Diskriminierung in Deutschland: Schwarze besonders betroffen
7. November 2023Abwertende Blicke, weil jemand eine dunkle Hautfarbe hat oder ein Kopftuch trägt. Beleidigende Worte, weil jemand schlecht oder gar kein Deutsch spricht. Diskriminierung und Rassismus in Deutschland haben viele hässliche Gesichter und sind quer durch die Gesellschaft weit verbreitet.
Der Befund ist weder ganz neu noch völlig überraschend, aber wurde selten so präzise ermittelt wie im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaRiDa) des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Dafür wurden von Juni bis November 2022 rund 21.000 Menschen befragt.
Rassismus in Deutschland ist alltäglich
Demnach hat mehr als die Hälfte der Schwarzen (54 Prozent) mindestens einmal rassistische Erfahrungen gemacht. Fast jede fünfte Frau aus dieser Bevölkerungsgruppe (19 Prozent) gab an, sogar mehrmals im Jahr bedroht oder belästigt worden zu sein. Weniger, aber immer noch stark betroffen sind muslimische (14 Prozent) und asiatische Frauen (13 Prozent).
Insgesamt gibt es wenige Unterschiede zwischen den Geschlechtern – mit einer Ausnahme: Weiße Frauen haben mit elf Prozent fast doppelt so oft diskriminierende Erlebnisse gehabt wie Männer (sechs Prozent). "Die Intensität sowie die Konsequenzen erlebter Diskriminierung sind in Deutschland ungleich verteilt", fasst DeZIM-Direktorin Naika Foroutan die Ergebnisse des Berichts zusammen. Ihr Ziel: die Etablierung eines dauerhaften Monitorings in Deutschland.
Wie Diskriminierung die Demokratie schwächen kann
"Wiederholte Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus haben Folgen für die Gesundheit und hängen nachweislich mit einem Vertrauensverlust in staatliche Institutionen zusammen – das kann die Demokratie schwächen und bedrohen", betont Naika Foroutan.
Stichwort Gesundheit: Auf diesen Aspekt wurde im aktuellen Bericht besonders geblickt. Die schlechtesten Erfahrungen haben nach eigener Aussage muslimische und asiatische Menschen gemacht und deshalb am häufigsten den Arzt oder die Ärztin gewechselt. Auch hier gilt: Frauen waren quer durch alle Bevölkerungsgruppen stärker betroffen als Männer.
Die gesundheitlichen Folgen von Rassismus
"Unsere Daten zeigen, dass Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen auch sehr deutlich mit Angststörungen oder depressiven Symptomen zusammenhängen", erläutert Frank Kalter, der sich die DeZIM-Direktionsleitung mit Naika Foroutan teilt.
Seine Empfehlung an Politik und Gesellschaft: präventive Maßnahmen entwickeln, um Betroffene und zivilgesellschaftliche Organisationen besser zu unterstützen, "die sich täglich für eine demokratische, freie und friedliche Gesellschaft einsetzen".
Mahnende Worte der Integrationsbeauftragten
Hautfarbe oder Nachname dürften niemals entscheidend dafür sein, wer wann den Arzttermin oder den Therapieplatz erhält oder wie gut die medizinische Versorgung ist, mahnt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan. Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal und Krankenhäuser bräuchten "passgenaue Antirassismus-Schulungen und -Konzepte".
Ähnliche Forderungen gibt es mit Blick auf Ämter und Behörden schon seit langem. Dabei immer wieder im Fokus: die Polizei. Im Rahmen der aktuellen Befragung berichteten 41 Prozent der schwarzen und 39 Prozent der muslimischen Männer von Diskriminierung bei der Polizei.
Auch Sexismus und Altersdiskriminierung ein Thema
Weiße Menschen sind insgesamt deutlich seltener von Diskriminierung betroffen. Ihre Hautfarbe spielt als Grund kaum eine Rolle. Trotzdem machen auch sie ihren Angaben zufolge schlechte Erfahrungen – sei es auf der Straße, in Bahnen und Bussen oder in Amtsstuben. Frauen werden demnach meistens sexistisch diskriminiert, Männer wegen ihres Alters.
Der jetzt vorgelegten Studie sollen weitere folgen. Wie die Deutsche Welle erfahren hat, soll unter dem Eindruck des Nahost-Kriegs im nächsten Bericht der Fokus stärker auf Antisemitismus gelegt werden. Darum wurde das vom Familienministerium finanziell unterstützte Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ausdrücklich gebeten.
Familienministerin plant weitere Studien
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) begründete ihren Wunsch auf DW-Anfrage schriftlich: "Um noch gezieltere und wirksamere Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus ergreifen zu können, sind wir auf mehr wissenschaftliche Erkenntnisse und auf regelmäßige Daten angewiesen."