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Ein harter Brexit und die möglichen Folgen

17. Januar 2017

Obwohl sich die deutsche Wirtschaft gelassen gibt, könnte ein harter Brexit viele deutsche Unternehmen treffen. Denn in vielen Branchen ist Großbritannien der viertgrößte Abnehmer für deutsche Produkte.

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Britisches Pfund
Bild: Bilderbox

Seit dem Votum der Briten für einen Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ist das Britische Pfund extrem angeschlagen und hat ein Fünftel seines Wertes verloren. Jetzt wächst die Furcht vor einem harten Brexit ohne Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt. Allein die Erwartung einer Grundsatzrede von Premierministerin Theresa May an diesem Dienstag ließ das Pfund diese Woche weiter abstürzen. Das hat Folgen für die Wirtschaft - nicht nur in Großbritannien.

Firmen aus Deutschland haben es nicht leicht, wenn sie stark auf britische Käufer angewiesen sind. Ihre Produkte werden für Briten weniger erschwinglich. Dem Autobauer Opel beispielsweise hat der Pfund-Absturz die für 2016 angestrebte Rückkehr in schwarze Zahlen vermasselt. Insgesamt gingen die deutschen Exporte nach Großbritannien im dritten Quartal 2016 um acht Prozent zurück.

Dennoch erwarten 90 Prozent der deutschen Unternehmen laut einer Befragung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zunächst keine bedenklichen Auswirkungen durch den Brexit. "Nur ein winziger Anteil von zwei bis drei Prozent der Firmen sieht starke negative Konsequenzen für ihre Investitionen und Beschäftigung", so die IW-Ökonomen.

Beispiel Automobilindustrie

Vor allem die deutsche Autoindustrie könnte einen harten Brexit zu spüren bekommen: Jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto geht laut Branchenverband VDA ins Vereinigte Königreich. VDA-Präsident Matthias Wissmann warnte daher vor Zöllen, die den Warenverkehr verteuerten. BMW etwa verkaufte in Großbritannien 2015 rund 236.000 Autos - über zehn Prozent des weltweiten Absatzes.

Bei Mercedes waren es acht Prozent, bei VW sechs Prozent. BMW und VW haben auf der Insel zudem Fabriken für ihre Töchter Mini und Bentley. Von "deutlich geringeren Verkäufen" in Großbritannien nach dem Brexit-Votum berichtete bereits Opel. Der Hersteller rechnet wegen des Entscheids 2016 nicht mehr mit der angepeilten Rückkehr in die schwarzen Zahlen.

Für die deutschen Maschinenbauer ist Großbritannien der viertwichtigste Auslandsmarkt nach den USA, China und Frankreich. 2015 gingen Maschinen im Wert von 7,2 Milliarden Euro auf die Insel. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte weniger gut. In den ersten zehn Monaten 2016 stiegen die Exporte nach Großbritannien dem Branchenverband VDMA zufolge um 1,8 Prozent gemessen am Vorjahr. 2015  waren sie aber noch um 5,8 Prozent binnen Jahresfrist gewachsen. Mit dem Brexit sei ein weiteres Konjunkturrisiko für den Maschinenbau dazugekommen, sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker im Dezember.

Schwaches Pfund drückt auf Exporte

In der Chemiebranche fürchten die Unternehmer schlechtere Geschäfte wegen des Brexits. Der Entscheid habe bewirkt, dass sich das Investitions-und Konsumklima in Großbritannien verschlechtert habe, sagte jüngst Kurt Bock, Präsident des Branchenverbands VCI. Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien ein wichtiger Abnehmer gerade von Pharmazeutika und Spezialchemikalien. 2016 exportierten sie Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich, rund 7,3 Prozent ihrer Gesamtexporte.

Für Elektroprodukte Made in Germany ist Großbritannien der viertgrößte Abnehmer weltweit. 2015 exportierten deutsche Hersteller laut Branchenverband ZVEI Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in das Land, 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich nicht mehr so gut. Nach zehn Monaten verzeichnet der Verband ein Plus bei den Elektroausfuhren von 1,7 Prozent gemessen am Vorjahr. Grund für die Eintrübung seien nicht zuletzt Wechselkurseffekte wegen des schwachen Pfunds, sagte Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des ZVEI.

Umbrüche im Finanzsektor

Auch der Finanzsektor würde von einem harten Brexit betroffen sein. Banken brauchen für Dienstleistungen in der EU rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Mit dem Brexit werden Barrieren befürchtet. Deutsche Geldhäuser beschäftigten zudem Tausende Banker in London, gerade im Investmentbanking. Die Deutsche Bank glaubt indes nicht, dass sie ihre Struktur in Großbritannien kurzfristig wesentlich ändern muss.

Die Commerzbank hat ihr Investmentbanking in London schon stark gekürzt. Um viel geht es für die Deutsche Börse. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Der Brexit macht das Projekt noch komplizierter. Unterstützt vom einflussreichen Großaktionär Blackrock drückt die Deutsche Börse bei ihrem Fusionsplan aufs Tempo. Das Vorhaben sei mittlerweile weit fortgeschritten, sagte Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter am Montagabend beim Neujahrsempfang des Dax-Konzerns in Eschborn.  "Wir wollen den Standort Frankfurt stärken - und wir werden den Standort Frankfurt stärken. Deshalb müssen wir das Fusionsvorhaben so schnell wie möglich zum Erfolg führen."

wen/ul (dpa)