Die EZB tritt nur leicht auf die Bremse
9. September 2021Die Europäische Zentralbank (EZB) drosselt bei den Notfallhilfen für die sich aus der Virus-Krise lösende Wirtschaft etwas das Tempo. Die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP im vierten Quartal etwas geringer ausfallen werden als in den beiden Quartalen zuvor.
Die Währungshüter hatten bislang im Vergleich zu den Anfangsmonaten des Jahres ein deutlich höheres Kauftempo beibehalten. Das auf insgesamt 1,85 Billionen Euro angelegte PEPP-Programm(Pandemic Emergency Purchase Programme) ist eines ihrer Hauptinstrumente, um den Kreditfluss an die Wirtschaft während der COVID-Krise zu stützen und günstige Bedingungen zur Finanzierung für Unternehmen, Staaten und Haushalte sicherzustellen.
Zuletzt hatten die Währungshüter im Rahmen von PEPP Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von monatlich rund 80 Milliarden Euro erworben. Die PEPP-Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden. Neben dem PEPP gibt es weitere Kaufprogramme, die alle zum Ziel haben, Geld in die Wirtschaft zu pumpen und die lange als zu niedrig geltende Inflation anzuheizen.
Ausstieg noch kein Thema
In den USA hat die Notenbank Fed bereits angekündigt, sich schrittweise von dieser lockeren Geldpolitik verabschieden zu wollen. Die Europäer sind dagegen noch nicht so weit.
Laut Lagarde wurde auf der Ratssitzung noch nicht über eine künftige Einstellung der Anleihenkäufe beraten. "Wir haben nicht darüber gesprochen, was als nächstes kommt", sagte die EZB-Chefin am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung.
Dies sei ein Thema, das in den kommenden Monaten vorbereitet werde. Im Dezember, wenn die EZB-Volkswirte ihre nächsten aktualisierten Projektionen vorlegen, könne die Zeit zur Aussprache über "interessantere Themen" gekommen sein.
"Das reduzierte Volumen der Anleihenkäufe unter dem Notfallprogramm PEPP sollte nicht als eine restriktive Geldpolitik verstanden werden, denn die EZB reduziert diese lediglich auf das vorherige Niveau und wird auch nach März 2022 ihre regulären Anleihenkäufe fortsetzen", kommentierte Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Ankündigungen der Notenbank.
Den Leitzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld beließ die EZB auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort liegt er bereits seit März 2016. Der Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent - Institute müssen also weiterhin dafür zahlen, um bei der Notenbank Geld zu parken.
Die Zinsen will die EZB erst wieder anheben, wenn sie ihr Inflationsziel nachhaltig erreicht sieht. Für das laufende Jahr sagen Ökonomen der Notenbank für die Eurozone eine Inflation von 2,2 Prozent voraus. Damit würde die EZB ihre Zielmarke von zwei Prozent reißen. Noch im Juni hatten sie 1,9 Prozent erwartet. Im August war die Inflationsrate sogar auf 3,0 Prozent hochgeschnellt, den höchsten Wert seit rund zehn Jahren.
Doch die EZB glaubt nicht, dass diese Teuerungsrate nachhaltig ist. "Der Anstieg dürfte vorübergehender Natur sein", sagte Lagarde. "Wir gehen davon aus, dass die Teuerung in diesem Herbst weiter anzieht, 2022 aber abflaut."
Gründe für die stärkere Inflation seien etwa höhere Ölpreise, die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuerhöhe in Deutschland und Materialengpässe. Für 2022 hoben die Volkswirte ihre Inflationsprognose von 1,5 auf 1,7 Prozent an, für 2023 von 1,4 auf 1,5 Prozent.
Größere Inflationstoleranz
Nach dem Corona-bedingten Rezessionsjahr 2020 erwarten die EZB-Volkswirte im laufenden Jahr eine wirtschaftliche Erholung im Euroraum. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll in diesem Jahr um 5,0 Prozent steigen. "Die Erholung der Wirtschaft des Euroraums schreitet zunehmend voran", sagte Lagarde. "Ende dieses Jahres dürfte das Vorkrisenniveau übertroffen werden." Für 2022 werden 4,6 und für 2023 nunmehr 2,1 Prozent an Wachstum erwartet.
Die Notenbankchefs von Österreich und den Niederlanden, Robert Holzmann und Klaas Knot hatten angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs und der anziehenden Inflation gefordert, über geringere Anleihenkäufe nachzudenken. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte gemahnt, auch "das Risiko einer zu hohen Inflation" nicht auszublenden: "Angesichts der bestehenden Unsicherheit sollten wir den sehr lockeren Kurs der Geldpolitik nicht für zu lange festschreiben."
Beim Umgang mit höheren Teuerungsraten hat sich die EZB inzwischen allerdings mehr Flexibilität verschafft: Die Notenbank strebt neuerdings für den Währungsraum eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, eine moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren.
dk/bea (dpa, rtr)