Die Bezahlkarte für Flüchtlinge geht an den Start
31. Januar 2024Dieser Beschluss zur Migrationspolitik wurde schon im Herbst gefasst. Nun haben sich fast alle Bundesländer auf ein gemeinsames Vorgehen zur Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge in Deutschland geeinigt. Das neue Zahlungsmittel soll spätestens im Sommer kommen.
Zwei Länder, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, beschreiten eigene Wege. Nach Angaben von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der derzeit Vorsitzender der Runde der deutschen Länderchefs ist, haben sich die anderen 14 Länder auf ein gemeinsames Vergabeverfahren geeinigt. Das heißt, die Länder suchen zusammen einen Dienstleister, der die technische Abwicklung übernimmt. Dazu ist eine Ausschreibung nötig, um das beste Angebot einzuholen.
Die Bezahlkarten sollen Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen. Die Bezahlkarte sei grundsätzlich in allen Branchen einsetzbar, aber nicht im Ausland, teilte Rhein weiter mit. Auch Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland seien nicht vorgesehen.
Regionale Unterschiede
"Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). "Die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereitgestellten finanziellen Mittel sollen den Lebensunterhalt in Deutschland sichern, sie dienen - bei allem Verständnis - nicht der Finanzierung der Familien im Heimatland", so Weil.
Die Länder können die Nutzung der Bezahlkarten auch regional einschränken. "Branchen können ausgeschlossen werden", erläuterte Rhein die Pläne. Als Beispiel nannte er die Glücksspielbranche.
Hessens Ministerpräsident sieht in dem Beschluss einen wichtigen Schritt, um Anreize für illegale Migration nach Deutschland zu senken: "Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität."
Trotzdem wird es einen Teil der staatlichen Unterstützung auch künftig in Form von Bargeld geben. Denn Gerichte hatten entschieden, dass ein Teil der Unterstützung als eine Art Taschengeld ausgezahlt werden muss. Dabei würde es, so Rheins Schätzung, um 100 bis 150 Euro im Monat gehen. Über die Höhe dieses Anteils entscheidet jedes Bundesland selbst.
Lob und Kritik
Auf eine Einführung von Bezahlkarten hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November verständigt. Migrationsforscher Herbert Brücker zeigt sich skeptisch, was die Wirkung der Maßnahme betrifft. Die Einführung einer Bezahlkarte werde nicht dazu führen, dass Asylantragszahlen reduziert oder Rücküberweisungen in die Herkunftsländer verhindert werden.
"Die Effekte, die man sich erhofft, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreten", sagte der Migrationsexperte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Düsseldorfer Zeitung "Rheinische Post". "Es gibt so gut wie keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass die Höhe der Leistungen für Asylbewerber die Zahl der Asylanträge beeinflusst."
Einige Kommunen testen Bezahlkarten in Modellversuchen. Für mehrere Hunderte Flüchtlinge in Thüringen ist das neue Plastikgeld bereits Alltag. Dort haben die Landkreise Greiz und Eichsfeld schon im Dezember Modellversuche gestartet, weitere Kreise wollen in den kommenden Wochen nachziehen.
Die erste Resonanz ist aus Sicht der Verantwortlichen positiv: Die Umstellung habe problemlos geklappt und werde weitgehend akzeptiert, hieß es. Beide Landkreise berichteten aber auch von Menschen, die nach Einführung der Karte ausgereist seien. "Die Bezahlkarte wird schon ein bisschen die Spreu vom Weizen trennen", sagte etwa eine Flüchtlingsberaterin in Greiz.
Deutliche Kritik an den Regelungen übte der Flüchtlingsrat in Thüringen. So könne zwar in Supermärkten bezahlt werden, beim Friseur, in kleineren Geschäften oder beim Erwerb eines Deutschlandtickets gebe es aber Probleme. Die Organisation Pro Asyl nannte die Bezahlkarte ein "Diskriminierungsinstrument". Es werde vor allem der Zweck verfolgt, den Menschen das Leben hier schwer zu machen und sie abzuschrecken.
Asylbewerber erhalten bislang gesetzlich festgelegte Regelleistungen und darüber hinaus besondere Unterstützung etwa im Fall von Krankheit oder Schwangerschaft. Ende 2022 hatten rund 482.300 Menschen nach Angaben des Statistischen Bundesamts Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen. Zahlen für 2023 liegen bisher nicht vor.
AR/gri (dpa, epd)