Deutsches Kriegsschiff durchquert Taiwanstraße
14. September 2024Die Rechtslage ist klar: Die Taiwan-Straße darf von Schiffen aus aller Welt befahren werden. Sie genießen das Recht der friedlichen Durchfahrt in internationalen Gewässern und im Küstenmeer, also im küstennahen Bereich. Dies gilt auch für die deutsche Fregatte "Baden-Württemberg", die gemeinsam mit ihrem Begleitschiff am Freitag (13.9.2024) in die Meerenge eingefahren ist.
Auch China hat die entsprechende UN-Konvention unterzeichnet. Dennoch betrachtet Peking die Durchfahrt fremder Marineschiffe durch die Taiwan-Straße als Provokation. Von "Drohungen gegen die Souveränität und Sicherheit Chinas unter dem Deckmantel der Schifffahrtsfreiheit" sprach Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking bereits vor Durchfahrt der deutschen Schiffe. China will die unabhängig regierte Insel Taiwan mit seinem Festland vereinen. Die Meerenge dazwischen gilt deshalb als besonders sensible Zone.
"Peking versucht, sich das eigene Recht zusammenzuzimmern und die Stärke der eigenen Macht vor die Stärke des Rechts zu stellen", sagt Thorsten Benner, Direktor der Berliner Denkfabrik Global Public Policy Institute. Benner begrüßt deshalb, dass die Deutsche Marine sich für die Freiheit der Seewege einsetze. "Durch diesen symbolischen Akt der Durchfahrt signalisieren wir, dass wir das ernst meinen", sagt er der DW. Zum ersten Mal seit 2002 wählten deutsche Marineschiffe diese Route. Die Bundesregierung hatte die Route erst spät bestätigt. Verteidigungsminister Boris Pistorius wies am Freitag auf das Recht hin, internationale Gewässer ungehindert zu nutzen. "Es ist der kürzeste Weg. Es ist angesichts der Wetterlage der sicherste Weg, und es sind internationale Gewässer, also fahren wir durch."
Die Fregatte "Baden-Württemberg" und das Versorgungsschiff "Frankfurt am Main" waren Anfang Mai in Richtung Indo-Pazifik aufgebrochen. Zuletzt ankerten sie im Hafen von Incheon bei Seoul in Südkorea, wo die Schiffe an der Überwachung von UN-Sanktionen gegen Nordkorea beteiligt waren. Nächster Stopp ist die philippinische Hauptstadt Manila.
Umstrittene See: das Südchinesische Meer
Etwa ein Drittel des Welthandels wird durch das Südchinesische Meer abgewickelt. Dies ist ein Grund, warum China und seine Nachbarn dort um die Kontrolle von Inseln, Riffen und Schiffsrouten streiten. Peking beansprucht Gebiete, die teilweise mehr als 1000 Kilometer von der eigenen Küste entfernt liegen. Die chinesische Regierung baut künstliche Inseln und lässt nach Gas bohren. Und sie akzeptiert Schiedssprüche der Vereinten Nationen im Konflikt um das Seerecht nicht.
Mit den 2020 verabschiedeten Indo-Pazifik-Leitlinien will die Bundesregierung sich stärker in der Region engagieren. Ziel ist, die Abhängigkeit von China zu verringern und die Partnerschaft mit anderen Ländern ausbauen. "Und das ist jetzt ein Marker, der signalisiert, dass man durchaus bereit ist, für seine Interessen gegenüber China einzustehen und auch mögliche Vergeltungsmaßnahmen in Kauf zu nehmen", sagt Benner. In der Vergangenheit habe das Kanzleramt Entschlossenheit vermissen lassen, meint er, etwa beim Ausbau des 5G-Netzes mit chinesischer Beteiligung oder beim Thema Zölle.
Vergeltung aus Peking?
"Nun könnte es sein, dass es bestimmte Vergeltungsmaßnahmen von chinesischer Seite gibt", so Benner. So könnte Peking etwa diplomatische Gespräche absagen. Und es könnte sein, "dass man den Zorn auf die grüne Außenministerin fokussiert, die man vielleicht als Drahtzieherin vermutet". Annalena Baerbock hatte vor Auslaufen der Marineschiffe betont, dass das Recht der friedlichen Durchfahrt auch in der Taiwan-Straße gelte.
"Dass es Versuche wirtschaftlicher Sanktionen gibt, ist eher unwahrscheinlich", sagt Benner. China habe daran kein Interesse, da seine eigene Wirtschaft an Schwung verloren habe. "Es bleibt natürlich ein Risiko. Aber das ist ein Risiko, das wir in Kauf nehmen sollten", meint er. Vor der Durchfahrt hatten sich in Deutschland nur wenige politische Stimmen kritisch geäußert. Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter der regierenden Sozialdemokraten, etwa gab zu bedenken, die Bundesregierung solle die chinesische Führung nicht verärgern. Denn sie könne Deutschland im Konflikt mit Russland helfen.
Der Politologe Thorsten Benner glaubt, dass deutsche Marineschiffe die Taiwan-Straße nun noch häufiger durchfahren könnten. "Hoffentlich wird es zunehmend normal werden, dass Deutschland im Indo-Pazifik Präsenz zeigt." US-amerikanische Kriegsschiffe passieren die Meerenge immer wieder - und provozieren damit stets wütende Reaktionen aus Peking.
Keine militärische Unterstützung aus Deutschland zu erwarten
Die USA gelten als größter Unterstützer Taiwans, unter anderem mit umfangreichen Waffenlieferungen. Präsident Joe Biden hat in Interviews zudem wiederholt gesagt, sein Land werde die Insel im Falle eines Angriffs militärisch verteidigen.
Die USA haben China gerade erst vor "gefährlichen Aktionen" im Südchinesischen Meer gewarnt. Und Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberaters der USA, betonte im August bei einem offiziellen Besuch in Peking noch die Bedeutung der "Freiheit der Schifffahrt" im Südchinesischen Meer.
Wie die USA auch hat Deutschland Taiwan nicht als eigenständigen Staat anerkannt. Man hält an der "Ein-China-Politik" fest, unterhält nur zu Peking diplomatische Beziehungen und nicht zu Taipei. Dort werden Unterstützungsgesten wie jetzt die Durchfahrt durch die Taiwan-Straße stets wohlwollend aufgenommen.
Auch Lu Li-Shih, pensionierter Offizier der taiwanesischen Marine, begrüßt solche Symbole. Er betont jedoch, dass man von Deutschland oder anderen europäischen Ländern keine militärische Unterstützung erwarten könne. "Wenn es eines Tages zu einem militärischen Konflikt in der Straße von Taiwan käme, stünden diese Länder vor der Herausforderung, dass 'fernes Wasser ein nahes Feuer nicht löschen kann'", sagt er im Gespräch mit dem DW-Büro in Taipei. "Es würde mindestens einen Monat dauern, bis europäische Flotten die Nähe der Taiwan-Straße erreichen. In diesem Monat könnten viele Dinge passieren, und die Unterstützung für Taiwan wäre sehr begrenzt."