Deutschland ist noch konkurrenzfähiger
30. September 2015Die deutsche Volkswirtschaft hat ihre Position im internationalen Wettbewerb weiter gestärkt - allerdings vor Bekanntwerden des VW-Skandals. Im "Globalen Wettbewerbsindex 2015" des Weltwirtschaftsforums (WEF) erreichte die Bundesrepublik nach der Schweiz, Singapur und den USA den vierten Platz. Damit verbesserte sich Deutschland gegenüber 2014 um einen Rang, wie aus dem in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten WEF-Bericht hervorgeht.
Allerdings war die Datenanalyse für den renommierten Index schon abgeschlossen, als die Abgas-Betrügereien beim weltgrößten Autohersteller VW ruchbar wurden. Wichtig sei nun, inwieweit die Folgen des Ansehensverlustes für "Made in Germany" mittel-und langfristig wettgemacht werden könnten, sagte die leitende WEF-Ökonomin Margareta Drzeniek: "Deutschland profitiert von hoher Innovationskraft und einem hohen Entwicklungsgrad der Unternehmen. Es besitzt also die Grundlagen, wettbewerbsfähig zu bleiben."
"Flüchtlinge könnten helfen"
Zu den industriellen Faktoren, die Deutschland auf Platz 4 des Konkurrenz-Index brachten, gehörten hohe Qualitätsstandards, hoch entwickelte Produktionsprozesse sowie eine hohe Dominanz auf den Märkten. Hingegen hat die Einführung des Mindestlohns - anders als von einigen Ökonomen befürchtet – "nach unseren Daten keine Konsequenzen für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit", sagte Drzeniek.
Den Zustrom von Flüchtlingen mit allen Folgen für die Sozialkassen sieht die Expertin nicht als Nachteil, sondern als Chance. Es bestehe ein "enger Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft und ihrer Fähigkeit, Talente zu fördern und für sich einzusetzen". Flüchtlinge könnten helfen, demografische Probleme Deutschlands zu lösen. "Ob und wie dies gelingen wird, hängt jedoch davon ab, inwiefern es gelingt, Flüchtlinge vollständig in die Gesellschaft zu integrieren."
Griechenland liegt ganz weit hinten
Die Schweiz steht zum siebten Mal in Folge an der Spitze. Die Eidgenossenschaft sei weiter Weltspitze bei der Innovation von Produkten und Produktionsabläufen. Zudem kämen ihr hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie ein enges Zusammenwirken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zugute. Hohe Werte bei diesen Faktoren zeichnen auch Singapur und die USA aus.
Die Niederlande konnten sich vom 8. auf den 5. Rang vorarbeiten. Japan hielt sich auf Platz 6, Hongkong auf Rang 7. In die Top Ten schafften es auch wieder Finnland (8. Rang) sowie Schweden auf Platz 9 (vorher 10) und Großbritannien, das vom 9. auf den 10. Platz fiel.
Erneut gibt es enorme Unterschiede zwischen Ländern der Eurozone: Frankreich, Österreich und Irland stehen auf den Plätzen 22, 23 und 24. Spanien folgt auf Rang 33 und liegt damit hinter Thailand. Italien schafft nur Platz 43, nach Kasachstan. Griechenland findet sich wie schon 2014 auf Platz 81 und damit weit hinter Ländern wie Vietnam (56) oder Kolumbien (61).
Warnungen für Peking und für Moskau
China hielt sich trotz seines abnehmenden Wachstums auf Platz 28. Allerdings sehen die WEF-Experten Warnsignale. China müsse "ein Modell entwickeln, mit dem sich Produktivität durch Innovation sowie die Nachfrage durch den einheimischen Konsum steigern lassen".
Russland stieg im WEF-Ranking um acht Stufen auf Platz 45. Die Regierung in Moskau habe bürokratische Hürden reduziert, um die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern und den Binnenmarkt zu stärken. Der Ausblick sei aber - auch infolge der Sanktionen des Westens - pessimistisch. Das WEF verweist auf eine steigende Inflation, unsichere Staatsfinanzen, sinkende inländische Kaufkraft sowie fragile Rohstoffpreise.
Das WEF empfiehlt gründliche Strukturreformen zur Steigerung der Produktivität. Vielen Ländern gelinge das nur unzureichend. Das jährliche Ranking erfolgt nach zwölf einheitlichen Kriterien für Wettbewerbsfähigkeit, die 2004 vom WEF aufgestellt wurden – darunter die Innovationsfähigkeit der Unternehmen, staatliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sowie der Zustand der Finanzmärkte, der Infrastruktur und des Bildungswesens. Die erforderlichen Daten werden von mehr als 100 wirtschaftswissenschaftlichen Instituten sowie von Statistikbehörden der insgesamt 140 berücksichtigten Länder zusammengetragen.
dk/wen (dpa)