Daimler: Schlank in die Zukunft!
14. November 2019Seit rund einem halben Jahr ist der 50-jährige schwedische Manager Ola Källenius jetzt Vorstandsvorsitzender der Daimler AG. Nun hat er seine mit Spannung erwarteten Ideen zur Zukunft seines Arbeitgebers vorgestellt. Auf einer Investorenkonferenz in London hat der Nachfolger von Dieter Zetsche verraten, wie er den Konzern aus seiner gegenwärtig schwierigen Lage herausmanövrieren will.
Nach fast zehn Jahren des Wachstums steht das Unternehmen vor einer Wende: 2018 ging der Gewinn zurück, Daimler kämpft mit den Rechtskosten des Dieselskandals, mit Produktionsproblemen und der schwächelnden Konjunktur. Dazu kommen nötige Milliardeninvestitionen für die Umstellung auf Elektroautos und neue Technologien.
Der Druck ist groß, sehr groß
Auf einer Investoren-Konferenz zum Auftakt des Kapitalmarkttages am Donnerstag in London ließ der Daimler-Boss jetzt die Katze aus dem Sack. Mit einer rigiden Schlankheitskur (nämlich mit weniger Beratern und weniger Personal, das weniger oft reisen soll) will Källenius den Autobauer auf die Zukunft ausrichten und wieder auf mehr Profit trimmen.
Das Problem dabei: Wenn es den Menschen, die "beim Daimler schaffe", ans Geld geht, findet die schwäbische Gemütlichkeit ein schnelles Ende. Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht hatte schon in der vergangenen Woche in einem Rundschreiben gewarnt: "Sinnloses Kostenschrubben lehnen wir ab."
So hatte Ola Källenius in London an zwei Fronten zu kämpfen. Einerseits wollte er den Investoren versichern, mit Daimler weiterhin gute Geschäfte machen zu können, andererseits muss er auf dem Weg dahin seine eigene Belegschaft mitnehmen. Dass Källenius für seinen Auftritt ein Investoren-Publikum wählte, ist ein deutliches Zeichen, dass er dem Shareholder Value in Zukunft sein besonderes Augenmerk widmen wird.
Gerade von Seiten der Geldgeber war der Druck auf Daimler schon seit einiger Zeit gewachsen. Michael Muders, Portfoliomanager bei Union Investment, forderte im Vorfeld "radikale Maßnahmen". Stefan Bauknecht vom Vermögensverwalter DWS assistierte gegenüber dem "Handelsblatt": "Unsere Geduld ist nicht grenzenlos. Bei Daimler müssen die Ineffizienzen jetzt wirklich angegangen werden."
Ausgaben kürzen!
Diesen Ansprüchen will Källenius mit einem Sparprogramm gerecht werden. Vor allem in der Pkw-Sparte Mercedes-Benz sollen die Kosten runter. Bis Ende 2022 will Daimler so mehr als eine Milliarde Euro an Personalkosten einsparen - konkret heißt das: Jede zehnte Stelle im Management soll wegfallen.
Außerdem sollen die Investitionen in Sachanlagen sowie in Forschung und Entwicklung auf dem Niveau von 2019 gedeckelt und "mittelfristig" reduziert werden. Auch in den sogenannten indirekten Bereichen, also außerhalb der Produktion, sollen Arbeitsplätze wegfallen. Wie viele, ließ Källenius allerdings offen. Man befinde sich dazu in engem Austausch mit den Arbeitnehmervertretern, hieß es.
Die Mitarbeiter sind bereit - aber nicht zu allem
Betriebsrat Brecht hatte vergangene Woche schon die Zahl von 1100 zu streichenden Stellen im Management genannt und in deutlich verärgerter Tonlage an seine Kollegen geschrieben: "Wir sehen als Gesamtbetriebsrat durchaus die finanziell schwierige Situation sowie die Notwendigkeit von umsichtigen Maßnahmen, aber: Ihr dürft nicht für juristische Streitigkeiten oder Qualitätsprobleme von Zulieferern zur Kasse gebeten werden!"
