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Deutscher Frauen-Basketball: viel Talent, wenig Struktur

21. Juni 2023

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft der Frauen ist erstmals seit 2011 bei der Europameisterschaft dabei. Dabei sind die Strukturen im deutschen Frauen-Basketball amateurhaft und müssen dringend verbessert werden.

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Deutschlands Basketballnationalspielerinnen Leonie Fiebich, Marie Gülich und Luisa Geiselsöder posieren vor Deutschlandfahne
Drei Stützen der DBB-Auswahl: Leonie Fiebich, Marie Gülich und Luisa Geiselsöder (v.l.n.r.)Bild: Tilo Wiedensohler/IMAGO

"Ich denke, dass dieser Sieg wichtig für den deutschen Basketball ist", sagte Bundestrainerin Lisa Thomaidis nach dem Erfolg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen Slowenien bei der Basketball-Europameisterschaft der Frauen. Gerade hatte ihr Team in Ljubljana die Mannschaft der Gastgeberinnen nach einer engen Partie mit 66:62 bezwungen und damit im zweiten EM-Vorrundenspiel den ersehnten ersten Sieg gefeiert. Nun ist bei der ersten EM-Teilnahme seit zwölf Jahren sogar der Viertelfinal-Einzug für die DBB-Frauen greifbar. Nach dem ebenfalls erfolgreichen dritten Vorrundenspiel gegen Großbritannien am Sonntag (62:61), stand am Dienstag eine Zwischenrundenpartie gegen die Slowakei an. Auch dieses Spiel gewannen die DBB-Frauen (79:69) und schafften damit Historisches: Zum ersten Mal stehen sie bei einer EM unter den besten Acht. Gegner im Viertelfinale ist Spanien. Entsprechend euphorisch wurde nach dem Sieg gefeiert, sogar in der Pressekonferenz.

"Ich bin stolz auf mein Team und wie wir mit den Widrigkeiten umgegangen sind", hatte Nationalspielerin Marie Gülich bereits nach dem deutschen Erfolg gegen Slowenien gesagt, bei dem sie mit zwölf Punkten und elf Rebounds eine entscheidende Rolle spielte. Gegen die Slowakinnen war sie mit 26 Punkten und neun Rebounds noch dominanter. Gülich, die ihr erstes Länderspiel im Juli 2017 bestritt, erlebt gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen derzeit die beste Phase im Nationalteam. Schon die Qualifikation zur EM war entsprechend gefeiert worden. Allerdings wirft der internationale Erfolg der Nationalmannschaft auch ein Schlaglicht auf den Nachholbedarf, den die heimische Damen-Basketball-Bundesliga DBBL hat.

Leonie Fiebich: "Dermaßen unprofessionell"

Zu diesem Thema wurde Leonie Fiebich, neben Gülich eine der deutschen Top-Spielerinnen zuletzt deutlich: In Sachen Ausbau der Liga tue sich "überhaupt nichts", sagte sie kurz vor der EM der "Süddeutschen Zeitung". Die Qualität der DBBL gehe krass nach unten, das Niveau sei viel niedriger als anderswo."  Am schlimmsten sei, sagte Fiebich, die seit zwei Jahren nicht mehr in Deutschland, sondern im europäischen Ausland spielt. "wie die Liga das aufzieht, es wirkt alles so dermaßen unprofessionell".

Basketballspielerin Leonie Fiebich stützt während des Spiels die Hände auf die Knie und schaut ernst
Nationalspielerin Leonie Fiebich hat wenig Verständnis für die Zustände in der deutschen BundesligaBild: Sven Beyrich/SPP/IMAGO

Tatsächlich war es lange Zeit sehr schwierig und umständlich, als Fan oder Journalist Informationen über die DBBL und ihre Klubs zu bekommen. Mediale, von der Liga gesteuerte, Aktivitäten gab es fast gar nicht. Kein Newsletter, keine Pressemitteilungen, ein bisschen was auf Social Media, das war's. Seit einiger Zeit erscheint die Internetseite der DBBL in neuem Design, aber nach wie vor gibt es Mängel: Interessiert man sich zum Beispiel für die Statistiken der Teams oder einer einzelnen Spielerin bei einer bestimmten Partie, so findet man dazu leider keine Angaben. Zwar ist jedes einzelne Spiel anklickbar, doch ist das Endergebnis der einzige statistische Wert, den die Ligaseite liefert.

Immerhin laufen alle DBBL-Partien bereits seit einigen Jahren beim Internetportal "Sporttotal TV" - mittlerweile nicht mehr kostenlos, sondern mit Bezahlschranke - doch wirkt die Aufmachung schlicht. Wer einen Eindruck bekommen möchte, sollte sich die entscheidende Finalpartie um die deutsche Meisterschaft zwischen TK Hannover und den Rutronik Stars Keltern anschauen. Es gibt nur eine Kamera, die die Partie automatisiert abschwenkt und dabei manches Mal desorientiert das Spielgeschehen aus dem Bild verliert. Andere Einstellungen, Großaufnahmen oder Zeitlupen sind Fehlanzeige. Auch die Heimstätten der meisten Bundesligisten sprechen Bände. Es sind Mehrzweck-Schulturnhallen, teilweise ohne echte Tribüne, dafür mit einem Gewirr von bunten Linien und Spielfeldbegrenzungen aller möglichen Sportarten wie Basketball, Handball, Volleyball und Badminton auf dem Boden.

