1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dänemark schottet sich ab

Paula Rösler17. Juni 2015

Für Asylbewerber könnte es in Dänemark zukünftig eng werden: Die Dänen wählen ein neues Parlament. Und die Zeichen stehen nicht auf Willkommenskultur, sondern auf Ablehnung.

https://p.dw.com/p/1FihF
Helle Thorning-Schmidt und Lars Loekke Rasmussen bei einem TV-Duell (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Navntoft

Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt (im Bild links) ist schon des Öfteren über das in Skandinavien allgegenwärtige Jante-Gesetz gestolpert. Als Frau von Welt trägt sie gerne teure Roben und kostbare Handtaschen. Ihr Volk straft sie deshalb mit dem Spitznamen "Gucci-Helle" ab. "Du sollst nicht glauben, dass du besser bist als wir", lautet die vierte der zehn Regeln des fiktiven Jante-Gesetzes, das für die Dänen als Verhaltensmuster gilt.

Rechtzeitig zu der Parlamentswahl an diesem Donnerstag ist es der sozialdemokratischen Regierungschefin offenbar dennoch gelungen, den Eindruck, sie würde gegen diese Prinzipien verstoßen, zu relativieren. Nachdem sie zwischenzeitlich deutlich an Beliebtheit eingebüßt hatte, steht sie nun wieder hoch im Kurs. Schließlich hat es die 48-Jährige im Laufe ihrer Amtszeit geschafft, den Konjunkturmotor wieder anzutreiben und ihr Land aus der Wirtschaftskrise zu manövrieren. Einen Tag vor der Wahlankündigung erklärte sie die Krise für beendet. Eigentlich wählen die Dänen immer im Herbst, aber die Ministerpräsidentin wollte das Volk möglichst bald an den Urnen sehen. "Dänemark ist zurück in der Spur", sagte sie. Deshalb müssten die Menschen so schnell es geht zur Regierungsarbeit befragt werden.

Zehn Parteien treten an

Thorning-Schmidt vertritt den Mitte-Links-Block. Ihr Gegenkandidat Lars Løkke Rasmussen (im Bild rechts), Chef der rechtsliberalen Venstre, der aufgrund der Häufigkeit seines Nachnamens in Dänemark bei seinem Mittelnamen Løkke genannt wird, den Mitte-Rechts-Block. Beide Blöcke sind laut den jüngsten Umfragen gleichauf. Insgesamt stehen zehn Parteien zur Wahl, sie müssen jeweils zwei Prozent der gültigen Stimmen erhalten, um ins dänische Parlament, den Folketing, einzuziehen. Das Parlament besteht aus einer Kammer mit 179 Abgeordneten. Vier der Sitze sind als nordatlantische Mandate für Vertreter aus Grönland und von den Färöer Inseln reserviert.

Helle Thorning-Schmidt (Foto: DPA)
Helle Thorning-Schmidt kämpft um ihr AmtBild: picture-alliance/dpa/K. Navntoft

Die Rechten im Aufwind

Gefährlich nahe rückt den beiden Spitzenkandidaten die rechtspopulistische Dänische Volkspartei. Schon jetzt ist die Danske Folkeparti die drittstärkste Kraft im Parlament und könnte sich verschiedenen Prognosen der vergangenen Wochen zufolge von derzeit 12,3 Prozent auf bis zu 19 Prozent steigern. Fraktionschef Kristian Thulesen Dahl propagiert ein "sicheres Dänemark". Für den EU-Kritiker bedeutet das einen Einwanderungsstopp, eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen und härtere Maßnahmen gegen Straftäter.

Auch um nicht zu viele Wählerstimmen einzubüßen, haben sich die Sozialdemokraten um Thorning-Schmidt auf die hitzige Debatte um strengere Regeln für Flüchtlinge und Einwanderer eingelassen. Thorning-Schmidt hat bereits zu Jahresbeginn das Bleiberecht für Flüchtlinge auf ein Jahr begrenzt. Rasmussen hat den Ton beim Thema Flüchtlinge weiter verschärft. Er fordert, dass der Zustrom von Asylbewerbern gebremst werden müsse.

Gegenstimmen werden abgeschmettert

In Dänemark gebe es eine diffuse Angst vor Überfremdung, sagt Iben Berg-Breuer. Sie ist in Kopenhagen geboren, lebt aber seit über dreißig Jahren in Deutschland. "Das mündet bei vielen Menschen in der Frage: die oder wir?" Berg-Breuer ist Lehrbeauftragte für Dänisch an der Universität zu Köln. Sie verfolgt den Wahlkampf in ihrem Heimatland mit großem Interesse. Auch wenn sie selbst nicht abstimmen darf, da sie ihren Hauptwohnsitz nicht in Dänemark hat.

Wer eine Gegenstimme erhebe und sich für Einwanderung ausspreche, sagt Berg-Breuer, werde schnell als naiver Weltverbesserer abgestempelt. Auch hier kommt das Jante-Gesetz zum Tragen. Die dritte Regel besagt: "Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir." Berg vermutet, dass diese Mentalität auch historisch in der fünfjährigen Besatzungszeit während des Zweiten Weltkriegs begründet liegt. "Es sind Existenz- und Globalisierungsängste, die da hineinspielen."

Keine Angst vor Aufnahmequote

Im vergangenen Jahr haben 14.680 Flüchtlinge in dem südskandinavischen Land Antrag auf Asyl gestellt, etwa doppelt so viele wie im Vorjahr. Damit ist Dänemark von Platz zehn auf Platz fünf der Länder in der EU aufgestiegen, die die meisten geflüchteten Menschen pro Kopf aufnehmen. Dass die Innenminister der Europäischen Union in dieser Woche über eine obligatorische Aufnahmequote für Flüchtlinge verhandelten, störte das skandinavische Land nicht weiter. Dänemark sowie Großbritannien und Irland wiesen gleich auf ihr Sonderrecht hin, innenpolitische Gesetze aus Brüssel zuhause nicht anwenden zu müssen.

Das entscheidende Thema im Wahlkampf der Dänen ist also die Einwanderungspolitik. Der Mitte-Rechts-Block sendet deutliche Signale der Ablehnung. Ganz im Sinne der neunten Regel des Jante-Gesetzes: "Du sollst nicht glauben, dass sich irgendjemand um dich kümmert." Ob Helle Thorning-Schmidt auch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung ihres Landes punkten kann, ist noch offen.