Betriebsbedingte Kündigungen hat Daimler bis Ende des kommenden Jahrzehnts ausgeschlossen, auch Abfindungsprogramme oder ähnliches soll es nicht geben - was nicht ausschließt, dass der Konzern zum Beispiel freiwerdende Stellen nicht nachbesetzt. Der Betriebsrat will zudem über eine Ausweitung der Altersteilzeit verhandeln.
Die Abgase kommen Daimler teuer
Ein weiteres Problem für Daimler sind die Umweltauflagen in der Europäischen Union. Allein um die einhalten zu können, müsse Daimler rund 1,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Diese Zahl wird laut "Handelsblatt" in Finanzkreisen genannt, und Investoren hätten "diesen Margendämpfer ohnehin längst einkalkuliert."
Diese Belastungen und die daher nötigen "umfassenden Maßnahmen zur Effizienzsteigerung" räumte Källenius ein. Das wachsende Angebot an reinen E-Autos und Hybridfahrzeugen führe zu "Kostensteigerungen, die die Umsatzrendite von Mercedes-Benz Cars belasten werden".
Ob Daimlers Zukunftsprogramm diese Kostensteigerungen auffangen kann? Insgesamt will der Konzern in seiner Autosparte in den kommenden drei Jahren eine Milliarde Euro an Personalkosten einsparen. In der Lastwagensparte sollen bis Ende 2022 die variablen Kosten um 250 Millionen Euro sinken und beim Personal 300 Millionen Euro eingespart werden.
Der Chef spricht - die Aktie fällt
Viele Experten sehen die Ankündigungen von Ola Källenius skeptisch. Wie das "Handelsblatt" vorab berichtet hatte, herrsche auch im Konzern die Überzeugung, dass Mercedes in der Übergangszeit zur E-Mobilität keine Chance habe, auf eine Marge von acht Prozent zu kommen.
Das sieht der Autoexperte Frank Schwope von der NordLB ganz genau so: "Vor dem Hintergrund branchenüblicher, wiederkehrender Krisen und Unternehmensschwächen dürfte sich der Konzern von durchschnittlichen Ziel-Margen im Pkw-Bereich jenseits von acht Prozent verabschieden."
Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler findet "die mittelfristigen Finanzziele sehr enttäuschend". DW gegenüber beklagt er, dass "die Marge bei Mercedes 2022 bei sechs Prozent liegen soll. Selbst wenn man die Kosten für Vorleistungen etc. gelten lässt, ist das einfach zu wenig." Und schlimmer noch, so Pieper: "2020 dürfte die Marge deutlich darunter liegen."
Wie kritisch gerade die Investoren auf die Pläne von Daimler reagierten, zeigt ein Blick auf die Aktie des Konzerns. Während Källenius sprach, sank das Papier deutlich und gehörte am Vormitttag zu den Schlusslichtern im Dax: Die Aktie fiel in der Spitze um bis zu 4,7 Prozent auf ein Drei-Wochen-Tief von 51,04 Euro.
Das soll nachhaltig sein?
Jenseits aller Zahlenspiele beklagt Jürgen Pieper, dass die Ankündigungen von Daimler-Chef Källenius nicht konkret genug gewesen seien. Alles, was über Stellenstreichungen und organisatorischen Umbau hinausgehen würde, sei doch "sehr allgemein gehalten."
Besonders die Äußerungen über die Mobilität der Zukunft und die Rolle, die Daimler dabei spielen wolle, konnten nicht überzeugen. Ola Källenius sprach zwar auch über autonomes Fahren und Elektromobilität, wurde aber nicht konkret. So klang auch das Versprechen, nachhaltiger zu arbeiten, inhaltslos. Das ist auch Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler aufgefallen, der dazu als "nur ein Beispiel" aufführte: "Wenn ich Nachhaltigkeit ernst meine, kann ich keine G-Klasse mehr produzieren."