Deutschlands Gasspeicher schon fast voll
14. Oktober 2022Binnen 24 Stunden stieg der Füllstand der deutschen Gasspeicher um 0,17 Punkte auf 95,14 Prozent, wie am späten Donnerstagabend aus Angaben von Europas Gasinfrastruktur-Betreibern hervorging. Eine Bundesverordnung schreibt vor, dass die Anlagen am 1. November zu mindestens 95 Prozent gefüllt sein müssen. Dieser Wert ist nun insgesamt erreicht.
Mengenmäßig reiche das eingespeicherte Gas für ungefähr zwei kalte Wintermonate, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. "Die gut gefüllten Speicher werden uns im Winter helfen." Zugleich betonte der Behördenchef, dass die Speicher längst nicht für die ganze Heizperiode ausreichten und zusätzliche Anstrengungen nötig seien. "Um eine Gasnotlage im Winter zu vermeiden, müssen zusätzlich die angestoßenen Projekte zur Erhöhung der Gasimporte realisiert werden."
Es kommt auf jeden an
Außerdem, so Klaus Müller, müsse die Gasversorgung auch in den Nachbarstaaten stabil bleiben, und der inländische Gasverbrauch müsse um mindestens 20 Prozent sinken. "Da kommt es auf jeden Einzelnen an." Mit Blick auf den in der vergangenen Woche um 29 Prozent gesunkenen Gasverbrauch bei Haushalten und kleineren Firmen fügte er hinzu, dass dies großteils am warmen Wetter gelegen habe und dass solche Einsparungen auch in einem kalten Winter erfolgen müssten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich bereits in dieser Woche zum 95-Prozent-Füllstand geäußert. Die Speicher seien mit Blick auf das ausbleibende Gas aus Russland überraschend gut gefüllt. "Das ist eine Leistung", sagte Habeck auf dem Maschinenbaugipfel. "Aber diese Leistung wurde natürlich teuer erkauft, weil die Bedingung dafür auch war, dass die Industrie ihre Produktion nicht nur gedrosselt hat, sondern teilweise eingestellt hat." So sollte es nicht sein.
"Grund zur Entwarnung besteht nicht"
Auch Sebastian Bleschke vom Gasspeicher-Verband Ines äußerte sich nur verhalten optimistisch. "Trotz gut gefüllter Gasspeicher wird der Winter nach wie vor eine große Herausforderung sein." Importe über die neuen Flüssiggas-Terminals und Einfuhren über bestehende Terminals in anderen EU-Staaten seien immens wichtig, sagte der Geschäftsführer des Verbandes.
"Grund zur Entwarnung für den kommenden Winter besteht nicht, denn die Speicher alleine reichen nur für etwa zwei Wintermonate", sagte Malte Küper vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). "Insbesondere in der Heizperiode kommt es daher auf die Einsparerfolge aller Gasverbraucher an."
Die Industrie habe auf die hohen Preise schon reagiert und ihren Verbrauch in den vergangenen Monaten deutlich reduziert. Auch die Haushalts- und Gewerbekunden heizten bereits weniger, wobei der verhältnismäßig kalte September die Einsparerfolge etwas verringert hätten. "Bei aller Euphorie über die Speicherstände bleibt Sparen weiterhin das Gebot der Stunde", sagte Küper.
Warten auf Flüssiggasterminals
Volle Gasspeicher sind nur ein Element, damit Deutschland ohne Versorgungsengpässe über den Winter kommt. So bemühen sich die Gasversorger, neue Lieferverträge etwa für Flüssigerdgas (LNG) zu organisieren, um auch in den kommenden Monaten und Jahren Ersatz für russische Lieferungen zu erhalten. Ab der Jahreswende sollen auch an der deutschen Nordseeküste erste LNG-Terminals für die Anlandung zur Verfügung stehen.
Wie geht es weiter?
In der Heizperiode werde der Speicherstand wohl trotz aller Anstrengungen stark sinken. Auf die Frage, wie lange das eingespeicherte Gas in diesem Winter vermutlich reichen werde, sagte Sebastian Bleschke vom Gasspeicherverband: "Aufgrund des Wegfalls russischer Gasimporte ist es denkbar, dass die Speicher schon Ende Februar oder Anfang März sehr stark entleert sein werden."
Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden einen Puffer für den Gasmarkt. In den vergangenen Jahren wurden an kalten Wintertagen bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus inländischen Speichern abgedeckt.
In den Monaten nach dem Beginn des Ukraine-Krieges fuhr Russland seine Lieferungen an Deutschland schrittweise herunter. In der deutschen Politik war von einem "Energiekrieg" die Rede. Derzeit bezieht die Bundesrepublik Gas aus Norwegen, Belgien, Frankreich, den Niederlanden sowie im kleinen Rahmen aus der Schweiz, die den Brennstoff aus Italien weiterschickt. Gefördert wird das Gas, das in Deutschland genutzt wird, unter anderem in den Niederlanden, Norwegen, den USA und im arabischen Raum.
dk/hb (dpa, afp, rtr)