Deutschland hält an Völkermord-Abkommen mit Namibia fest
21. März 2023Seit Ende Januar liegt eine brisante Klage vor Namibias oberstem Gerichtshof: Die Richter sollen das geplante Versöhnungsabkommen mit Deutschland stoppen. Das fordern Oppositionsführer Bernadus Swartbooi und prominente Vertreter der Herero und Nama.
Eine Entscheidung steht noch aus. Doch wenn die Kläger gehofft haben, schon mit der Klage Druck auf die Bundesregierung auszuüben, ist ihr Plan nicht aufgegangen. "Die Bundesregierung und die namibische Regierung halten an der gemeinsamen Erklärung fest und sind der Auffassung, dass noch offene Fragen im Wege von Nachverhandlungen zu klären sind", heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der linken Bundestagesabgeordneten Sevim Dagdelen, die der DW exklusiv vorliegt.
Regierungsvertreter sprechen weiter
Zur Klage selbst schreibt das Auswärtige Amt in seiner Antwort nichts. Begründung: Man äußere sich nicht zu innerstaatlichen Gerichtsverfahren. Dafür lässt die Bundesregierung aber Taten sprechen. Laut ihrer Antwort haben sich Vertreter beider Regierungen letzten November und Dezember vier Mal getroffen, um offene Fragen zu diskutieren – unter anderem im Berliner Humboldt-Forum und im Büro der stellvertretenden Außenministerin Namibias.
"Die Bundesregierung stiehlt sich mit dem Verweis auf die beklagte namibische Regierung feige aus der Verantwortung, statt aus Respekt vor der Justiz wenigstens klarzustellen, von einer Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung bis zur Entscheidung des Gerichts Abstand zu nehmen", kritisiert Dagdelen gegenüber der DW.
In anderen Streitfragen setzt die Bundesregierung Stoppschilder, die weder Dagdelen noch vielen Herero und Nama gefallen dürften. Die Nachverhandlungen sollen weiter nur auf Regierungsebene stattfinden. Direkte Gespräche mit den Herero und Nama, wie es Vertreter beider Volksgruppen fordern und mit der Klage wohl auch erzwingen wollen, soll es weiter nicht geben.
Keine "Abmachungen" mit Herero und Nama
Seit der Unabhängigkeit 1990 habe Namibia eine demokratische Regierung, die das gesamte Volk repräsentiere, heißt es im Schreiben an Dagdelen. "Insofern verbieten sich zwischenstaatliche Abmachungen mit Einzelpersonen oder mit einzelnen Gruppen innerhalb Namibias."
Namibias Opposition und viele Vertreter der Herero und Nama bringt das in Rage. "Relevante Stakeholder wurden nicht konsultiert", sagt Lifalaza Simataa von der Oppositionspartei LPM, die zu den Klägern gehört. "Keine gewählten Vertreter des namibischen Volkes haben an der Erarbeitung der Gemeinsamen Erklärung teilgenommen und wichtige Repräsentanten der Herero und Nama wurden vom Abschluss der Erklärung ausgeschlossen", so Simataa im DW-Gespräch.
Die Bundesregierung und Namibias Regierung weisen regelmäßig darauf hin, dass andere Vertreter beider Volksgruppen an den Verhandlungen teilgenommen haben. Unklar aber ist, wie viele Herero und Nama sie repräsentieren.
Harte Haltung bei Entschädigungen
Auch beim Streitthema Entschädigungen bleibt die Bundesregierung hart. Deutschland bietet 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre. Das Geld soll in Entwicklungsprojekte in den Gebieten der Herero und Nama fließen. Teile der Herero und Nama fordern dagegen offizielle Entschädigungen.
"Mangels rechtlicher Grundlage bestehen weder individuelle noch kollektive Entschädigungsansprüche einzelner Nachfahren von Opfern oder ihrer Verbände gegenüber der Bundesregierung", schreibt das Auswärtige Amt an Dagdelen. Lediglich eine Mitsprache der heute lebenden Herero und Nama bei der Vergabe der zugesagten Gelder sei denkbar.
Der Bundesregierung "geht es nur darum, sich bei der namibischen Regierung für einen Schlussstrich aus der Geschichte freizukaufen", wettert die linke Abgeordnete Dagdelen. Herero, Nama und ihre Verbündeten sehen das ähnlich. "Wir reden hier von einem Verbrechen. Und wer ein Verbrechen begeht, muss eine Strafe bezahlen. Hier geht es um ein Abkommen über bilaterale Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe, wie sie Deutschland an viele Länder bezahlt. Das ist etwas anderes als Reparationen", sagt Nandiuasora Mazeingo, Vorsitzender der Ovaherero Genocide Foundation (OGF), zur DW.
Die Gegner des sogenannten "Versöhnungsabkommens" müssen nun auf den Spruch des Gerichts in Namibia hoffen. Doch selbst wenn dieses das Abkommen kippt - dass Deutschland ihren Forderungen nachgibt, wirkt nach diesen Erklärungen unwahrscheinlich.
Mitarbeit: Jasko Rust (Windhuk)