Mutter mit Kind bleibt in türkischer U-Haft
23. August 2017Die Entscheidung sei damit begründet worden, dass Fluchtgefahr bestehe. Der 33 Jahre alten Journalistin werden unter anderem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Verbreitung von Terrorpropaganda vorgeworfen. Wegen dieses Vorwurf, der von türkischen Behörden permanent gegen missliebige Inhaftierte geäußert wird, drohen Tolu bis zu 15 Jahre Haft. Der Prozess gegen sie soll am 11. Oktober im Silivri-Gefängnis nahe Istanbul beginnen.
"Reporter ohne Grenzen" forderte die türkische Justiz auf, Tolu sofort freizulassen. "Die Türkei muss Mesale Tolus unwürdige politische Geiselhaft endlich beenden", sagte der Geschäftsführer der Journalistenorganisation, Christian Mihr. Am Mittwoch besuchte der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, die Inhaftierte.
Verhaftung in der Nacht
Tolu wurde Ende April in der Türkei festgenommen und sitzt seitdem mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn im Frauengefängnis Bakirköy in Istanbul in Haft. In der Türkei hatte die Journalistin für die sozialistisch orientierte Nachrichtenagentur Etha und einen linken Radiosender gearbeitet. Mit Tolu sind 17 weitere Menschen angeklagt, die alle in derselben Nacht verhaftet wurden.
Die Journalistin hat türkische Wurzeln, besitzt seit 2007 allerdings ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Tolu wurde in Ulm geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Seit 2014 lebte sie in Istanbul. Auch Tolus Ehemann Suat Corlu sitzt im Gefängnis, er wurde bereits Anfang April festgenommen. Seit dem Putsch in der Türkei vor gut einem Jahr sind 22 Deutsche in dem Land verhaftet worden, darunter der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel und der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner.
Unterdessen hat Österreichs Außenminister Sebastian Kurz dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "diktatorische Züge" vorgeworfen. "Er entwickelt das Land in eine falsche und gefährliche Richtung", sagte Kurz der Zeitung "Die Welt". Erdogans Umgang mit Kritikern, Andersdenkenden und Minderheiten sei "absolut inakzeptabel". Erdogan zeige "definitiv diktatorische Züge".
Kurz sprach sich in diesem Zusammenhang gegen eine Vertiefung der Zollunion mit der Türkei aus. "So wie derzeit in der Türkei die Menschenrechte und demokratischen Grundwerte systematisch verletzt" würden, sei dies "völlig unrealistisch", sagte der Minister. Er schloss sich damit der Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Diese hatte zuletzt gesagt, mit der Bundesregierung werde es keine Erweiterung der Zollunion mit der Türkei geben.
Die Replik aus der Türkei kam prompt: Der türkische Europaminister Ömer Celik warf Kurz und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel "Rassismus" vor. Gabriel hatte zuvor die Einmischung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in den deutschen Wahlkampf kritisiert und war daraufhin von Erdogan hart attackiert worden.
Celik ist eifriger Twitter-Nutzer
Celik warf dem deutschen Außenminister in einer Serie von 28 Mitteilungen auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter "vernunftwidrige" Äußerungen zu Erdogan vor. Gabriel rede wie ein "Rassist" und "Rechtsextremer", schrieb Celik. Zudem beschuldigte er ihn, sich wie Österreichs Außenminister Kurz zu verhalten, der "ein Feind der Flüchtlinge und ein Symbol einer rassistischen Politik" sei.
Gabriel wolle die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union "sabotieren", schrieb der EU-Minister, nachdem sich Kanzlerin Angela Merkel kürzlich gegen eine Ausweitung der EU-Zollunion mit der Türkei ausgesprochen hatte. Angriffe von "Rassisten, Faschisten und den Feinden des Islam" gegen die Türkei oder ihren Präsidenten bedeuteten Ankara aber "nichts", versicherte Celik.
cgn/qu (afp, dpa, epd)