Polens Chefdiplomat auf Berlin-Mission
16. Januar 2018Von der deutsch-polnischen Interessengemeinschaft, die nach der demokratischen Wende von 1989 über Jahre das Verhältnis definierte, gibt es heute keine Spur mehr. Verflogen ist auch die pragmatische Zusammenarbeit, die vor 2015 oft dabei half, Probleme zu lösen - so etwa stimmten beide Länder über mehrere Jahre die Politik gegenüber der Ukraine miteinander ab.
"Gemessen an früheren Erwartungen sind die Beziehungen sehr schlecht", sagt Piotr Buras, Chef der Warschauer Vertretung des European Council of Foreign Relations (ECFR). Zwischen Berlin und Warschau passiere kaum etwas und es fehle sowohl an gemeinsamen politischen Projekten als auch an einem ernsthaften Dialog über wichtige Themen. Durch die aktuellen Forderungen Warschaus an Deutschland nach Kriegsreparationen, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, habe die polnische Regierung zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, sagt Buras.
Schwierige Mission
Welche Akzente der neue Außenminister Jacek Czaputowicz setzen will, ist noch unklar. Für seinen Vorgänger Witold Waszczykowski war Deutschland vor allem ein begehrter Wirtschaftspartner. Die politischen Verbündeten suchte er aber anderswo - vor allem in Budapest und London.
Deshalb weckte zumindest die erste Botschaft aus Warschau etwas Hoffnung. Bei seinem Amtsantritt erklärte Czaputowicz: "Deutschland ist für uns der wichtigste wirtschaftliche und politische Partner. Wir wollen sehr gute Beziehungen aufrechterhalten." Zwei Sätze, die vor 2015 wie eine Binsenweisheit gewirkt hätten, bekommen jetzt eine symbolische Kraft.
In die deutsche Hauptstadt kommt Czaputowicz gleich nach einem Pflichtbesuch in Bulgarien, das gerade den EU-Vorsitz übernommen hat. Das ist ungewöhnlich, denn sein Vorgänger und andere führende polnische Politiker haben in den letzten zwei Jahren konsequent Berlin gemieden, wenn es um ihre ersten Reisen ging.
Rauer Ton zwischen Warschau und Berlin
An Gesprächsstoff wird es Czaputowicz in Berlin nicht fehlen. Seit die national-konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) in Warschau regiert, betreibt Berlin eine sehr vorsichtige Politik gegenüber dem Nachbarn. Bei allen kontroversen Fragen - ob es um die Reformen des Verfassungstribunals, der polnischen Justiz oder um die Verteilung der Flüchtlinge ging - verwies die deutsche Regierung auf die Europäische Kommission als zuständiges Gremium.
Bei kritischen Bewertungen oder eventuellen Interventionen hält sich Berlin gezielt heraus - wohl wissend, dass jede Kritik aus dieser Richtung die Situation nur noch verschärfen könnte, heißt es inoffiziell in Berlin.
Näher kommt man sich derzeit nicht mehr, wie mehrere Besuche zeigten. Die Atmosphäre ist kühl geblieben, obwohl sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die ehemalige polnische Regierungschefin Beata Szydło mehrfach trafen.
Reparationsforderungen schaden den Beziehungen
Im Sommer 2017 wurde die Atmosphäre noch kühler, als der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński in der deutschen Presse von Reparationsforderungen gegenüber Deutschland sprach. Kurz darauf verschärfte auch die Kanzlerin mitten im Wahlkampf den Ton. So sehr sich Deutschland gute Beziehungen zu Polen wünsche, "wir können da nicht einfach den Mund halten", sagte sie vor der Presse. Sie bezog sich zwar auf die umstrittene Justizreform in Polen, doch der Satz hatte auch einen grundsätzlichen Nachhall.
Seither sprechen polnische Politiker immer öfter von einer "ungelösten" Entschädigungsfrage, während die Bundesregierung die Reparationsfrage als rechtlich und politisch endgültig gelöst betrachtet.
Die polnische Regierung hat bisher zwar keinen offiziellen Antrag gestellt, doch es wird weiter überlegt. Die Mehrheit der Polen befürwortet es, wenn ihre Regierung in dieser Frage handeln würde. "Wenn dieses Thema nicht von der politischen Agenda verschwindet, wird er für lange Zeit die Beziehungen vergiften", gibt der polnische Politologe Piotr Buras zu bedenken.
Anti-deutsche Rhetorik
Lange haben die Staatspräsidenten beider Länder eine stabilisierende Rolle gespielt. Andrzej Duda besuchte Berlin im Sommer 2015, kurz nach seinem Amtsantritt. Die Präsidenten Duda und Joachim Gauck trafen sich mehrfach und auch Frank-Walter Steinmeier reiste im Mai 2017, kurz nach seiner Wahl, nach Warschau.
Mittlerweile scheinen die bilateralen Beziehungen auch auf dieser Ebene nicht ganz so gut zu funktionieren. Das liegt womöglich auch am fehlenden Vertrauen. "Strittige deutsche und europäische Themen werden von der polnischen Regierung rücksichtslos für innenpolitische Ziele missbraucht", erklärt Buras. "Wenn es sich aus innenpolitischen Gründen lohnt, spielen PiS-Politiker die anti-deutsche oder anti-europäische Karte", meint der Politologe: Die polnische Außenpolitik sei längst zur "Geisel der Innenpolitik" geworden.
Berlin vor einem Dilemma
Dennoch erwarten Experten, dass Polens Regierung bald versuchen wird, im Ausland ein "freundlicheres Gesicht" zu zeigen. In Warschau denke man schon jetzt an die Parlamentswahlen 2019, wo sich die PiS zunehmend um die politische Mitte bemühen möchte. "Mit anti-europäischen Parolen kommt man da nicht weiter", glaubt Piotr Buras vom ECFR in Warschau.
Das stellt Berlin vor ein Dilemma. "Warschau wird sich in vielen Bereichen kompromissbereiter als bisher zeigen, ohne beim Kernpunkt, wie der Justizreform, Abstriche zu machen", so Buras. Berlin werde sich entscheiden müssen, ob es auf diese Angebote eingeht, oder hart bleibt, bis die Frage der Rechtsstaatlichkeit gelöst ist.
Die schwierige Regierungsbildung in Deutschland wird in Warschau sehr aufmerksam verfolgt. Die polnischen Nationalkonservativen würden lieber die FDP und die Grünen in der Bundesregierung sehen - vor allem wegen der kritischen Haltung dieser Parteien gegenüber der Pipeline Nord Stream 2. Polen betrachtet dieses Pipeline-Projekt als Bedrohung seiner Sicherheit.
In Warschau sieht man Angela Merkel aber immer noch als beste Lösung für das Kanzleramt - obwohl sie im Nachbarland viel Sympathie verloren hat wegen ihrer Migrationspolitik.