Cameron bei Merkel
29. Mai 2015Der britische Premierminister David Cameron hat klare Worte gefunden: "Sepp Blatter sollte gehen. Man kann nicht sagen, dass er der richtige Spitzenmann für die FIFA ist", sagte er nach seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. "Was wir derzeit sehen, ist die hässliche Seite eines wunderschönen Spiels. Er sollte gehen, je eher desto besser." Seine Gastgeberin drückte sich etwas zurückhaltender aus. Auch Merkel forderte aber, mit der schmutzigen Seite des Sports müsse aufgeräumt werden, Korruption und fehlende Transparenz müssten beseitigt werden. Doch der Korruptionsskandal um den Weltfußballverband war nur ein Randthema auf der Tagesordnung der beiden Regierungschefs. Im Mittelpunkt ihrer Unterredung standen die von Großbritannien angestrebten Reformen in der EU. "Wir wollen die Stellung Großbritanniens in der Europäischen Union neu aushandeln", sagte Cameron in Berlin. Die EU sei flexibel genug, um darauf einzugehen.
"Änderungen der europäischen Verträge sind nicht unmöglich"
Der britische Regierungschef, dessen konservative Partei die Unterhauswahlen vor drei Wochen mit absoluter Mehrheit gewonnen hat, fordert Änderungen der europäischen Verträge. Er will den Nationalstaaten wieder mehr Entscheidungskompetenz einräumen und die EU auf ihren ursprünglichen Kern, den Handel und die Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik, zurückdrängen. Reformen verlangt er vor allem in der Frage der Sozialpolitik. Zuwanderer aus der EU nach Großbritannien sollten auf der Insel nicht automatisch Sozialleistungen beziehen dürfen, schrieb Cameron am letzten Mittwoch in einem Beitrag für die "Financial Times". In den ersten drei Monaten sollten sie keinen Anspruch auf Unterstützung haben und auch nur maximal sechs Monate lang Arbeitslosengeld beziehen. "Wir müssen dafür sorgen, dass unser Sozialsystem nicht übermäßig ausgenutzt und missbraucht wird", bekräftigte der britische Premierminister in Berlin. Er fühle sich von Merkels Haltung ermutigt, die Vertragsveränderungen nicht von vornherein ausschließe.
Deutschland will Großbritannien in der EU halten
Bundeskanzlerin Merkel sagte, sie wolle inhaltlich und sachlich an die Probleme herangehen. Vertragsänderungen seien nicht einfach, wenn sie aber inhaltlich geboten seien, lasse sich auch ein Weg finden. "Wir können nicht sagen, Vertragsänderungen sind eine Unmöglichkeit", so Merkel. Sie habe sich auch im Zusammenhang mit der Eurozone immer dafür ausgesprochen, inhaltlich zu entscheiden und die Formfragen nicht an den Begin der Diskussion zu stellen. Die von Großbritannien geforderten Reformen seien gegebenenfalls auch im deutschen Interesse. In jedem Fall werde die Bundesregierung eng mit London zusammenarbeiten. "Es gibt in Deutschland die klare Hoffnung, dass Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleibt", unterstrich die Kanzlerin. Entscheiden müsse dies natürlich die britische Bevölkerung.
Referendum in Großbritannien
Die Briten sollen bis zum Jahr 2017 in einem Referendum über den Verbleib in der EU abstimmen. Um ihre Zustimmung zu erhalten, strebt Cameron weitreichende Reformen an. Bei seinen Antrittsbesuchen in mehreren europäischen Hauptstädten warb er um Unterstützung für diese Politik. Zuletzt war er in Warschau mit der polnischen Ministerpräsdientin Ewa Kopacz zusammengekommen. Knapp eine Million Polen arbeiten in Großbritannien. In Berlin zeigte sich Cameron zufrieden mit seinen bisherigen Gesprächen. "Wir brauchen Veränderungen, die Antworten auf die Sorgen der Menschen geben", sagte er. Wenn es diese Veränderungen gebe, würden die Menschen erkennen, dass Großbritannien in einer reformierten EU bleiben sollte.
Kritiker werfen dem britischen Regierungschef vor, er erpresse die anderen Mitgliedsstaaten mit Verweis auf das Referendum in seinem Land.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte unterdessen, dass ein Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union für die deutsche Wirtschaft schädlich sei. BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber sagte: "Ein Brexit führt uns alle in die Sackgasse", sagte er. Die Briten seien entscheidend, wenn es darum geht, den europäischen Binnenmarkt zu vertiefen, den Zugang zu neuen Märkten zu erschließen und für strukturelle Reformen zugunsten der europäischen Wettbewerbsfähigkeit einzustehen.