Erdogan und Gabriel: Der Streit eskaliert
22. August 2017An klaren Worten und Taten lässt es Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gerade nicht mangeln. Am Wochenende schaltete er sich persönlich in den Fall des in Spanien verhafteten deutschen Schriftstellers Dogan Akhanli ein. Die Türkei verlangt dessen Auslieferung. Wenig später wurde der Autor zumindest auf freien Fuß gesetzt. Und am Montag Abend legte Gabriel nach: Über den türkischen Präsidenten Erdogan sagte der deutsche Außenminister in Ludwigshafen: "Er macht aus der Türkei einen undemokratischen Staat." Der Putschversuch in der Türkei vor einem Jahr sei schlimm gewesen, "aber jetzt macht Erdogan seinen eigenen Putsch."
"Einige fühlen sich motiviert"
Gabriel, der mit seiner Familie in Goslar wohnt, berichtete auch von Drohungen gegen seine Ehefrau. Gabriels Frau betreibt eine Zahnarztpraxis, auf dem dortigen Anrufbeantworter seien die Drohungen eingegangen. Für den SPD-Politiker eine Folge der scharfen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem autokratischen türkischen Präsidenten: "Über die Art und Weise, wie Erdogan das macht, fühlen sich einige offensichtlich motiviert und versuchen, meine Frau zu bedrängen und zu belästigen." Tatsächlich hatte Erdogan zuletzt über Gabriel gesagt: "Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen!" Und weiter: "Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?" Gabriel hatte Erdogans Aufforderung an die in Deutschland wahlberechtigten Türken kritisiert, bei der Bundestagswahl im September die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie die Grünen nicht zu wählen, weil sie Feinde der Türkei seien.
"Erdogan erwartet Augenhöhe!"
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk nannte der türkische Parlamentsabgeordnete Mustafa Yeneroglu die Drohungen gegen Gabriels Ehefrau verstörend. Yeneroglu ist Mitglied von Erdogans Regierungspartei AKP und Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament. Die Drohung habe nichts mit der türkischen Strategie im Umgang mit Gabriel zu tun: "Da ist irgendjemand, der auf jeden Fall gestört ist, dass er eine solche Dimension, die unakzeptabel ist, dann auch vornimmt." Aber klar sei auch: "Für Präsident Erdogan ist es wichtig, dass Begegnungen auf Augenhöhe geführt werden. Das ist für ihn eine extrem wichtige Angelegenheit. Er erwartet für sein Land einen respektvollen Umgang." Und weiter: "Die Zeiten, wo man permanent mit dem erhobenen Zeigefinger die Türkei maßregeln konnte, sind endgültig vorbei."
Botschafter kann Inhaftierte besuchen
Nach langen Monaten, in denen die deutsche Regierung noch auf jede Provokation von Erdogan mäßigend geantwortet hatte, änderte vor allem Gabriel seit Anfang Juli den Ton. Anlass war die Verhaftung des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner in der Türkei. Steudtner war zum ersten Mal in der Türkei, um an einem Workshop teilzunehmen. Seitdem sitzt er ohne Anklage in Haft, ihm wird wie vielen anderen Terror-Unterstützung vorgeworfen. Gabriel hatte daraufhin die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes für die Türkei verschärft. Außerdem will die Regierung nun die Exportbürgschaften für Investitionen in der Türkei überprüfen. Gabriel damals: "Man kann niemandem zu Investitionen in ein Land raten, wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt."
Ebenfalls in Haft in der Türkei sind der deutsche Journalist Deniz Yücel sowie die Übersetzerin Mesal Tolu. Ihr Schicksal ist angesichts der heftigen deutsch-türkischen Spannungen sehr ungewiss. Immerhin kann der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, die beiden und auch Peter Steudtner in dieser Woche in der Haft besuchen.