Drogenboss "El Chapo" lebenslänglich in Haft
17. Juli 2019Die offizielle Strafe entspricht lebenslanger plus 30 Jahren Haft. Der Verurteilte dürfe keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen, sagte Richter Brian Cogan. Außerdem forderte das Gericht Guzmán auf, eine Summe von 12,6 Milliarden Dollar (rund 11,2 Milliarden Euro) zu zahlen. Dies sei eine "konservative Schätzung" der Summe, die er aus der Drogenkriminalität eingenommen habe, hatte die Staatsanwaltschaft zuvor mitgeteilt.
Die nach Bundesgesetz zulässige Todesstrafe war nach einer Einigung zwischen den USA und Mexiko, von wo aus Guzmán nach seiner Festnahme ausgeliefert worden war, von vorneherein ausgeschlossen.
Neues Verfahren abgelehnt
Vor Bekanntgabe des Strafmaßes bekam Guzmán eine letzte Möglichkeit für eine Stellungnahme. Er sagte, ihm sei ein fairer Prozess verweigert worden. Guzmáns Verteidiger hatten bis zuletzt erfolglos versucht, das Verfahren neu aufrollen zu lassen. Hintergrund ist ein Medienbericht, wonach Mitglieder der Geschworenen-Jury während des Prozesses die Berichterstattung darüber verfolgt hätten. Dadurch hätten sie von vorverurteilenden Behauptungen gewusst, die in der Verhandlung nicht verwendet werden durften. Ein Richter lehnte den Antrag der Verteidiger auf ein neues Verfahren allerdings ab. Ihm zufolge war die Beweislast gegen den Drogenboss ohnehin erdückend.
Guzmán, der wegen seiner Körpergröße von 1,64 Meter den Spitznamen "El Chapo" (der Kurze) trägt, war im Februar in einem der größten Prozesse zu Drogenkriminalität in der Geschichte der USA in allen zehn Anklagepunkten schuldig gesprochen worden - unter anderem wegen Beteiligung an einer Verbrecherorganisation, Herstellung und internationaler Verbreitung der Drogen Kokain, Heroin, Methamphetamin und Marihuana sowie wegen Geldwäsche und Gebrauchs von Schusswaffen.
Der Mexikaner gilt als der mächtigste Drogenbaron seit dem Kolumbianer Pablo Escobar. Er war jahrelang Chef des berüchtigten Sinaloa-Kartells. Drogenschmuggel in großem Stil, Waffenhandel und Geldwäsche waren die zentralen Geschäftsgebiete des 62-Jährigen, der nach Zeugenaussagen unter anderem Auftragskiller anheuerte und bei Mord und Folter auch selbst Hand angelegt haben soll.
54 Zeugen sagten in dem Mammutverfahren aus, darunter frühere Partner und Mitarbeiter sowie eine Ex-Geliebte. Die meisten sitzen ebenfalls in US-Gefängnissen ein. Laut den Aussagen ordnete Guzmán Entführungen und Tötungen von Konkurrenten oder Polizisten an, die sich nicht bestechen ließen. Der Drogenbaron habe eine rund hundert Mann starke Leibwächtertruppe um sich geschart, die Pistolen, automatische Waffen, Granaten und sogar Raketenwerfer besessen hätten.
Einem Zeugen zufolge hat neben vielen anderen auch der mexikanische Ex-Präsident Enrique Peña Nieto Schmiergeld in Millionenhöhe erhalten. Der frühere Büroleiter von Peña Nieto wies die Anschuldigungen zurück.
Guzmán ist derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in New Yorks Stadtteil Manhattan eingesperrt. Zuvor gelang es dem Drogenboss bereits zwei Mal, aus mexikanischen Gefängnissen auszubrechen: 2001 entkam er in einem Wäschekorb und 2015 durch einen Tunnel, den Komplizen bis unter seine Zelle gegraben hatten.
Hochsicherheitsgefängnis wartet
Eine solche Chance wird er in den USA mutmaßlich nicht haben. Voraussichtlich wird Guzmán in einer extrem abgesicherten Haftanstalt in einer entlegenen Gegend der Rocky Mountains untergebracht. Das "ADX Florence" im Bundesstaat Colorado wird wegen seiner harschen Haftbedingungen von manchen als Hölle auf Erden beschrieben. Die 1994 gebaute Anstalt ist laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf die extreme Isolierung der Häftlinge spezialisiert.
Kontakt zu Mitinsassen haben die meisten Häftlinge laut Amnesty nur während der täglichen bis zu zwei Stunden "Erholungszeit", in der sie ihre körperliche Fitness trainieren können. Die als besonders gefährlich geltenden Insassen werden für diese Übungen demnach aber einzeln in Käfige in einem Hof gesperrt, die nicht viel größer sind als ihre etwa 7,50 Quadratmeter großen Zellen.
Bereits über seine bisherigen Haftbedingungen in dem New Yorker Gefängnis hatte sich Joaquín "El Chapo" Guzmán wiederholt beschwert. Eine dickere Decke konnte er sich vor Gericht erstreiten, die gewünschten Ohrenstöpsel blieben ihm aber verwehrt. In seiner letzten Stellungnahme direkt vor Bekanntgabe des Strafmaßes bezeichnete der Drogenboss sein Eingesperrtsein in den USA als "psychologische, emotionale und mentale Folter".
ust/sti (ap, rtr, dpa, afp)