Wie geht der Sport mit Transgender-Athletinnen um?
2. Oktober 2023Die Diskussionen um das Thema Transgender und Sport bewegen Sportler und Verbände der verschiedensten Sportarten schon seit vielen Jahren. In Berlin, beim Schwimm-Weltcup (6. bis 8. Oktober 2023), wurde nun eine ganz neue, offene Kategorie eigens für Transgender-Athletinnen und -Athleten eingeführt. Es sollte Rennen über 50 und 100 Meter in allen Schwimmarten geben. Jedoch gab es bis zum Meldeschluss am 30. September kein Interesse und keine Meldungen, so dass die geplanten Wettbewerbe der offenen Kategorie abgesagt wurden. "Auch wenn es derzeit keine Nachfrage auf Elite-Ebene gibt, plant die Arbeitsgruppe, die Möglichkeit zu prüfen, in Zukunft Wettkämpfe der offenen Kategorie in Masters-Veranstaltungen aufzunehmen", teilte der Schwimm-Weltverband World Aquatics als Begründung mit.
Die Änderungen waren vorgenommen worden, unter anderem auch weil die US-Amerikanerin und Transgender-Frau Lia Thomas im Schwimmsport für Furore gesorgt hat, als sie 2022 den US-College-Titel über 500 Yards Freistil gewann. Ihr Ziel sind die Olympischen Spiele in Paris 2024. "Ich bin eine Frau wie jede andere im Team auch. Ich weiß nicht genau, wie meine Zukunft im Schwimmen aussieht, aber ich würde gerne weitermachen", sagte Thomas. "Ich will schwimmen und an Wettkämpfen teilnehmen, so wie ich bin."
Warum ist das Thema umstritten?
Transfrauen haben trotz einer Hormontherapie, die ihren Körper dem weiblichen Geschlecht angleichen soll, in Sachen Kraft und Ausdauer Vorteile gegenüber anderen Frauen. Denn: Männer haben von Natur aus ein größeres Herz- und Lungenvolumen, mehr Muskelmasse und einen geringeren Körperfettanteil. Das kann auch eine Medikamententherapie nicht ausgleichen, wie eine Studie, die 2020 im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, zeigt. Im Gegenteil: Nach einer Hormonbehandlung mit Testosteron zogen die Transgender-Frauenbei Liegestützen und Laufgeschwindigkeit mit Männern gleich und waren den Frauen überlegen. Diese Überlegenheit besteht laut Studie und trotz Testosteron-unterdrückender Hormonbehandlung mindestens ein Jahr lang, laut anderer Studien sogar noch deutlich länger.
Welche bekannten Fälle gibt es?
Neben Schwimmerin Lia Thomas hat besonders die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard für Aufmerksamkeit gesorgt. Hubbard wurde 1978 als Junge geboren, durchlief die männliche Pubertät und ließ 2012 eine geschlechtsangleichende Operation durchführen. Seitdem startet sie in Frauen-Wettbewerben. 2021 war sie die erste Transgender-Frau, die an Olympischen Spielen teilnahm.
Anders gelagert ist der ebenfalls prominente Fall der südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya . Sie ist nicht transgender, sondern eine intergeschlechtliche Frau. Semenya besitzt - anders als Cis-Frauen, die zwei X-Chromosomen haben - jeweils ein X- und ein Y-Chromosomen, also den männlichen Genotyp [Anm.d.Red.: Zusammensetzung der Gene eines Organismus]. Äußerlich sieht sie jedoch weiblich aus und wurde daher bei ihrer Geburt auch als weiblich eingestuft. Allerdings hat Semenya einen natürlich erhöhten Testosteronspiegel, was zu mehr Muskelmasse, einem höheren Hämoglobinwert im Blut und damit zu einer höheren Leistungsfähigkeit führt.
Welche Regelungen haben einzelne Sportverbände getroffen?
