Der steinige Weg für Transgender-Aktive im Sport
6. November 2023Es war ein Versuch, und er ist gescheitert. Mit einer neuen, geschlechtsoffenen Wertungskategorie wollte der Schwimm-Weltverband World Aquatics beim Weltcup in Berlin Anfang Oktober ein Pilotprojekt starten und die Anwendung einer offenen Kategorie in der Praxis testen. Doch niemand ließ sich für die Wettkämpfe registrieren.
2022 hatte der Weltverband beschlossen, neue Regularien für Transgender-Aktive einzuführen. Im Frühjahr 2023 wurden erste Schritte davon umgesetzt, eine eigene offene Kategorie wurde aber nicht ins Regelwerk aufgenommen. Wie der Weltverband weiter verfährt, ist nach dem Scheiterns des Experiments in Berlin offen.
"Zwangsouting statt Inklusion"
"Die Einführung dieser Klasse hatten wir auch schon im Vorfeld kritisiert. Dass sich keiner gemeldet hat, ist für uns nachvollziehbar und nicht überraschend", sagt Mara Geri, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), der DW. "Es gibt nicht so viele Profisportler im Schwimmen. Sich dann als Transperson in solch eine Extragruppe einzutragen, kommt einem Zwangsouting nahe."
Das sei für diese Aktiven mit Risiken und Nachteilen verbunden, so Geri. "Damit sind dann Transpersonen Menschen zweiter Klasse, die nicht wirklich dazu gehören. Das ist für uns definitiv keine Inklusion, sondern ein ganz großer Schritt in Richtung Ausgrenzung."
Studie: Angst vor Diskriminierung und Ausschluss
Es ist nicht nur der Spitzensport, in dem sich Transgender-Personen nicht aufgenommen oder sogar isoliert fühlen. In einer ersten flächendeckenden europäischen Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln von LGBTQ+- Aktiven im Jahr 2019 gaben 20 Prozent der Befragten an, ihre Sportarten nicht auszuüben - aus Angst vor Diskriminierung, Ausschluss oder negativen Kommentaren. Insbesondere Trans-Personen (56 Prozent), und hier vor allem Transmänner (73 Prozent), fühlten sich aufgrund der Geschlechtsidentität von bestimmten Sportarten ausgeschlossen. Fast alle Befragten waren sich einig: Homo- und Transphobie sind im Sport ein Problem.
Berliner Fußball als Vorreiter
Der Berliner Fußball Verband (BFV) schlug bereits 2019 einen neuen Weg ein, indem er als eine der ersten Sportorganisationen in Deutschland inklusive Regularien aufstellte: Menschen mit dem Geschlechtseintrag "divers" dürfen sich aussuchen, ob sie bei den Männern oder Frauen mitspielen. Zudem sind Trans-Personen schon während der Geschlechtsangleichung für das Team spielberechtigt, für das sie sich entscheiden.
"Man muss unterscheiden. Wir haben Personen, die im Ligabetrieb im Amateurbereich spielen, und solche, die einfach nur so spielen", sagt Michaela Jessica Tschitschke der DW. Sie berät den BFV im Themenbereich Sexuelle Vielfalt. Nach ihren Angaben sind derzeit rund 15 Trans-Personen in den Spielbetrieb auf Berliner Fußballplätzen integriert. "Diese Personen spielen vor allem in Frauen-Mannschaften. Die sind meist offener für transidente [anderes Wort für transgender - Anm. d. Red.] Menschen", sagt Tschitschke. Bei Trans-Männern, die in Männer-Teams mitspielen möchten, funktioniert die Integration nach den Erfahrungen der BFV-Vertrauensperson nicht sehr gut: "Leider hören die meisten dann auch auf. Das ist sehr schade, weil wir diese Menschen häufig lange begleitet haben."
Probleme auf dem Platz
Selbst wenn die Transperson in der eigenen Mannschaft voll integriert sei, gebe es bei den gegnerischen Teams häufig noch Vorurteile, so Tschitschke. "Dann kommt es zu Problemen. Meist geht es leider um den Vorwurf eines Leistungsvorteils, der unterstellt wird." Im Falle von Transmännern, die Testosteron bekommen und weiter in Frauenteams spielen, gebe es sicherlich einen körperlichen Vorteil, sagt Tschitschke. Einen generellen Vorteil könne sie aber nicht feststellen. Als Transfrau hatte sie selbst in einem Berliner Frauen-Team gespielt. Heute ist die 43-Jährige Trainerin in dem Verein.
Im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Fußball Bund (DFB) die Berliner Regelung in seine Spielordnungen übernommen. "Bei manchen Landesverbänden wird das schon umgesetzt. Bei manchen stockt es noch", sagt Tschitschke. Es handele sich zwar insgesamt um eine recht geringe Anzahl an betroffenen Menschen, aber es sei etwas Gutes auf den Weg gebracht worden. "Wir haben schon einiges verändert", findet Tschitschke.