Deutschland und Polen: Trotz Streit im Gespräch bleiben
17. Januar 2018Machen die beiden Männer im Pressesaal des Auswärtigen Amt nun gute Miene zum bösen Spiel, oder ist das deutsch-polnische Verhältnis doch gar nicht so schlecht, wie viele meinen? Zuletzt hatte es ja zwischen Berlin und Warschau nur Baustellen gegeben: Streit um die umstrittene Justizreform in Polen, die die EU auf den Plan gerufen hat, heftige Debatten in Polen um deutsche Reparationszahlungen für die Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg, heftige antideutsche Stimmungen in der polnischen Öffentlichkeit. Und mitten drin absolviert Jacek Czaputowicz, neuer Außenminister Polens, seinen Antrittsbesuch in Berlin, beim geschäftsführenden Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).
"Für Deutschland ist das völkerrechtlich geklärt!"
Das Gespräch dauert eine halbe Stunde länger als geplant, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Und tatsächlich: "Dass mein polnischer Kollege nach seinem Besuch in Brüssel gleich zu uns nach Berlin kommt, hat uns sehr gefreut", meint Sigmar Gabriel. Die Stimmung zwischen den beiden Politikern scheint gut zu sein, trotz aller Probleme. Dazu mag beigetragen haben, dass Czaputowicz schon zuvor in Zeitungsinterviews klar gemacht hatte, dass die Frage der Kriegsreparationen sowieso nicht aktuell ansteht. Und auf keinen Fall ein Hindernis in den deutsch-polnischen Beziehungen darstellen sollte. Das sieht auch Gabriel so, der klipp und klar sagt: "Für die Bundesregierung ist das juristisch und völkerrechtlich geklärt, es gibt keinen Anspruch auf weitere Zahlungen. Aber wir verstehen, dass es in Polen darum heftige Debatten gibt."
Expertengremium soll schlichten
Die hatte vor gut einem halben Jahr Polens starker Mann, der Vorsitzende der rechtsnationalen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, losgetreten, als er Deutschland vorwarf, sich seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg zu entziehen. Seitdem wird das Thema immer wieder hitzig debattiert, die Außenminister wollen jetzt schlichten. Experten aus der Wissenschaft beider Länder, so der gemeinsame Vorschlag, könnten sich zusammensetzen und nach einer Lösung suchen, Zeitpunkt noch offen.
Justizreform bleibt ein Streitthema
Und geschickt umschiffen beide Außenminister dann das derzeit heikelste Streitthema: Wegen der umstrittenen Justizreform hatte die EU-Kommission im Dezember ein Strafverfahren gegen Polen beantragt, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. Die Reform erlaubt dem Parlament, Mitglieder des Justizrats auszuwählen. Andere Veränderungen stärken die politische Kontrolle über das Oberste Gericht sowie den Verfassungsgerichtshof. Ein klarer Bruch der in westlichen Demokratien eigentlich üblichen Gewaltenteilung. Die Regierungsumbildung in Polen, mit der unter anderem Czaputowicz zum Außenminister ernannt wurde, wurde als Signal gewertet, dass Polen die Beziehungen zur EU trotz dieses Streits wieder verbessern will.
Atmosphärischer Fortschritt
Zumindest atmosphärisch scheint das gelungen. Geschickt lobt Gabriel die Rolle Polens als erstem Land im Ostblock, in dem offen zum Widerstand gegen den Kommunismus aufgerufen worden sei. "Und später hat dann der Beitritt Ihres Landes zur EU Europa um ein Vielfaches stärker gemacht". Klingt wie aus einer anderen Zeit. Etwas zurückhaltender antwortet der neue polnische Minister. Wichtig sei, dass die EU in Zukunft vor allem geschlossen nach außen wirke, über die europäischen Grenzen hinaus. Sprich: Bei der Terrorbekämpfung, in Sicherheitsfragen. Aber weniger streiten solle die EU, meint das wohl, um die Frage, welche Politik die einzelnen Länder im Inneren betreiben. Redet uns hier nicht rein, kann das also heißen. Die Konflikte bleiben also. Aber immerhin: Polen will Deutschland noch im Februar quasi exklusiv seine Argumente für die umstrittene Neuordnung der Justiz vorlegen. "Und das werden wir uns natürlich anhören", so Gabriel.
"Klappt das mit Jamaika?"
Die polnischen Journalisten, die den neuen Minister nach Berlin begleiteten, wunderten sich dann noch, wie viele Kollegen aus Deutschland Interesse am Antrittsbesuch hatten. Und zumindest einer von ihnen schien von den aufwühlenden Ereignissen daheim in Warschau so eingenommen, dass sein Blick nach Deutschland nicht mehr ganz aktuell geriet: "Wird es denn jetzt bei euch etwas mit dieser Jamaika-Koalition?" So lautete seine Frage an die Berliner Pressevertreter. Die Gespräche über ein solches Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen in Deutschland darüber waren schon weit vor Weihnachten gescheitert. Manchmal sind Warschau und Berlin denn doch viel weiter auseinander, als man meinen sollte. Was daran jedoch stimmt: Eine neue Regierung hat Deutschland immer noch nicht.