Der Schwimm-Weltverband World Aquatics hat 2022 eine Entscheidung getroffen, nach der Transgender-Schwimmerinnen von den Frauenrennen bei Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ausgeschlossen sind. Ausnahmen sind nur dann gestattet, wenn die Geschlechtsanpassung bereits vor dem zwölften Lebensjahr, also vor der Pubertät, vollzogen wurde. Gleichzeitig verpflichtete sich World Aquatics aber zur Schaffung einer offenen Kategorie für alle Schwimmer.
In der Leichtathletik dürfen Trans-Frauen seit dem 31. März 2023 nicht mehr an Weltranglistenwettkämpfen der Frauen teilnehmen, wenn sie zuvor die männliche Pubertät durchlaufen haben. Das gilt unabhängig vom aktuellen Testosteronspiegel. Die Testosteronkonzentration im Blut ist dagegen für die Startberechtigung sogenannter DSD-Frauen [Disorders of Sex Development] wie Caster Semenya schon länger ausschlaggebend. Das Hormon darf in den 24 Monaten vor dem entsprechenden Wettkampf eine Konzentration von 2,5 nmol/l [Nanomol pro Liter] nicht überschreiten. Semenya wehrte sich gegen eine feste Vorgabe des Testosteronwerts, hatte mit einer Klage gegen Diskriminierung vor Gericht auch Erfolg, hat aber seit 2019 keine Rennen mehr bestritten.
Beim Deutschen Fußball Bund (DFB) sieht die Regelung zum Spielrecht von trans*, inter* und nicht-binären Personen vor, dass "Spieler*innen mit dem Personenstandseintrag 'divers' oder 'ohne Angabe' und Spieler*innen, die ihr Geschlecht angleichen lassen, künftig selbst die Entscheidung treffen können, ob ihnen die Spielberechtigung für ein Frauen- oder Männerteam erteilt werden soll". Das gilt auch für transgeschlechtliche Spielerinnen und Spieler, "solange die sportliche Betätigung während der Einnahme von Medikamenten die Gesundheit der betroffenen Personen nicht beeinträchtigt".
Bei der Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen WTA kann eine Transgender-Frau laut Regelwerk an Wettbewerben teilnehmen, wenn sie erklärt hat, "dass ihre Geschlechtsidentität weiblich ist". Dies müsse allerdings mindestens vier Jahre lang Bestand haben. Zudem müsse sich die Spielerin einer hormonellen Behandlung für den Geschlechtswechsel unterziehen. Zudem ist der Testosteronspiegel entscheidend. In der Regel muss er vor einer Turnierteilnahme mindestens zwölf Monate lang unter 10 nmol/l liegen, in Ausnahmefällen auch länger.
Wie sind die Reaktionen?
Was Tennis angeht, hat die ehemalige Weltklassespielerin Martina Navratilova keinerlei Verständnis dafür, dass Transgender-Athletinnen in Frauen-Wettbewerben antreten. Dazu kommentierte sie mehrfach kritisch auf der Plattform X, ehemals Twitter.
Der Fall von Alicia Rowley, einer als Mann geborenen Tennisspielerin, die bei einem vom US-Tennisverband USTA organisierten Turnier für Frauen über 55 gewann, löste bei Navratilova vor den US-Open in New York eine besonders scharfe Reaktion aus: "Hey, USTA: Frauentennis ist nichts für gescheiterte männliche Sportler, egal wie alt sie sind", schrieb Navratilova.
Auch die Einführung der offenen Kategorie beim Schwimm-Weltcup in Berlin stieß auf massive Kritik: "Uns verwundert es, dass die Schaffung einer Sonderkategorie als Inklusionserfolg verkauft wird", sagte Mara Geri aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD). Transpersonen in eine eigene Kategorie zu "zwingen", sei vielmehr "ein Rückschritt im Kampf für die Akzeptanz und Gleichberechtigung".
Im Fußball gibt es dagegen Zustimmung für die Entscheidungen des DFB in Sachen Transgender. "Damit unterstreicht der DFB seine Bemühungen um Akzeptanz und Teilhabe von LSBTIQ im Fußball. Mit der neuen Regelung kann der Fußball seine Vorbildfunktion unter Beweis stellen", sagte der Grünen-Politiker und Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann.
Der Text wurde am 4. Oktober aktualisiert.