Der neue starke Mann in Thailand
27. Mai 2014Am Montag (26.05.2014) hat Thailands König Bhumibol Adulyadej Armeechef Prayuth Chan-ocha per königlichem Erlass zum neuen Regierungschef ernannt. Prayuth ist nun der Vorsitzende des "Nationalen Rates für Frieden und Ordnung", in dem alle Fäden der Macht zusammenlaufen. Hinter dem heute 60jährigen liegt eine lange militärische Karriere. Er war an allen entscheidenden politischen Ereignissen des Landes seit 2006 beteiligt und gehört damit zu den zentralen Figuren der jahrelangen politischen Krise Thailands.
Prayuth stammt aus der Provinz Nakhon Ratchasima in Nordost-Thailand, wo er 1954 geboren wurde. Er machte seinen Abschluss in der Chulachomklao- Militärakademie, die Offiziere auf ihren Dienst in der thailändischen Armee vorbereitet. Als Vorbild der Akademie gilt die US-amerikanische Militärakademie West Point. Nach seinem Abschluss diente Prayuth im 21. Infanterie-Regiment, der Leibgarde der Königin.
Königstreu
Das erklärt auch, warum viele Beobachter Prayuth eine große Sympathie für die Royalisten und die alten Bangkoker Eliten zuschreiben, denen die Streitkräfte traditionell ohnehin nahestehen. Im Gegensatz zu den meisten Armeen der Welt ist die oberste Aufgabe des thailändischen Militärs nämlich nicht die Landesverteidigung, sondern der Schutz der Monarchie. Nominell ist der thailändische König der Oberkommandierende der Streitkräfte. Die Königstreue Prayuths illustriert ein Ereignis von 2012. Damals hatten Intellektuelle eine Novellierung des umstrittenen Gesetzes zur Majestätsbeleidigung gefordert. Prayuth soll den Initiatoren mit harten Konsequenzen gedroht und ihnen geraten haben, das Land zu verlassen.
Karriere
Die Karrieren im thailändischen Militär entwickeln sich häufig in Abhängigkeit von Netzwerken innerhalb des Militärs. Auf diese Netzwerke haben auch thailändischen Spitzenpolitiker wie der 2006 gestürzte Premier Thaksin Shinawatra einfluss. Zwischen 2001 und 2005 war Thaksin auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der charismatische Milliardär hatte seine Machtbasis in der armen Landbevölkerung. Seine Popularität stellte aus Sicht vieler Militärs und der Königstreuen eine Bedrohung für die Monarchie dar. Auch Prayuth war gegen Thaksin feindlich eingestellt, wie ein Thailandexperte, der namentlich nicht genannt werden möchte, da er sich zurzeit in Thailand aufhält, erklärt. Die Antipathie wurde verstärkt, da während Thaksins Zeit als Premier vor allem Vertraute aus seinem eigenen Jahrgang an der Vorbereitungsschule für die Streitkräfte (AFAPS) in der Armee befördert wurden. Thaksin ging nach der Absolvierung dieser Schule in den Polizeidienst, während Prayuth eine militärische Karriere einschlug. Prayuth, der zwei Jahre später graduiert hatte, fühlte sich durch Thaksins Personalpolitik benachteiligt, wie die thailändische Zeitung "The Nation" berichtet.
Als das Militär 2006 gegen Premierminister Thaksin erfolgreich putschte, sah Prayuth seine Chance. Es war zu jenem Zeitpunkt Kommandierender General der ersten Armeeregion mit Sitz in Bangkok und unterstützte Anupong Paochinda, den Putschführer und ehemaligen Klassenkameraden Thaksins. In der Folge stieg Prayuth in der militärischen Hierarchie schnell weiter auf.
Die Unruhen von 2010
Im jahrelangen Machtkampf der tief gespaltenen thailändischen Gesellschaft kam es 2010 zu schweren Unruhen. Die Anhänger Thaksins gingen zu Tausenden auf die Straße. Das Militär ging mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vor. Mehr als 87 Menschen kamen ums Leben, mehr als 1300 wurden verletzt. Prayuth soll als Stellvertreter Anupongs eine harte Linie bei der Niederschlagung der Proteste befürwortet haben. Im September 2010 wurde Prayuth zum Oberbefehlshaber der thailändischen Streitkräfte ernannt.
Krise und Putsch
In den ersten Monaten der Unruhen von 2013/2014 hielt sich das Militär zurück. Der anonyme Thailandexperte erklärt: "Prayuth hat zu Anfang des Protests viel Ansehen gewonnen, da er dem Militär eine vermittelnde Rolle zugewiesen und die politischen Parteien gedrängt hat, ein Kompromiss auszuhandeln." Das Militär zögerte aus mehreren Gründen, in den Machtkampf einzugreifen. Der Putsch von 2006 hatte gezeigt, dass das Militär die politische Krise des Landes nicht lösen kann. Die Anhänger Thaksins sind außerdem inzwischen besser organisiert, so dass ein Putsch das Risiko eines Bürgerkriegs erhöht. Dennoch ließ Prayuth immer offen, ob das Militär putschen würde. "Die Tür ist weder offen noch geschlossen", sagte er im Dezember 2013.
Am Dienstag (20.05.2014) fiel dann die Entscheidung. Nachdem bei den monatelangen Unruhen insgesamt 28 Menschen ums Leben gekommen waren und ein Ende der Proteste nicht in Sicht war, verhängte das Militär das Kriegsrecht. Die verfeindeten Parteien wurden von Prayuth zu Gesprächen einberufen. Als sich nach zwei Tagen keine Einigung abzeichnete, folgte der Putsch. Damit hätten sich offensichtlich die Hardliner im Königshaus und der Bangkoker Elite durchgesetzt, wie ein anonymer Experte im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt.
Mit dem Segen des Königs hat Prayuth die Zügel jetzt fest in der Hand und wird seine Autorität weiter ausbauen. Die Auflösung aller gewählten Institutionen wie etwa der Übergangsregierung und des Senats, die Außerkraftsetzung der Verfassung, die Pressezensur und die Erklärung des Kriegsrechts lassen keinen Zweifel daran, wer jetzt das Sagen hat.