Die WM, ein Piratensender und Streit am Golf
12. Juli 2018Zuschauer in Saudi-Arabien können derzeit wählen, wo und wie sie die Übertragung der WM 2018 schauen wollen: entweder über den in Katar ansässigen Sender beIN Sports, der die Rechte an der Weltmeisterschaft für Nordafrika und den Nahen Osten legal erworben hat. Oder über den Piratensender BeoutQ, der den Kanal von beIN Sports anzapft und so die WM ebenfalls anbietet - illegal, ohne einen einzigen Dollar an Lizenzgebühren bezahlt zu haben, während beIN Sports, ein Ableger des katarischen Senders Al-Jazeera, dafür hunderte Millionen Dollar investiert hat.
Aus Sicht der Zuschauer fällt die Raubkopie kaum auf. Einziger Unterschied: Während sie in der katarischen - legalen - Variante in der Halbzeit Werbung über sich ergehen lassen müssen, sind sie auf dem Piratensender politischen Einspielern ausgesetzt, gerichtet überwiegend gegen Katar.
Die Stoßrichtung liegt auf der Hand: BeOutQ strahlt sein Programm bislang über einen Satelliten des in Riad ansässigen Unternehmens Arabsat aus. Dieser befindet sich zu 30 Prozent im Besitz von Saudi-Arabien. Die UEFA mutmaßte darum, dass es sich bei BeOutQ um einen saudischen Sender handelt. Und einiges spricht dafür, dass dieser auch einer politischen Agenda folgt.
In & Out
Das saudische Informationsministerium widerspricht diesen Mutmaßungen: "Das Informationsministerium hat von den unverantwortlichen Anschuldigungen in einer UEFA-Presseerklärung hinsichtlich eines unter dem Namen BeoutQ bekannten Unternehmens gehört", heißt es in einer im Fernsehsender Al Arabiya veröffentlcihten Erklärung. "Die UEFA behauptet, BeoutQ sei in Saudi-Arabien ansässig. Das Informationsministerium weist diese Behauptung in aller Entschiedenheit zurück."
BeOutQ zapft nicht nur die hochprofitable WM ab, sondern - unter anderem - auch Spiele der Champions League sowie der Fußball-Bundesliga. Mitte dieser Woche hat sich darum auch die Rechteinhaberin der Übertragungen, die Deutsche Fußball Liga (DFL), in einer Presseerklärung zu den Gepflogenheiten bei BeOutQ geäußert. "BeoutQ ist von der DFL in keiner Weise autorisiert, Bundesliga-Inhalte zu verbreiten", heißt es in der Erklärung. "Die DFL ist hier bereits aktiv, um ihre Rechte und die Rechte ihres Lizenznehmers BeIn zu schützen und den Rechteinhaber in der betroffenen Region Nahost und Nordafrika bestmöglich zu unterstützen."
Allerdings, so lässt sich die Erklärung verstehen, steht die DFL mit ihrer Arbeit bezüglich BeOutQ noch relativ am Anfang: "Es gilt aufzudecken, wer für die Piraterie verantwortlich ist, von wem also Verstöße ausgehen, und im nächsten Schritt an diejenigen heranzutreten, die für die Verbreitung der Bundesliga-Inhalte zuständig sind. Darüber hinaus behält sich die DFL weitere juristische Maßnahmen und Aktivitäten über politische Wege vor."
Politische Interessen
Dass es um mehr geht als um illegales Streaming aus ökonomischen Gründen, deutet ein weiterer Satz aus dem Statement des saudischen Informationsministeriums an. Dieses hat sich nach Information der "Gulf Digital News" auch darüber beschwert, das beINSports die WM "politisiere" sowie Saudi-Arabien und dessen Fans "beschimpfe".
Zugleich erhob das Ministerium in der Stellungnahme schwere Vorwürfe gegen Al Jazeera, den Muttersender von beINSports. "Al Jazeera stellt Terroristen eine Medienplattform zur Verfügung, um ihre gewalttätige Botschaft zu verbreiten. Das (saudische) Königreich hat aus diesem Grund alle Sendungen von beINSports in Saudi-Arabien verboten", heißt es in dem Statement weiter.
Die Annahme, dass es bei dem Streit zwischen den beiden Sendern womöglich in erster Linie um Politik geht, legen auch einige Tweets des Vorsitzenden der saudischen Sportbehörde Turki al-Al-Scheich, nahe.
Der hatte, ohne nähere Einzelheiten zu erwähnen, die UEFA beschuldigt, sich nicht durchgehend eindeutig zu äußern. Vor allem aber erklärte er, dass beINSport durch das Monopol auf die Übertragungsrechte die Gefühle von 30 Millionen saudischen Bürgern verletze.
Ein Boykott auf allen Ebenen
Verständlich wird der Tweet vor dem Hintergrund des von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten angestoßenen wirtschaftlichen und politischen Boykotts gegen Katar. Die Vierer-Gruppe beschuldigt Katar, aufgrund seiner Nähe zur Muslimbrüderschaft wie auch zum - mit Saudi-Arabien verfeindeten - Iran Kontakte zu den genannten "Terroristen" zu pflegen. Hintergrund der Anschuldigungen ist die Sorge, die politisch hochaktiven Muslimbrüder könnten, nachdem sie in Ägypten durch härteste Repressionen unterdrückt wurden, auf der konservativen Golfhalbinsel neue soziale Unruhen entfachen.
Vor diesem Hintergrund könnte auch der zunächst rätselhaft anmutende Name BeOutQ seinen Sinn entfalten. Das "Q" könnte für Katar stehen - der Name des Emirats schreibt sich im arabischen Orginal mit der Entsprechung des Deutschen "Q". Das kommt auch in der englischen Schreibweise zum Ausdruck: "Qatar".
Das Interesse der FIFA
Die FIFA hatte sich in dem Streit zwischen DFL und UEFA auf der einen und den Akteuren um BeOutQ auf der anderen Seite lange zurückgehalten, Mitte der Woche aber nachgezogen.
"Die FIFA beobachtet, dass ein Piratenunternehmen namens 'BeoutQ' weiterhin widerrechtlich das Sendesignal der FIFA Weltmeisterschaft 2018 benutzt." Darum habe die FIFA beschlossen, in Saudi-Arabien den Rechtsweg zu bestreiten, und zwar in Zusammenarbeit mit anderen Sportrechte-Inhabern, die ebenfalls geschädigt worden seien. "Die FIFA fordert die Behörden in Saudi-Arabien und anderen Ländern, in denen diese illegalen Aktivitäten beobachtet wurden, auf, uns im Kampf gegen die Piraterie zu unterstützen."
Der Boykott, der Fußball und der Piratensender: All dies hat offenbar zu einer für Saudi-Arabien brisanten Verquickung unterschiedlichster Interessen geführt, die nur schwer aufzulösen sein dürfte. Das Königreich befindet sich einerseits im politischen Kampf mit Katar und darüber hinaus auch mit seinem Erzfeind Iran. Zugleich will es sich auf der Suche nach neuen Finanzquellen, aber auch aus Gründen der Imagepflege stärker im internationalen Fußballgeschäft engagieren. Beide Interessen drohen nun in einer Sackgasse zu enden. Saudi-Arabien muss Prioritäten setzen - sich außen- und sportpolitisch vielleicht aber auch ganz neu erfinden.