Als ein deutscher Erfinder Jules Verne inspirierte
9. Oktober 2013Eine Weltsensation erlebte die Stadt New York am 30. Mai 1866. Ein stählernes Ungetüm versank im Hafenwasser des East River. Das Unterseeboot "Sub Marine Explorer" ging auf Tauchfahrt. Die Menschen hielten vor Spannung den Atem an – würde das Unterseeboot aus eigener Kraft wieder auftauchen können? Das war noch niemals zuvor gelungen. Nach über einer Stunde legte sich die Spannung und schlug in Jubel um. Vom Grunde des Hafenbeckens begann die "Sub Marine Explorer" mit ihrem Erfinder Julius Kröhl an Bord den Aufstieg. Und durchbrach die Wasseroberfläche, aus eigener Kraft und ohne Hilfe. Der Test war ein voller Erfolg.
Von Berlin nach New York
Der U-Boot-Pionier Julius Hermann Kröhl erblickte im Jahr 1820 in der ostpreußischen Stadt Memel das Licht der Welt. Der Vater, ein Kaufmann, zog einige Jahre später mit der Familie nach Berlin um. Der junge Julius wurde dort Ingenieur. Bald zog es ihn in die Welt hinaus – Amerika lockte.
Um 1844 erreichte er New York. Der vielseitige deutsche Ingenieur wurde schnell zu einem gefragten Mann. Mit dem Werkstoff Eisen konnte Kröhl Erstaunliches zu Stande bringen. 1853 konstruierte er für ein Messegebäude eine vielfach bewunderte Glaskuppel, von Eisenträgern getragen.
Und auch mit dem Meer machte Kröhl schnell Erfahrungen – er wurde zum Experten für Sprengungen unter Wasser. Bei dieser Arbeit lernte er eine faszinierende technische Entwicklung kennen: Eine Tauchglocke, mit der Männer, über einen Schlauch mit Sauerstoff versorgt, in die Tiefe arbeiten konnten. Für Kröhl eine Offenbarung. Ein funktionsfähiges Unterseeboot aus Eisen zu bauen, diese Idee ließ den Ingenieur nicht mehr los.
Ein Traum wird wahr
1861 begann der Amerikanische Bürgerkrieg. Die US-Marine allerdings lehnte sein Angebot, ihr ein U-Boot als Waffe zu bauen, ab. Doch ein wohlhabender Interessent stellte Kröhl die notwendigen Mittel zum Bau der "Sub Marine Explorer" zur Verfügung: William Henry Tiffany vom berühmten Juwelier "Tiffany". Der Grund: Mit einem funktionsfähigen Unterseeboot ließen sich auch die Schätze der Meere wie Perlen bergen.
Kröhl konnte nun endlich sein "Traumschiff" bauen. Etwa 11 Meter lang und bis zu zweieinhalb Meter breit wurde die eiserne "Sub Marine Explorer" – geformt wie eine schwergewichtige Zigarre. Eine doppelte Hülle, Ballast- und Pressluftkammern sowie einen Ausstieg – Kröhl nahm vieles vorweg, was moderne U-Boote besitzen. Über Luken im Boden sollte die Besatzung schließlich die Muscheln auf dem Meeresboden "ernten". Fortbewegt wurde das U-Boot per Hand- und Fußantrieb. Im Wasser des East River bewies Kröhl dann nach Kriegsende im Mai 1866 den erstaunten New Yorkern, dass seine Idee funktionierte.
Tod am Pazifik
Nun ging die "Sub Marine Explorer" – in Einzelteile zerlegt – auf die lange Reise von New York nach Panama. Hier im Pazifik gab es unzählige Perlen zu ernten. In Panama war die Ankunft des U-Bootes eine Sensation, die Menschen waren neugierig auf dieses geheimnisvolle Gefährt. Voller Tatendrang unternahmen Kröhl und seine Mannschaft hier ihre ersten Tauchfahrten in die Tiefe des Pazifiks. Plötzlich jedoch kam es zur Katastrophe: Kröhl und seine Männer starben unvermittelt. "Malariafolgen", vermutete ein Mediziner über Kröhls Tod am 9. September 1867.
Heute allerdings wird eine ganz andere Ursache für den Tod des genialen Erfinders vermutet: Die heimtückische, damals unbekannte Taucherkrankheit. Die "Sub Marine Explorer" und ihre Mannschaft stiegen bei ihren Einsätzen in großer Meerestiefe stets viel zu schnell auf – Stickstoffbläschen richteten in den Körpern der Männer verheerende Verletzungen an. Dieses Schicksal erwartete auch die Ersatzmannschaft, so dass fortan kein Mann mehr auf diesem Schiff Dienst tun wollte.
Zurückgelassen am Strand
Die "Sub Marine Explorer" blieb an einem einsamen Strand auf der Insel San Telmo zurück – und den Wellen überlassen. Schnell vergaß die Nachwelt das revolutionäre U-Boot und seinen Erfinder. Erst im Jahr 2001 entdeckte ein amerikanischer Wissenschaftler das Wrack und seine Geschichte neu – durch Zufall bei einem Urlaub. Noch heute liegt die "Sub Marine Explorer" an dem fernen Strand in einem Naturschutzgebiet. Rost und Wellen haben ihr in den Jahrzehnten stark zugesetzt, das Wrack kann nicht bewegt werden. Ein Mann allerdings sorgte dafür, dass Julius Kröhl und seiner "Sub Marine Explorer" zumindest ein literarisches Denkmal gesetzt wurde: Jules Verne soll durch Julius Kröhls Erfindung zu seinem Meisterwerk "20.000 Meilen unter dem Meer" inspiriert worden sein.