Die bayerischen Grünen auf Erfolgskurs
11. Oktober 2018Die Erfolgsgeschichte der Grünen in Bayern ließe sich natürlich auch über das offizielle Spitzenduo der Grünen für die Landtagswahlen am 14. Oktober in Bayern erzählen. Katharina Schulze und Ludwig Hartmann - die Fleißige und der Heimatbewahrer. Aber noch besser versteht man es am Beispiel des relativ unbekannten Udo Rumpel, warum die Grünen in Bayern so gut dastehen wie nie zuvor.
Der 53-jährige Kommunalpolitiker Rumpel steht vor seiner 1100 Quadratmeter großen Maschinenhalle auf einem Hügel südlich seines Geburtsortes Schraudenbach im Landkreis Schweinfurt im Nordwesten Bayerns. Drinnen hat er gerade den Kühlcontainer für den Apfelsaft überprüft. "Den brauche ich für die Direktvermarktung, die Apfelernte geht morgen los". Jetzt dreht er noch eine Runde ums Areal. Auf dem Boden räkelt sich eine kleine schwarze Katze, "die beste natürliche Mäusebekämpfung". Das Dach der Halle ist bepackt mit Solarzellen. Das ist bei allen Bauern so, aber er war schon früh dabei, als es um alternative Energien ging. Von der Rückseite der Halle aus sieht man die beiden Bürger-Windräder, die - daher der Name - von den Bürgern finanziert wurden und die Rumpel initiiert hat. Die ersten im Landkreis. Er lebt vor, wie man mit grünen Ideen Erfolg haben kann.
Der lange Weg in die Normalität
Rumpel hat die Landwirtschaft seiner Eltern übernommen, in einer Zeit, in der die Grünen noch ganz jung waren. Er hat sofort auf Ökolandwirtschaft umgestellt. Die anderen Bauern hielten ihn da doch für einigermaßen verrückt: Rumpel verwendete keinen Kunstdünger mehr, rupfte mit der Hand Unkräuter und schonte den Boden. "Diese umweltverträgliche Landwirtschaft ist doch heute eher etwas ganz Normales", sagt er. Jetzt kommen sie zu ihm, wenn sie Rat bei der Ökowende ihrer Betriebe suchen. Früher wurden Grüne von der Mehrheit der doch eher traditionsbewussten und religiösen Bayern schräg angesehen. Jetzt werden sie respektiert.
Das wurde möglich, weil sich auch die Partei seit ihrer Gründung Ende der 1970er Jahre stark verändert hat. "Da hat es in der Partei früher viel mehr Exoten gegeben", meint der Öko-Bauer. Er selbst wirkt auch ganz und gar nicht exotisch. Bürgerliche Mitte in Bayern: Rumpel engagiert sich gesellschaftlich, sitzt seit vier Jahren im Kreisrat. Er ist gläubiger Christ, seine Frau ist Mitglied des Pfarrgemeinderates. Das Bibelwort vom "Erhalt der Schöpfung" ist für ihn grünes Programm. Früher schien das ein Gegensatz, aber als Christ kann man heute sein Kreuz bei Rumpels Partei machen. Vielleicht sogar eher als bei der Christlich Sozialen Union (CSU) von Ministerpräsident Markus Söder: Der ist auf Kriegskurs mit den Kirchen wegen seiner unnachgiebigen Flüchtlingspolitik und dem umstrittenen Kreuzerlass, nach dem in allen Eingangsbereichen eines jeden Dienstgebäudes Kruzifixe aufgehängt werden sollen - und damit das religiöse Symbol zu einem kulturell-politischen umwidmen wollte.
Rumpel scharrt mit seinem schwarzen Arbeitsschuh im ausgetrockneten Boden des Karottenfeldes neben der Halle. "Der heiße trockene Sommer hilft uns auch, weil die Menschen deutlich sehen, dass der Klimawandel da ist, davor haben wir gewarnt", sagt er. Rumpel zieht die Schultern kurz hoch, sehr fröhlich wirkt er bei diesem Wahlargument nicht. Dann setzt er sich in seinen weißen Kleinwagen und lässt den E-Motor schnurren. Er muss wieder runter ins Dorf.
Die Grünen sind "anschlussfähig"
Udo Rumpel und seine Partei profitieren auch davon, dass sich die Immer-Regierungspartei im Freistaat von den Menschen hier entfremdet hat: Die CSU konzentriert sich darauf, sich von der rechtspopulistischen AfD abzugrenzen. Dabei versucht sie, noch unnachgiebiger und härter gegen Migranten aufzutreten. Als Koalitionspartner in der Bundesregierung geriert sich die CSU als eine Art regierungsinterne Opposition und sorgt für quälenden Dauerstreit beim Flüchtlingsthema. Das nervt so manchen.
"Die konservativen Wähler, denen das nicht gefällt, haben inzwischen mehrere Alternativen in der politischen Mitte, und die Grünen sind da anschlussfähig geworden", sagt Stefan Wurster, Professor für Policy Analysis an der Hochschule für Politik in München. Und die Wählerbasis der CSU schrumpft durch demografische Prozesse. "Die Bayern sind städtischer geworden und das ist auch ein Wählerklientel, bei dem die Grünen eher erfolgreich sind." Die alten politischen Millieus lösen sich auf, beobachtet Wurster. Das trifft die großen Parteien am stärksten.
Kein Gegenwind im Wahlkampf
Im Autoradio des Ökolandwirts läuft eine Nachrichtensendung. Der übliche Hickhack in der Bundesregierung, neue Ideen des CSU-Frontmannes Markus Söder, wie man Ausländer schneller los wird. Am Straßenrand hängt ein "Wir lieben Diesel"-Wahlplakat der AfD. "Vor der letzten Wahl haben sie sich alle über die Grünen lustig gemacht, weil sich jemand von uns einen fleischfreien Tag ausgedacht hat, den Veggie-Day", erinnert sich Udo Rumpel. Diesmal läuft alles rund für die Grünen im Wahlkampf.
Nach den letzten Umfragen dürfen sie auf etwa 17 Prozent hoffen - sie wären dann die zweitstärkste Kraft im Landtag. Vielleicht könnten sie Teil der nächsten Landesregierung werden. Rumpel stoppt den Wagen vor seinem Hof und steigt aus. Er findet es gut, wenn die Grünen mitgestalten, selbst mit der gar so anders gestrickten CSU. Es könnte sich einiges ändern in Bayern. Er klappt beim Aufzählen die Finger der rechten Hand auf. "Da könnten wir die Windenergie aus der Sackgasse holen, eine menschlichere Flüchtlingspolitik machen, Landschaftserhaltung", sagt der Grünen-Kreisrat. Rumpel ist einer, der gerne mit anpackt, das sieht man seinen kräftigen Händen an. So etwas mag man in Bayern.