Autoritärer Langzeitherrscher und Überlebenskünstler
8. November 2018Seit fast 36 Jahren ist Kameruns Präsident Paul Biya bereits an der Macht. Nun wurde der 85-Jährige für weitere sieben Jahre im Amt vereidigt. Nur ein Staatschef in Afrika regiert noch länger als er: Teodoro Obiang, Präsident von Äquatorialguinea. Bei der Wahl am 7. Oktober stimmten laut dem offiziellen Ergebnis 71 Prozent für Biya. Doch nur 53 Prozent der 6,6 Millionen Kameruner waren überhaupt zur Wahl gegangen. Ein Grund: Die andauernden Unruhen im anglophonen Teil des Landes.
Anhänger der Opposition werfen Biya und seinen Mitstreitern Betrug vor. Am Wochenende wurden bei Protesten gegen das Wahlergebnis mehrere Menschen festgenommen, Journalisten berichten von Repressionen durch die Sicherheitskräfte. Oppositionsführer Maurice Kamto fordert eine Neuauszählung der Stimmen und mehr internationalen Druck auf den Präsidenten.
Kritiker werfen Biya vor, dass er den Draht zur Bevölkerung längst verloren hat. "Biya ist blind für die Verhältnisse in Kamerun, denn unkontrollierte Macht macht blind für die Realität", sagt Jean-Pierre Bekolo, ein kamerunischer Filmregisseur, der im US-Exil lebt. Tatsächlich sehen Kritiker Anzeichen dafür, dass sich Biya inzwischen für unersetzlich hält: Er sei der einzige Garant für Stabilität, für die staatliche Einheit und für den Frieden, sagte Biya in der vergangenen Woche während eines Auftritts in der Stadt Maroua, die zu seinen Hochburgen gehört.
Abwesend im Wahlkampf
Wie brisant gerade diese Themen sind, zeigt der Konflikt im Westen des Landes: Dort fordern Separatisten die Unabhängigkeit zweier Regionen, in denen der überwiegende Teil der englischsprachigen Bevölkerung lebt. Etwa ein Fünftel der Kameruner gehört der anglophonen Minderheit an, die übrigen Bewohner der französischsprachigen Mehrheit. Die sprachliche Teilung des Landes ist eine Folge der Kolonialzeit.
Der Auftritt Paul Biyas Ende September in Maroua war einer der ganz seltenen öffentlichen Auftritte des Präsidenten, seitdem er im Juli per Twitter verkündete, erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren zu wollen. Offiziell gibt es neun Präsidentschaftskandidaten, doch Biya trat trotzdem im Wahlkampf kaum öffentlich in Erscheinung. In Maroua sagt er eher beiläufig: "Ich bin sicher, dass die Kameruner am 7. Oktober die richtige Wahl treffen, damit sie weiterhin die Kraft der Erfahrung auf ihrer Seite haben!". Seine Botschaft ist klar: Nur er sei in der Lage, die Dschihadisten von Boko Haram im Norden und die anglophonen Separatisten im Westen wirksam zu bekämpfen: "Wir sagen allen unseren Mitbürgern in diesen gebeutelten Regionen, dass wir sie vor ihren selbsternannten Befreiern beschützen werden", rief Biya seinen Anhängern zu.
Regieren per Dekret
Im Laufe der Jahre hat sich Paul Biya zunehmend aus der Tagespolitik zurückgezogen. Anstatt sich mit dem Parlament und anderen politischen Instanzen auseinanderzusetzen, regiert er immer öfter per Dekret. Öffentliche Posten wie Minister und Staatssekretäre oder Leitungspositionen in Staatsunternehmen besetzt er mit Vertrauten, die ihm gegenüber absolut loyal sind. Biya verzichtete auch darauf, einen Parteitag einzuberufen, damit die Regierungspartei RPDC seine Kandidatur absegnen konnte.
Das Management des Wahlkampfs überließ Biya seinem Büroleiter, die meisten Wahlkampfauftritte dem Minister für Hochschulwesen. "Absent et représenté" - "Er ist abwesend und lässt sich vertreten" nennen Oppositionelle und Kommentatoren inzwischen seinen Stil.
Dafür zieht sich Biya immer öfter ins Ausland zurück, vor allem in die Schweiz, wo er regelmäßig ausgedehnte Erholungsurlaube genießt. Nach Angaben des internationalen Rechercheverbundes OCCRP soll Biya in seiner 36-Jährigen Präsidentschaft mindestens viereinhalb Jahre auf privaten Reisen verbracht haben.
Rückzug in die Schweizer Idylle
Ein Drittel seiner Zeit oder mehr soll Biya in manchen Jahren außerhalb Kameruns verbracht haben. In der Schweiz richtete er sich laut OCCRP in einem Genfer Fünf-Sterne-Hotel häuslich ein. Seine Frau und bis zu 50 Bedienstete soll er dabei mitgenommen haben. Die gesamte Hotelrechnung, sowie die Kosten für den eigens gecharterten Privat-Jet sollen sich auf rund 156 Millionen Euro belaufen haben.
"Der Luxus, den sich Paul Biya und die ihm nahe stehenden Elite des Landes gönnt, steht im krassen Widerspruch zu der grassierende Armut im Lande", sagt der kamerunische Regisseur Jean-Pierre Bekolo. Tatsächlich sind die Einkommen in Kamerun in den vergangen Jahren stark gesunken, nicht zuletzt wegen des Verfalls der Erdöl-Preise und anderer Rohstoffe, die Kamerun exportiert. Nach Angaben der Weltbank betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kamerun gerade einmal 1570 Dollar.
Paul Biya stammt aus einem bescheidenen Elternhaus. Nachdem er in den 1940er Jahren ein Priesterseminar in Yaoundé besuchte, zog es ihn in den 1950er Jahren nach Paris, wo er an unterschiedlichen Hochschulen studierte. 1962 holte ihn der erste Präsident Kameruns, Ahmadou Ahidjo, in die Heimat zurück und berief ihn zum Minister. 1975 übernimmt Biya das Amt des Regierungschefs. Am 6. November 1982 ist er an der Spitze des Staates angekommen: Er übernimmt das Amt des Staatspräsidenten - zwei Tage nach dem Rücktritt Ahidjos.
Biya: Vom Modernisierer zum Bremser
"Ein Amt, das er mit großem Reformeifer begann", erinnert sich Hervé Emmanuel Nkom, Mitglied der inzwischen allgegenwärtigen RDPC-Partei, die 1985 von Paul Biya gegründet wurde. Hervorzuheben sei vor allem Biyas Beitrag zur Modernisierung des politischen Systems Kameruns, so Nkom: "Er führte zahlreiche demokratische Reformen im Land ein: das Mehrparteiensystem, viele demokratische Freiheiten sowie einige soziale und wirtschaftliche Entwicklungen in einem nicht immer günstigen internationalen Umfeld."
Anders sieht es der kamerunische Historiker und Philosoph Achille Mbembe. Er zieht eine negative Bilanz aus Biyas politischem Wirken. "Biya ist in allen Belangen gescheitert. Kamerun hat mit diesem Mann an der Spitze des Staates 36 wertvolle Jahre verloren", sagt er im DW-Interview. Von seiner Wiederwahl, so Mbmbe, sei deshalb nichts zu erwarten.