Die Liberalen machen sich Mut
6. Januar 2019Die Heiligen haben dieses Mal an die FDP gedacht. Trotz Nieselregens und Kälte sind die Drei Könige pünktlich im Foyer des Opernhauses in Stuttgart erschienen. Vor drei Jahren noch - da war die FDP nicht im Bundestag - hatten sie den traditionsreichen Partei-Termin schlicht vergessen. Dieses Mal begrüßen sie Partei- und Fraktionschef Christian Lindner mit Weihrauchnebel. Der grüßt die heilige Delegation brav zurück und wünscht ihnen alles Gute für 2019. Zuvor musste er draußen an der protestierenden Parteijugend, den Julis vorbei, die sich für mehr Umweltschutz im Parteiprogramm einsetzten.
Bereit für das Regieren
Lindner verliert auch gar nicht viel Zeit; kommt gleich auf das zentrale Thema für die FDP, das Wiedermitregieren. "Ein faires Angebot" (für eine Koalitionsbeteiligung) werde seine Partei nicht ausschließen. "Jeder sei da willkommen", ergänzt Lindner mit einem larmoyanten Lächeln. Applaus kriegt er dafür nicht nur von den 15 FDP-Funktionären, die sich in einer neumodischen, weißen Sitzlandschaft auf der Bühne um ihn herumgruppieren, sondern auch aus dem gut gefüllten Saal.
Lange hatte Lindner - und immer wieder ausdrücklich - Neuwahlen für eine Regierungsbeteiligung gefordert. "Er ist bereit, auch in der laufenden Legislaturperiode in eine Jamaika-Regierung einzutreten", analysiert Parteienforscher Ulrich von Alemann im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Zünglein-an-der Waage-Partei
Die FDP hat Ende des vergangen Jahres Jubiläum gefeiert: 70 Jahre Liberale. Ohne die FDP ging in Deutschland lange fast nichts. Die kleine Partei wurde immer wieder zum Zünglein an der Waage; zur staatstragenden Partei, ohne die keine Regierung zu machen war, egal ob in einer Koalition mit der Union oder SPD.
Doch dann, im September 2013, scheiterte die FDP zum ersten Mal in ihrer Geschichte an der Fünf-Prozent-Hürde; kam nicht mehr in den Bundestag.
Lichtgestalt und Vorsitzender: Christian Lindner
Der junge Christian Lindner wurde zunächst Parteichef, dann Hoffnungsträger und bald schon Lichtgestalt, denn er hatte die FDP bei den Wahlen 2017 wieder mit fast elf Prozent in den Bundestag zurückgebracht. Die Partei das war - und bleibt - für viele schlicht Christian Lindner. Doch einige haben ihm bis heute nicht verziehen, dass er im November 2017 diesen einen Satz gesagt hat: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren!" Dieses Diktum war das Ende der Koalitions-Sondierungen zwischen CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP. Es war das Ende des Traumes auf eine Regierungsbeteiligung und steigende Umfragewerte. "Das hängt der FDP immer noch nach, dass sie die Chance zum Regieren damals bewusst ausgeschlagen hat", glaubt Parteienforscher von Alemann.
Und auch wenn man mit Parteimitgliedern in Stuttgart spricht, heißt es immer wieder: "Dieser Satz hat schon polarisiert", sagt zum Beispiel Jan Siegemund von der FDP in Thüringen. Dort und in weiteren zwei weiteren ostdeutschen Bundesländern wird in diesem Jahr gewählt, Ende Mai dann in Bremen; gleichzeitig mit den Europawahlen.
"Ich bin optimistisch, wenn ich auf den Zustand der der FDP 2019 schaue", versprüht Christian Lindner Zuversicht auf der Bühne. Auch für die "nächsten Meilensteine" - also die anstehenden Wahlen.
Eigentlich gute Zeiten für die Liberalen: Die Sozialdemokraten erleben einen rasanten Absturz, die CDU steht da mit einer gestutzten Angela Merkel, die erst vor wenigen Wochen den Parteivorsitz aufgegeben hat und damit sehr viel Macht und Ansehen. Doch die Partei dümpelt in den Umfragen bei um die neun Prozent vor sich hin, schlechter als das Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl.
Agenda für die Fleißigen
Deshalb setzt Lindner auch auf Attacke - gegen die erfolgreichen Grünen und auch gegen die neue Parteivorsitzende der CDU, Kramp-Karrenbauer. Sie habe Steuererhöhungen propagiert und verfechte in manchen Punkten ein "sogar reaktionäres" Weltbild, ruft Lindner in den Raum. Politikwissenschaftler von Alemann sieht in der Neubesetzung bei der CDU ein echte Chance für die FDP: "Sie (Kramp-Karrenbauer) ist in ihren innenpolitischen Grundeinstellungen konservativer und katholischer als Angela Merkel."
Genau das versucht Lindner. In Stuttgart verkündet er die "Agenda für die Fleißigen" und die "Agenda für mehr Selbstbestimmung und Liberalität". Also mehr Aufmerksamkeit für Rentner, Geringverdiener und Sparer. Mehr Raum für Bürgerrechte, alle Formen der Ehe und der Privatsphäre.
Ria Schröder, die Vorsitzende der "Jungen Liberalen" ist zufrieden mit diesem Dreikönigstag und mit ihrem Parteichef. "Er hat das Thema Umweltschutz offensiv angesprochen. Es könnte aber noch ein bisschen mehr sein." Und eines wünscht sie sich noch für 2019. Ein bisschen weniger One-Man-Show Christian Lindner: "Langfristig tut es der FDP gut, verschiedene Köpfe vorne zu haben."