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Politik

Krise in Kamerun: Kann die Kirche vermitteln?

Adrian Kriesch
7. Mai 2018

Seit Monaten spitzt sich die Krise im anglophonen Kamerun zu. Separatisten attackieren Regierungsvertreter, Soldaten zünden Dörfer an. Adrian Kriesch über das Leiden der Zivilbevölkerung - und Hoffnungen in die Kirche.

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Kamerun Sprachenstreit um Englisch
Bild: Getty Images/AFP

Agbor Gilbert Ebot hat nur zwei Stunden geschlafen, ist völlig übermüdet. Trotzdem ist der Organisator des Internationalen Filmfestivals in Kamerun schon um sechs Uhr morgens wach und bei strömenden Regen auf dem Weg zur Polizeistation in Buea. Drei Teilnehmer eines Schauspielworkshops am Vortag mussten hier die Nacht verbringen, weil sie auf dem Rückweg ihre Ausweise vergessen haben. "Selbst wenn du auf Toilette gehst oder vom Wohnzimmer in die Küche: du musst die ID-Karte dabei haben", sagt Ebot. "Wenn du sie nicht dabei hast, nehmen die Sicherheitskräfte das nicht auf die leichte Schulter: du wirst verhaftet und eingesperrt." Also verhandelt Ebot in der Polizeistation - und nach ein paar Stunden sind die Schauspielschüler wieder frei.

"Während der Krise wird eine Menge Geld gemacht"

Fast jeder in Buea kann solche Geschichten erzählen. Seitdem sich der Konflikt im anglophonen Gebiet Kameruns zuspitzt, sind Sicherheitskräfte überall präsent. In der Nacht patrouillieren in der Stadt Lastwagen voller schwer bewaffneter Soldaten. Ein lokaler Journalist, der aus Angst vor Repressionen anonym bleiben möchte, spricht bereits von einem Armee-Staat. Ständig werden Bewohner auf den Verdacht hin festgenommen, dass sie Unabhängigkeits-Kämpfer sind, sagt der Journalist, der selbst schon Gefangene in der Polizei-Station besucht hat. Die Bedingungen dort seien katastrophal. "Während der Krise wird eine Menge Geld gemacht", sagt er und erzählt, dass man nur gegen Schmiergeld wieder freikommt. Einen echten Prozess könne man nicht erwarten.

Kamerun Buea Polizeigewalt
In Sozialen Medien tauschen Aktivisten Videos von Polizeigewalt ausBild: DW/A. Kriesch

Die koloniale Vergangenheit ist bis heute eine Ursache für die Spannungen. In den 60er-Jahren wurde Kamerun unabhängig - und das frühere französischsprachige Mandatsgebiet mit dem englischen vereint. Offiziell gibt es seitdem zwei Amtssprachen, zwei Bildungssysteme, zwei Rechtssysteme. Doch in der Realität fühlt sich die Minderheit im anglophonen Süd-Westen Kameruns seit Jahren unterdrückt und benachteiligt. Im Oktober 2016 gehen Anwälte aus dem anglophonen Gebiet auf die Straße, im November folgt ein Streik der Lehrer und Demonstrationen. Die Regierung ignoriert die Forderungen und reagiert mit Gewalt. Mehrere Demonstranten kommen ums Leben, das Internet wird für drei Monate abgeschaltet. Streiks legen den Schulbetrieb lahm, es kommt wöchentlich zu sogenannten Geisterstadt-Tagen, an denen das Geschäftsleben aus Protest ruht.

Präsident erklärt Separatisten den Krieg

Kameruns Präsident Paul Biya, seit mehr als 35 Jahren an der Macht, beruft eine Kommission für Bilingualismus und Multikulturalismus ein, doch viele Anglophone sehen das als nicht ausreichend. Ende 2017 kommt es erneut zu größeren Demonstrationen, bei denen Sicherheitskräfte mindestens 40 Menschen töten. Der Protest radikalisiert sich. Mehrere Separatisten-Gruppen gründen sich, töten Sicherheitskräfte und Staatsbedienstete, die für Spitzel gehalten werden. Der Präsident erklärt ihnen den Krieg.

Vatikan kamerunischer Präsident Paul Biya trifft Papst Franziskus
Kameruns Präsident Paul Biya - hier mit Papst Franziskus 2017 - weiß um die Macht der Kirche in seinem LandBild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Die Fronten sind verhärtet. Mehr als 100 Zivilisten und 40 Sicherheitskräfte sind bereits ums Leben gekommen. Die International Crisis Group ruft die katholische Kirche auf, in der Krise zu vermitteln, denn ihr Wort habe Gewicht. "Ich stimme zu, aber das ist unter den aktuellen Umständen sehr schwierig", sagt Emmanuel Busho, der Bischof von Buea, gegenüber der DW. "Denn die höchste Autorität im Land ist nicht zum Dialog bereit. Sie versuchen, Bedingungen für einen Dialog zu stellen. Aber wir glauben, dass ein echter Dialog nur auf Augenhöhe stattfinden kann. Wenn du Bedingungen stellst, wird es keinen Dialog geben."

Gespaltene Kirche

Die Regierung weigert sich, mit den radikalen Gruppen zu sprechen. Ein Interview mit einem Regierungsvertreter war trotz mehrerer Anfragen nicht möglich. Ende 2016 hatten katholische Bischöfe einen Brief über die Sorgen der Anglophonen an den Präsidenten geschrieben. Die Regierung beschuldigte die Bischöfe darauf, den Konflikt anzuheizen. Doch die katholische Kirche, die ein Drittel der Kameruner vertritt, ist gespalten. Zwischen den frankophonen und den anglophonen Bischöfen gibt es Unstimmigkeiten. "Wir vertrauen zwar der katholischen Kirche im englischen Teil, aber nicht der im französischen", sagt ein Aktivist, der die Separatisten unterstützt und deshalb anonym bleiben will. Die frankophonen Bischöfe werden als regierungsnäher wahrgenommen. "Denn vom Beginn der Krise an haben beide ihre Seiten gewählt."

Kamerun Buea Separatist
Friedliche Proteste wurden ignoriert, jetzt sei die einzige Option Gewalt, sagt ein SeparatistBild: DW/A. Kriesch

Ob die Kirche also als Vermittler schlichten kann, wird davon abhängig sein, ob die Bischöfe eine gemeinsame Linie finden können. Wenn nicht, droht der Konflikt weiter zu eskalieren. Separatisten kündigten gegenüber der DW bereits an, mit allen Mitteln die Präsidentschaftswahlen im Oktober verhindern zu wollen - um die Regierung so an den Verhandlungstisch zu zwingen. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. In der Nacht auf Montag (07.05.18) waren an verschiedenen Orten in Buea wieder Schüsse zu hören.