Deutsche Millionen für Afrikas Grenzen
8. Februar 2019Taschenlampen für Ägyptens Grenzwache, ein Training für Kameruns Polizei. Geld für Nigerias Regierung, um biometrische Personalausweise einzuführen. Fast 15 Millionen Euro hat die Bundesregierung zwischen 2016 und 2018 investiert, damit afrikanische Länder ihre Grenzen besser sichern können. Der Grund ist einfach: "Die Schwerpunktbildung liegt in der Bekämpfung der irregulären Migration sowie der damit einhergehenden Schleusungskriminalität und der Abwehr von Gefahren auf dem internationalen Luftverkehr", schreibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Antwort auf eine bislang unveröffentlichte Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die der DW vorliegt.
Ein falscher Ansatz, meint die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke zur DW. "Eine Verschärfung des Grenzregimes führt nicht dazu, dass Menschen nicht mehr fliehen. Sie werden dann nicht mehr fliehen, wenn es in ihren Heimatländern Demokratie gibt und wenn sie dort Arbeit finden. Daher finde ich sehr bedenklich, welche Prioritäten die Bundesregierung setzt."
Die sieht das offensichtlich anders. 2016 flossen knapp 1,2 Millionen Euro in die Projekte in Afrika, im vergangenen Jahr waren es schon 5,7 Millionen. Kleine Beiträge im Vergleich zum Gesamthaushalt, aber: "Seit der sogenannten Flüchtlingskrise sieht man einen deutlichen Anstieg der Gelder, die in solche Programme gesteckt werden", sagt die Migrationsexpertin Judith Vorrath von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Für den Großteil der Projekte ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zuständig, ein bundeseigenes Entwicklungsunternehmen. Bei der technischen Ausrüstung kommt meist die Bundespolizei ins Spiel.
Umstrittene Partnerländer
Zu den Partnerländern gehören auch Staaten, die keine Musterdemokratien sind. Ägypten etwa, dessen autokratischer Präsident Al-Sisi auch im Rahmen der Wirtschaftsinitiative "Compact with Africa" ein wichtiger Partner Deutschlands ist. Für die Grenzsicherung bekommt das Land nicht nur Taschenlampen, sondern auch GPS-Navigationstechnik und Sicherheitsscanner.
Auch der Tschad kommt bei Menschenrechtsorganisationen nicht gut weg. Langzeitpräsident Idriss Déby ist seit fast 30 Jahren an der Macht. Kritische Journalisten und die Opposition lässt der Ex-Militär von seinen Sicherheitskräften drangsalieren. Die tschadische Polizei wird ebenfalls im Grenzmanagement geschult.
In Kamerun ist die politische Lage ebenfalls kritisch: Immer wieder gibt es Demonstrationen gegen Präsident Paul Biya, der seit über 35 Jahren autokratisch regiert. Biya denkt offenbar nicht daran, dem Druck nachzugeben. Stattdessen wurde Oppositionsführer Kamto vor wenigen Tagen verhaftet. Seit 2017 gibt es immer wieder blutige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in den englischsprachigen Regionen des Landes, die sich von der Zentralregierung im Stich gelassen fühlen.
Spielen Menschenrechte eine Rolle?
"Bei allen bilateralen polizeilichen Grenzprojekten geht es um Funktionalität, um die Handhabung von Technik. Die Vermittlung von Menschenrechten spielt bei den Ausbildungsmaßnahmen offensichtlich keine Rolle", meint die Linken-Abgeordnete Jelpke. "Es macht mich sehr skeptisch, dass die Bundesregierung keine Menschenrechtskriterien aufstellt". Die GIZ betont auf DW-Anfrage, dass in allen drei Ländern "menschenrechtskonforme Standards" vermittelt würden. In Kamerun ist nach GIZ-Angaben die Zufriedenheit mit der Arbeit der Polizei sogar deutlich gestiegen.
Über die EU finanziert Deutschland noch weitere Grenzschutz-Programme. Kritik gibt es vor allem an einem millionenschweren EU-Programm, das Migranten aus ostafrikanischen Ländern wie Eritrea und Sudan stoppen soll. Auch Diktaturen wie Sudan und Eritrea gehören zu den Kooperationspartnern. Zahlreiche Maßnahmen koordiniert auch hier die GIZ.
Migranten finden neue Routen
Kurzfristig könnten Grenzschutzprojekte auch positive Effekte haben, sagt SWP-Expertin Vorrath. "In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, zu verhindern, dass sich Menschen als irreguläre Migranten auf den Weg machen, dabei ihr Leben aufs Spiel setzen und sehr viel Geld verlieren." So kamen laut UN-Flüchtlingshilfswerk 2018 letztes Jahr über 139.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa. 2015 waren es mehr als eine Million.
Zugleich drohten durch die Programme aber auch neue Gefahren, warnt Vorrath - etwa weil Migranten durch Sicherheitskräfte gefoltert oder eingesperrt würden. Oft führe ein besserer Grenzschutz ohnehin nur zur Verdrängung - etwa in Westafrika: "Durch die Einführung biometrischer Pässe und besserer Kontrollen an den Flughäfen in westafrikanischen Staaten durch EU-Projekte ist der Luftweg schwieriger geworden. Daher machen sich - das sagen zum Beispiel auch die nigerianischen Behörden - viel mehr Menschen wieder über Land auf den Weg."