Afrikapolitik zwischen Corona und Wahlkampf
29. Januar 2021Ein wichtiger Termin fehlte vergangenes Jahr im Kalender der Kanzlerin: Der obligatorische Gipfel mit afrikanischen Staatschefs und Deutschlands Wirtschaftselite fand nicht statt. Seit 2017 gehörten die Treffen zur Routine im politischen Berlin.
Viele Investitionszusagen hätten die deutschen Firmen ohnehin nicht machen können. "Die Corona-Pandemie hat in Afrika durch den angeordneten Lockdown in fast allen Ländern und den Folgen der Maßnahmen, die wir zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen haben, erhebliche Auswirkungen", sagt Günter Nooke, Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, zur DW.
Das wirkt sich auch auf die Aktivitäten der Unternehmen aus. "Für 2020 war ein regelrechtes Afrikajahr geplant. In der Hinsicht war der Einbruch [durch Corona] dramatisch", sagt Tilo Halaszovich, Wirtschaftsprofessor an der Jacobs University Bremen zur DW. In einer Studie hat er 100 deutsche Unternehmen befragt, die in Afrika Geschäfte machen. Ergebnis: 75 Prozent wollten 2020 eigentlich ihre Aktivitäten auf dem Kontinent ausbauen. Am Ende waren es Pandemie-bedingt gerade mal 13 Prozent.
Exporte und Handel gehen zurück
Auch Zahlen der Deutschen Bundesbank verheißen wenig Gutes: Die deutschen Netto-Direktinvestitionen in Subsahara-Afrika lagen von Januar bis September 2020 bei 698 Millionen Euro - rund 171 Millionen niedriger als im gleichen Zeitraum 2019.
Die Bundesregierung will trotzdem an ihrer Politik festhalten. "Die Konzentration auf Investitionen privater Unternehmen in Afrika, die Konzentration auf einen selbsttragenden Wirtschaftsaufbau bleibt richtig, egal welche Pandemie uns noch erreicht, oder wie stark Covid-19 jetzt noch wirkt", sagt Günter Nooke.
Auch viele deutsche Firmen haben mit Afrika nicht abgeschlossen. Die Unternehmen seien in einer Art Wartestellung, sagt Wirtschaftsforscher Halaszovich. Was die Bundesregierung aus seiner Sicht nutzen soll, um nach dem Ende der Pandemie möglichst viele Firmen schnell wieder nach Afrika zu holen: "Was ich mir wünschen würde, wären kleinteilige, schnelle Unterstützungsmaßnahmen mit relativ geringen Hürden auf administrativer Seite. Die Nachfrage wird da sein", sagt Halaszovich.
Im Wahlkampf wird Afrika keine Rolle spielen
Doch das genügt nicht, um zusätzliche Unternehmen nach Afrika zu holen. Genau das ist allerdings erklärtes Ziel im politischen Berlin. Denn bisher investieren deutsche Firmen kaum auf dem Kontinent. "Deutschland sollte weiterhin und verstärkt Möglichkeiten präsentieren, die für deutsche Firmen attraktiv sind und die benötigten Jobs in Afrika schaffen", sagt Rob Floyd vom African Center for Economic Transformation (ACET) in Ghana zur DW.
Dazu gehören die Investmentkonferenzen mit afrikanischer Polit-Prominenz, aber auch Programme, die der Öffentlichkeit meist verborgen bleiben. Zum Beispiel haben Wirtschafts- und Entwicklungsministerium umfangreiche Beratungsnetze aufgebaut, die deutsche Firmen über Marktchancen und Fördermöglichkeiten informieren.
Doch unklar ist, wie es mit der Afrikapolitik und den Programmen langfristig weitergeht. Im September sind Bundestagswahlen. Mit Kanzlerin Angela Merkel und Entwicklungsminister Gerd Müller haben ausgerechnet die prominentesten Architekten der neuen Afrikapolitik ihren Abschied angekündigt.
"Die Dinge, die angestoßen wurden, das veränderte Denken, die stärkere Ausrichtung auf wirtschaftliche Entwicklung, auf Privatinvestitionen, auf Infrastrukturausbau - das darf und das wird nicht nur an der Bundeskanzlerin oder an Entwicklungsminister Müller hängen", versucht der Afrikabeauftragte Nooke zu beruhigen. Fakt ist: Auch viele Akteure in den Berliner Ministerien, bei Wirtschaftsverbänden und Entwicklungsorganisationen, die die neue Afrikapolitik im Hintergrund mitgestaltet haben, dürften bleiben.
Welche Akzente wird die neue Bundesregierung setzen?
Trotzdem ist unklar, wie viel Zeit und Energie die Bundesregierung während des Wahlkampfs noch für Afrika aufwenden will. "Vor allem die Beseitigung der Pandemie und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden den Wahlkampf bestimmen. Die Afrika-Politik gerät noch weiter in den Hintergrund", sagt der deutsche Afrikawissenschaftler Robert Kappel zur DW.
Und: Viele Programme, wie der Compact with Africa, oder auch der Marshallplan mit Afrika sind langfristig angelegt. Sie setzten auf Reformen in Deutschland und Afrika. Viele sind angestoßen, aber noch lange nicht umgesetzt.
Der Compact setzt zum Beispiel auf Reformen in den afrikanischen Partnerländern: Bekämpfung der Inflation, Korruption, Abbau von Haushaltsdefiziten: "Wichtig ist, dass die Reformpartnerschaften gestärkt und weitergeführt werden. Nur durch fortwährende Reformen werden sich Investoren sicherfühlen und Investitionen weitergehen", sagt ACET-Experte Floyd.
Doch ob eine neue Bundesregierung die Programme weiter finanzieren und unterstützen will, weiß niemand.