Kleiner Etat, keine finanziellen Standards

Das finanzielle Fundament der DBBL-Klubs ist in der Regel nicht sehr groß. Es handelt sich vielfach um kleinere Vereine, die von lokalen Sponsoren finanziert werden und von Profisport weit entfernt sind. Gleichzeitig fehlen bei der Lizenzierung der DBBL-Vereine verbindliche Standards. Die zwölf Klubs müssen gegenüber der DBBL nicht wirklich nachweisen, dass sie sich den Ligabetrieb auch leisten können.

Spielerinnen der Rheinland Lions
Das Team von Tabellenführer Rheinland Lions musste mitten in der Saison abgemeldet werdenBild: Eckehard Schulz/IMAGO

Das ging in der gerade abgelaufenen Saison nach hinten los: Die Rheinland Lions aus Bergisch-Gladbach mussten Anfang des Jahres Insolvenz anmelden und den Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung einstellen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt Tabellenführerinnen. Grund für die Pleite waren zu hohe Gehälter.

"Die DBBL ist einfach noch nicht so weit, dass Spielerinnen aufgrund der Infrastruktur oder des Wettbewerbs hierherkommen, ohne dass man ihnen hohe Gehälter bezahlt", erklärte Martin Geissler damals im Deutschlandfunk. Geissler ist Manager des DBBL-Klubs Gisa Lions Halle und des Männer-Bundesligisten Mitteldeutscher BC. Die Rheinland Lions hätten Spielerinnen Gelder bezahlt, die kein anderer Klub zahlen würde, so Geissler. Das habe das Gleichgewicht der Liga außer Kontrolle gebracht. "Und auf der anderen Seite hat es die Rheinland Lions am Ende völlig überfordert."

Im Fahrwasser der Männer-Vereine

Möglicherweise könnte der Basketball vom Fußball lernen. Immer mehr Bundesligaklubs, die bei den Männern erfolgreich sind, haben in den vergangenen Jahren auch eine Frauen-Mannschaft gegründet oder mit einem bestehenden Frauenfußball-Verein fusioniert. Das hat zwar einerseits zur Verdrängung kleinerer, reiner Frauen-Vereine aus der Bundesliga geführt, aber letztlich auch zur Verbesserung der Strukturen und zur Professionalisierung des Sports.

Spielerinnen von ALBA Berlin posieren gemeinsam rund um das Vereinslogo auf dem Hallenboden
Volle Halle, große Begeisterung: ALBA Berlin investiert seit einigen Jahren in sein Frauen-TeamBild: Tilo Wiedensohler/IMAGO

Im Basketball läuft dieser Prozess noch etwas schleppend, ist aber im Gang. Mit ALBA Berlin und den Gisa Lions, die im März 2022 mit dem Mitteldeutschen BC fusioniert haben, gibt es bislang zwei DBBL-Teams, die auch in der Männer-BBL vertreten sind. Andere Vereine, darunter der FC Bayern, ziehen nach und investieren in ihre Frauen-Mannschaften, mit dem Fernziel DBBL-Aufstieg.

Heim-WM 2026 als Motivation und Zielmarke

Die Zeit, die Strukturen zu verbessern und zu professionalisieren, drängt. Ende April hat Deutschland den Zuschlag als Gastgeberland für die Weltmeisterschaft 2026 bekommen. Für die DBB-Frauen bedeutet das, dass sie automatisch qualifiziert sind - zum ersten Mal seit 1998. Die WM-Teilnahme vor 25 Jahren war die bisher einzige der deutschen Frauen-Mannschaft. Deutschland war auch damals als Gastgeberland qualifiziert, konnte sportlich aber mit der Weltspitze nicht mithalten und belegte letztlich Rang elf. Das soll bei der nächsten Heim-WM besser werden.

Deutsche Basketballerinnen während der Nationalhymne
Deutschlands Basketballerinnen haben bei der EM in Slowenien die Zwischenrunde erreichtBild: Sven Beyrich/SPP/IMAGO

Die Chancen sind da, denn womöglich hätte die jetzige Mannschaft sogar das Zeug gehabt, sich auch sportlich einen der sechs WM-Startplätze für europäische Teams zu sichern. Das liegt daran, dass viele Spielerinnen schon seit Jahren im Ausland spielen. Leonie Fiebich gewann in der abgelaufenen Saison mit Saragossa den spanischen Pokal und wurde zur wertvollsten Spielerin der Liga gewählt. Gülich, die von 2018 bis 2020 drei Saisons lang in der besten Liga der Welt, der nordamerikanischen WNBA spielte, holte mit Valencia die spanische Meisterschaft.

Luisa Geiselsöder ist seit drei Jahren Profi in Frankreich, Sonja Greinacher war jahrelang in Polen aktiv. Mit Lina Sontag und Emily Bessoir spielen zwei der jüngeren deutschen Nationalspielerinnen in Los Angeles für das College-Team der UCLA. Satou Sabally und ihre Schwester Nyara, die bei der EM beide nicht dabei sind, spielen in der WNBA. Wären sie alle in der DBBL geblieben, wären sie jetzt als Nationalmannschaft wohl kaum so erfolgreich.

Der Text wurde nach dem Zwischenrundensieg der DBB-Frauen gegen die Slowakei aktualisiert.