. In diesem Club-ähnlichen Raum fühlte sich das Gesamterlebnis an wie eine hippe Restaurant-Veranstaltung.

Während des Abendessens im Mulax saß ich zufälligerweise neben einem deutsch-britischen Pärchen, Tobias Zeller und Caroline Grinsted, das selbst den Thyme Supper Club betreibt. Nachdem sie von London nach Berlin gezogen waren, wollten sie ihre Tradition der Dinnerparties gern fortführen. Aber sie kannten so gut wie niemanden in der Stadt. Als sie von den ersten Berliner Projekten wie dem Palisaden Supper Club und dem The Shy Chef hörten, starteten sie schließlich ihren eigenen Supper Club, der heute zu den beliebtesten der ganzen Stadt gehört. Seit Herbst haben sie ein neues Projekt: das Muse, ein Zusammenschluss verschiedener Supper Clubs.

Teller kalter Gurkensuppe
Daniel's Eatery experimentiert mit kalter GurkensuppeBild: DW/K. Sacks

Einer von ihnen ist das Zuhause, betrieben von dem irisch-kanadischen Paar David O'Reilly und Kristi Korotash. Auch bei ihnen kam ich eines Abends auf den Geschmack. Ihr Menü war sehr raffiniert und der Gesamteindruck des Abends entsprach vielmehr dem, was ich von einem Supper Club erwartet hatte. In ihrer gemütlichen Kreuzberger Wohnung fühlte ich mich wie auf einer coolen Dinnerparty; und die anderen zwölf Gäste, die ich eigentlich überhaupt nicht kannte, wurden schnell meine Freunde. Nach dem Essen setzten sich die Gastgeber mit einer Flasche Wodka an den Tisch. Als ich um zwei Uhr morgens auf die Uhr schaute, konnte ich nicht glauben, dass es bereits so spät war.

Köche aus Leidenschaft

Viele, die noch nie einen Supper Club erlebt haben, fragen sich, warum jemand überhaupt fremde Menschen in sein Wohnzimmer einlädt und sich all diese Mühe macht. Der Deutsche Jan, der mit seiner Freundin Melanie den Supper Club Fisk & Gröönsaken betreibt und sich auf Gemüse- und Fischrezepte spezialisiert hat, bringt es wunderbar auf den Punkt: "Wir verdienen dabei kein Geld, aber wie verlieren auch keins. Für uns ist es also ein Hobby, das nichts kostet."

Den wenigsten Betreibern von Supper Clubs geht es darum, Geld zu verdienen oder bald ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Für sie ist es Projekt, das sie mit ganzer Leidenschaft betreiben und die freiwilligen Spenden - die meistens zwischen 25 und 65 Euro liegen - reichen gerade aus, um die Ausgaben zu decken. Aber gerade weil es Herzensprojekte sind, experimentieren die Köche immer wieder mit neuen Stilen und Rezepten und bieten so einen einzigartigen Einlick in kulinarische Trends.

So tischt auch der ehemalige Marketingchef Daniel Grothues in seiner hippen Wohnung in Prenzlauer Berg neue Gerichte auf, in Daniel's Eatery. Für sein "Surf'n Turf"-Menü ließ er sich vom Ausland inspirieren: Das Spätsommergemüse servierte er mit einer Anregung aus New York, dem cronut - eine Mischung aus Doughnut und Croissant.

der Cronut ist halb Croissant, halb Doughnut
Erfinderisch: der Cronut ist halb Croissant, halb DoughnutBild: DW/K. Sacks

Daniel's Eatery war mein jüngster Streifzug in die geheime Kulinarik-Szene Berlins, es wird nicht mein letzter gewesen sein. Denn die Welt der Supper Clubs ist wie ein Hasenbau mit endlosen Höhlen und Gängen: Immer wieder tut sich ein neuer auf und bald will man sie alle ausprobiert haben. Ich stehe jedenfalls schon bei diversen neuen Supper Clubs auf der Warteliste. Auch das Krauted Haus, das die Freundin meiner Schwester betreibt, möchte ich noch testen. Es mag etwas umständlicher sein, als einfach das Restaurant um die Ecke zu betreten. Aber es ist auch eine tolle Möglichkeit, eine ganz andere Seite Berlins kennenzulernen.

Die in Berlin lebende Autorin schreibt vor allem übers Reisen und Essen, weitere Tipps gibt sie in ihrem Blog.