Die "Eiserne Lady" hinter Juschtschenko
25. Januar 2005"Julia, Julia" riefen die Demonstranten immer wieder auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, wenn die zierliche, blonde Frau mit dem eisernen Willen auftrat. Sie trieb die "orangene Revolution" voran und die Massen folgten ihr. "Wenn Julia ruft, dann kommen wir!", hörte man immer wieder in den Straßen.
Und so folgten sie Julia Timoschenko auch am kritischsten Tag der Demonstrationen, als noch nicht klar war, wie das Militär und wie Präsident Kutschma reagieren würden. "Nach Ende der Veranstaltung bilden wir friedlich eine Kolonne und geleiten Viktor Juschtschenko zu seinem neuen Arbeitsplatz", gab sie die Anweisung. Timoschenko stellte sich an die Spitze des Demonstrationszuges und steckte den vermummten und bewaffneten Militärs die ersten Nelken auf die Schilder. Die Situation entspannte sich.
Julia polarisiert
Es scheint logisch, dass Julia Timoschenko, die charismatischste Figur und einzige Frau im Kreis um Viktor Juschtschenko auch einen wichtigen Posten in der neuen Regierung bekommt. Doch den des Premierministers traute ihr bisher kaum einer zu. Denn die 44-Jährige ist umstritten, weil sie polarisiert. Ihre Gegner bezeichnen sie als nationalistisch und radikal. In Russland wird sie mit Haftbefehl gesucht - wegen Bestechungsvorwürfen aus den 1990er Jahren.
Sicher ist: "Gasprinzession Julia" hat in den wilden Jahren der ukrainischen Transformation gut verdient. Sie gilt als die reichste Frau des Landes. Die studierte Ökonomin leitete mit ihrem Mann einen Energiekonzern. Sie kauften vor allem russisches Erdgas ein, um es nach Westeuropa zu exportieren.
Treibende Kraft
Mitte der 1990er Jahre entschied sich Julia Timoschenko dann für die Politik, wurde Abgeordnete, stieg schnell in wichtige Ämter auf. In der Regierung von Viktor Juschtschenko, der von 1999 bis 2001 schon Premierminister war, wurde sie Energieministerin. Sie begann aufzuräumen und die Geldströme der Schattenwirtschaft lahmzulegen.
Das gefiel den Wirtschaftsbossen um Präsident Leonid Kutschma offenbar gar nicht. Nach nur einem Jahr entließ der Präsident sie aus dem Amt. Und - wegen ihrer Geschäfte im Energiesektor ließ Kutschma sie strafrechtlich verfolgen. Für 43 Tage saß sie in Untersuchungshaft, aber ohne Urteil. "Leonid Kutschma hat mich dafür ins Gefängnis gesteckt, dass ich in meiner Position den Gewinn für die Leute in seiner Umgebung um drei, vier Milliarden veringerte", sagt sie.
Seitdem kämpfte sie erbittert gegen Kutschma. Kritische Beobachter sehen auch darin die Motivation für ihr Engagement. Doch sie stand immer hinter Viktor Juschtschenko, trieb ihn vorwärts. Im Gegensatz zu Timoschenko gilt er als zögerlich.
Mit der neuen Regierung will Julia Timoschenko das Land verändern und Ordnung schaffen. Ihren Anspruch dabei hatte sie schon Anfang Dezember 2004 klargestellt. "Der Posten des Premiers ist eine wunderbare Position, um die Pläne zu realisieren, die wir schon unter der Regierung Juschtschenko hatten", ließ sie wissen. Die Frage ist, ob das von Männern dominierte Parlament und die Oligarchen des industrialisierten Osten sie akzeptieren werden.