Klosterhalfen läuft unbeirrt ins Finale
2. Oktober 2019Sie lächelte. Dafür hatte Konstanze Klosterhalfen in Doha - an sich - auch allen Grund. Ungefährdet hatte sie sich im zweiten Vorlauf über 5000 Meter für das Finale qualifiziert, war - auf einer Linie mit der Siegerin Äthiopierin Tsehay Gemechu - als Zweite ins Ziel gekommen (Artikelbild). Nun hat die 22-Jährige alle Chancen, im Finale am Samstag eine Medaille zu holen.
"Den kenne ich noch gar nicht"
Die junge Sportlerin lächelte auch, als der ZDF-Reporter nach dem Rennen auf das bestimmende Thema der Stunde zu sprechen kam: die Doping-Sperre für Alberto Salazar, dem Cheftrainer des "Nike Oregon Projects" (NOP), dem sich Klosterhalfen im April offiziell angeschlossen hatte. "Klar ist das eine schockierende Nachricht, aber mehr kann ich dazu auch noch nicht sagen", erklärte die Läuferin. Und angesprochen auf den ebenfalls gesperrten Mediziner Jeffrey Brown sagte Klosterhalfen: "Den kenne ich noch gar nicht."
Als die spektakuläre Sperre am Dienstag bekannt wurde, hatte ihr Management bereits bekräftigt, dass Konstanze Klosterhalfen im NOP ja nicht mit Salazar trainiere, sondern mit dem US-Amerikaner Pete Julian. Beobachter des umstrittenen Projekts sagen allerdings, dass man das in der auf dem Nike-Campus im amerikanischen Beaverton gegründeten Trainingsgruppe nicht immer so genau trennen könne. Für die deutsche Sportlerin gelte jedenfalls: "Konstanze lehnt jede Form von Betrug strikt ab", so ihr Manager Dany Biegler. Für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) erklärte Generaldirektor Idriss Gonschinska, dass man sich nach der WM mit Klosterhalfen und dem Management zusammensetzen wolle, um die Situation zu bewerten. "Auf keinen Fall" werde sie die Konsequenz daraus ziehen, dass sie nicht mehr in das Camp gehe, sagte Klosterhalfen etwas später. "Das bleibt das beste Team der Welt. Ich weiß für mich und alle, die drumherum sind und Einblicke haben, was da passiert und was nicht passiert."
Es war ihr fast zu langsam
Es spricht für die Mentalität der Sportlerin, dass der Rummel um die Entscheidung der US-Anti-Doping-Behörde USADA ihre Leistung nicht zu schmälern vermochte. Der Vorlauf sei ihr fast ein wenig zu langsam gewesen, daher habe sie am Ende auch nochmal etwas angezogen. Die letzten drei Runden absolvierte sie an der Spitze der siebenköpfigen Führungsgruppe - nur fünf von ihnen qualifizierten sich für den Endlauf. Die Zeit der Deutschen: 15:01,57 Minuten.
Klosterhalfen trainiert seit Herbst 2018 in Portland, seit vergangenem Frühjahr ist sie auch offiziell Mitglied des Oregon-Projekts, als einzige Deutsche unter elf Athletinnen und Athleten. Seitdem hat sie einen deutlichen Leistungssprung nach oben gemacht.
Vier Jahre ermittelt
Der 61 Jahre alte, in Kuba geborene und als US-Marathonläufer erfolgreiche Alberto Salazar hatte das NOP zusammen mit dem mächtigen Unternehmenschef Phil Knight 2001 gegründet, um die Vorherrschaft Afrikas auf den Langstrecken zu beenden. Die USADA ermittelte seit 2015 gegen Salazar. Die nun verkündete Sperre von vier Jahren wird mit Verstößen gegen den Welt-Anti-Doping-Code begründet. Die USADA wirft Salazar unter anderem vor, seine Schützlinge mit Testosteron und verbotenen Infusionen gedopt zu haben. Außerdem habe er versucht, Dopingkontrollen zu manipulieren. Team-Arzt Brown - gleichfalls für vier Jahre gesperrt - gilt als Spezialist für Hormonbehandlungen.
Vorzeigeathlet Mo Farah
Frühere Athleten des Projekts hatten das Dopingverfahren in Gang gebracht. So hatte die Ex-Langstreckenläuferin Kara Goucher ihrem Ex-Coach Salazar vorgeworfen, ihr nach der Geburt ihres Kindes ein Schilddrüsenmedikament gegeben zu haben, damit sie abnehme. Laut USADA soll Athleten des Oregon-Projekts auch in kurzen Abständen per Infusion L-Carnitin verabreicht worden sein, ein Mittel, mit dem der Energiestoffwechsel gesteigert werden kann. Bisher erfolgreichster Schützling Salazars war der britische Superstar Mo Farah, den der Trainer zu vier Olympiasiegen führte, ehe Farah im Herbst 2017 das Projekt verließ - "nicht wegen der Dopingvorwürfe", wie Farah damals unterstrich.
"Grenzdoping"
"Ich denke, dass in diesem Zentrum alles, was irgendwie, irgendwann einmal in positivem Zusammenhang mit Leistungssteigerung gebracht worden ist, hoch professionell angewendet wird", sagte Professor Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizin und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg, schon vor Monaten der DW und sprach damals von "Grenzdoping": "Darunter verstehe ich, dass zum Beispiel Infusionen korrekt nach den WADA-Vorschriften abgewickelt werden: nicht mehr als 100 Milliliter pro zwölf Stunden. Man geht hier halt an die Grenzen."
Wie weit darf Optimierung gehen?
So leben in Portland auch einige der Läufer in Wohnungen, in denen mit Filtern der Sauerstoffanteil an der Atemluft reduziert wird. Mit diesem Verfahren werden Hypoxiebedingungen wie in großer Höhe simuliert, die dazu führen, dass der Körper mehr rote Blutkörperchen produziert. "Im Profisport ist Optimierung üblich", sagte Doping-Experte Sörgel. "Wer seine Trainingsmethoden und offensichtlich auch seine Versorgung mit Substanzen verschiedenster Art optimiert, hat einen Vorteil. Es ist die Frage, wie man dazu steht, das ist eher eine moralische Frage."