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Politik

Deutschland 2070? Ein Blick in die Zukunft

2. Dezember 2022

Wie sich Bevölkerung entwickelt, ist mittels Geburten und Lebenserwartung gut zu prognostizieren. Flucht und Pandemien ändern das Bild - auch in Deutschland.

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Symbolbild zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland: In einer Fußgängerzone in Dortmund laufen Menschen dicht gedrängt in beide Richtungen. Das Foto wurde im Sommer aufgenommen, viele Menschen tragen leichte Kleidung.
Noch wird das Straßenbild nicht von alten Menschen dominiertBild: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

Wer wissen will, wie Deutschland in Zahlen und Daten aussieht, der bemüht das Statistische Bundesamt. Ob Wirtschaftsleistung, Verkehr, Energie oder Bildung, die Behörde hält für fast alle Lebensbereiche Erhebungen und Berechnungen parat, die regelmäßig aktualisiert werden.

Wenig Überraschendes bot über viele Jahre der Bereich Bevölkerungsentwicklung. Die Geburtenrate in Deutschland war niedrig, die Lebenserwartung stieg. Kein Wunder also, dass die Bevölkerung immer älter wurde und wird. Das Durchschnittsalter lag 2021 mit knapp 45 Jahren um gut fünf Jahre höher als im Jahr der Deutschen Vereinigung, also 1990.

Zuwanderung wird entscheidend

An der Alterung wird sich in den nächsten Jahren wenig ändern. Doch entgegen früheren Annahmen, nach denen die Bevölkerung in Deutschland schon jetzt schrumpfen würde, blieb die Einwohnerzahl bislang stabil und wuchs sogar. 2021 waren es gut 83 Millionen Menschen, aktuell sind es etwas mehr als 84 Millionen.

Das liegt an der Zuwanderung in den letzten Jahren - insbesondere 2015/2016 - und dem russischen Überfall auf die Ukraine. "Ohne diese Wanderungsgewinne wäre eine Schrumpfung der Bevölkerungszahl unvermeidlich gewesen, da mehr Menschen gestorben sind, als geboren wurden", erklärt Karsten Lummer, Leiter der Abteilung "Bevölkerung" beim Statistischen Bundesamt.

Corona und Ukraine-Krieg

Die Behörde hat jetzt ihre aktuellen Vorausberechnungen zur Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren vorgestellt. Eine Statistik, die von so viel Unsicherheit geprägt ist, wie nie zuvor. Die Corona-Pandemie hat viele Opfer gefordert, die Übersterblichkeit war deutlich höher als in den Jahren zuvor. Der Krieg in der Ukraine lässt viele Menschen nach Deutschland fliehen und hat die Bevölkerungszahl in diesem Jahr sogar steigen lassen.

Doch wie viele Kriegsflüchtlinge werden bleiben und wie viele zurück in ihre Heimat gehen? Wie hoch wird die Zuwanderung aus anderen Ländern in den nächsten Jahren ausfallen? Das Statistische Bundesamt hat mehrere Szenarien errechnet, die alle von einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung ausgehen. Beeinflusst werden sie von der Zahl der Zuwanderer.

Deutschland braucht viel Einwanderung

Würden durchschnittlich 290.000 Menschen pro Jahr einwandern, würde die Bevölkerung bis 2031 auf 85 Millionen Menschen anwachsen und dann bis 2070 auf 83 Millionen zurückgehen. Bei einer Zuwanderung von 180.000 Personen pro Jahr würde die Bevölkerungszahl auf 75 Millionen Menschen im Jahr 2070 sinken. Bei einer dauerhaft hohen Zuwanderung von durchschnittlich 400.000 würde die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2070 auf 90 Millionen Menschen anwachsen.

Was auch bei hoher Zuwanderung bleibt, ist die absehbare Zunahme von alten Menschen. Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass die Zahl der Rentner, also der Menschen über 67 Jahre, bis Mitte der 2030er Jahre um etwa vier Millionen auf mindestens 20 Millionen steigen wird. Diese Zunahme entspricht etwas mehr als der aktuellen Bevölkerung Berlins.

Jeder fünfte Bürger: ein Senior 

Besonders anschaulich zeigen sich die Veränderungen anhand der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1970, die zur sogenannten Babyboom-Generation gehören. Diese nach wie vor größte Altersgruppe wird in den nächsten Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden und diese Entwicklung wird sich bis Ende der 2030er Jahre fortsetzen.

Jeder fünfte Bürger in Deutschland wird dann ein Senior sein. Die Zahl der ab 80-Jährigen wird noch bis Mitte der 2030er Jahre relativ stabil bleiben und zwischen 5,8 und 6,7 Millionen betragen. Danach wird die Zahl der Hochaltrigen und damit voraussichtlich auch der Pflegebedarf in Deutschland massiv zunehmen. "In den 2050er und 2060er Jahren werden zwischen sieben und zehn Millionen hochaltrige Menschen in Deutschland leben", rechnet Karsten Lummer vor. "Wir müssen mit diesem Alterungsprozess und den damit verbundenen Herausforderungen für die Gesellschaft umgehen."

Im Osten leben schon viele Alte

Das Statistische Bundesamt hat sich außerdem damit beschäftigt, wie sich die Bevölkerungszahl in den unterschiedlichen Regionen in Deutschland entwickeln wird. Zusammenfassend kann man sagen, dass sie in den westlichen Flächenländern voraussichtlich stagnieren wird, in den ostdeutschen Flächenländern weiter zurückgehen und in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen wachsen wird.

Ungleich verteilt ist die Alterung. So wird die Zahl der 67-Jährigen und Älteren in den westdeutschen Flächenländern bis zum Jahr 2040 besonders stark um voraussichtlich 28 bis 35 Prozent steigen und sich anschließend stabilisieren. Die ostdeutschen Flächenländer haben bereits heute eine deutlich ältere Bevölkerung. Hier wird die Zahl der 67-Jährigen und Älteren bis Ende der 2030er Jahre nur noch um zehn bis 17 Prozent steigen und anschließend wieder auf das Niveau des Jahres 2021 sinken.

Auf dem Foto sind der untere Teil des Kopfes aus der Seitenperspektive und der Handrücken mit den Fingern einer alten Frau zu sehen. Die Haut ist faltig, die Haare grau.
Altenpflege wird ein noch größeres Thema in Deutschland werdenBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Immer weniger werden arbeiten

In Berlin, Hamburg und Bremen wird die Zahl der Seniorinnen und Senioren dagegen bis zum Jahr 2070 fast kontinuierlich steigen. 2070 wird sie dort voraussichtlich um 57 bis 65 Prozent höher sein als im Jahr 2021. Während die größte Herausforderung für die westdeutschen Flächenländer und die Stadtstaaten der Anstieg der Senioren sein wird, ist es in den ostdeutschen Flächenländern das schrumpfende Erwerbspersonenpotenzial sein.

Grundsätzlich ist für ganz Deutschland bereits absehbar, dass die Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren in den kommenden Jahren abnehmen wird. Aktuell gehören hierzulande 51,4 Millionen Menschen dieser Altersgruppe an. Selbst bei hoher Zuwanderung würde es laut dem Statistischen Bundesamt bis Mitte der 2030er Jahre zu einer leichten Abnahme um 1,6 Millionen Personen kommen. Bei niedriger Zuwanderung könnte die Zahl sogar um 4,8 Millionen Personen sinken.