Der Kampf gegen Corona in Europa
22. November 2021Niederlande - Unruhen sogar im Fußballstadion
Bis zum Wochenende sorgte der SC Cambuur Leeuwarden vor allem für positive Schlagzeilen. Als Aufsteiger hervorragend in die Eredivisie, die erste niederländische Fußball-Liga, gestartet, empfing der Club zum Spitzenspiel den FC Utrecht. Doch dann stürmten einige gewaltbereite Anhänger, die wegen der Corona-Auflagen nicht ins Stadion durften, den Platz und warfen Feuerwerkskörper - das Spiel stand kurz vor dem Abbruch.
Leeuwarden war kein Einzelfall, in Enschede, Groningen, Den Haag und Rotterdam gab es Gewalt und Ausschreitungen bei Protesten gegen Corona-Beschränkungen, bereits die dritte Nacht in Folge. Randalierer bewarfen die Polizei mit Steinen, zündeten Autos an, verwüsteten die Straßen - es gab laut Behördenangaben mehr als 140 Festnahmen.
In den Niederlanden gilt wegen steigender Corona-Infektionszahlen seit einer Woche wieder ein Teil-Lockdown. Die Bürger dürfen sich nur mit maximal vier weiteren Menschen in ihren Wohnungen treffen, Arbeitnehmer sollen möglichst im Homeoffice arbeiten, Geschäfte müssen früher schließen.
Belgien - Gegner der Corona-Maßnahmen kapern Protesthymne
Bella Ciao ist ein italienisches Protestlied, im Zweiten Weltkrieg wurde es zur Hymne der italienischen Partisanen im Kampf gegen Mussolini und Hitler. Das Lied besingt den Mut und Widerstand der Freiheitskämpfer - in Belgien kaperten Gegner der Corona-Maßnahmen, unter ihnen auch Rechtsradikale, den Song - und intonierten Bella Ciao zu Tausenden vor der Zentrale der Europäischen Union in Brüssel.
Auch in der belgischen Hauptstadt eskalierte die Situation : Demonstranten warfen Steine und Rauchbomben, die Polizei antwortete mit Tränengas und Wasserwerfern. In Belgien dürfen Ungeimpfte Bars und Restaurants nicht mehr betreten, Arbeitnehmer sollen, wenn möglich, mindestens vier Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten. Belgien weitet die Impfkampagne zudem auf fünf- bis elfjährige Kinder aus.
Slowakei - aus Feiertag der "Samtenen Revolution" wird Corona-Protesttag
Am 17. November 1989, gut eine Woche nach dem Fall der Berliner Mauer, protestieren in Prag, Hauptstadt der damaligen Tschechoslowakei, Tausende Studenten für mehr Freiheit und das Ende der kommunistischen Herrschaft - der Beginn der sogenannten "Samtenen Revolution". 32 Jahre später ließen Demonstranten am Nationalfeiertag ihren Frust über die Corona-Politik der Regierung freien Lauf und zünden Feuerwerkskörper.
Noch nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung ist vollständig geimpft, und die Regierung setzt jetzt auf einen Lockdown für Ungeimpfte. Wer nicht geimpft oder genesen ist, das halbe Land also, darf weder an Massenveranstaltungen teilnehmen noch Gastronomie, Hotels oder Einkaufszentren besuchen. In den Krankenhäusern stehen nur noch wenige hundert Betten zur Verfügung, der medizinische Notstand droht.
Österreich - FPÖ mobilisiert gegen landesweiten Lockdown
Herbert Kickl ist zwar selbst an COVID-19 erkrankt, das hindert den Chef der rechtspopulistischen FPÖ aber nicht daran, sich an die Spitze der Corona-Protestbewegung zu setzen. "Ab heute ist Österreich eine Diktatur", wetterte Kickl gegen die Entscheidung der Regierung, an diesem Montag den vierten landesweiten Lockdown durchzusetzen.
Drei Wochen lang, bis zum 13. Dezember, greift die Ausgangssperre, für Ungeimpfte sollen die Maßnahmen sogar unbefristet weitergehen. Museen und Kinos haben geschlossen, Menschen dürfen ihr Zuhause nur aus triftigen Gründen verlassen, lediglich die Schulen bleiben geöffnet. Die Eltern entscheiden jedoch, ob sie ihre Kinder zum Unterricht schicken. Die Polizei ist angehalten, die Einhaltung der Vorschriften penibel zu kontrollieren.
Portugal - Militär macht das Land zum Impfchampion
Noch Anfang 2021 kannten nur die wenigsten Portugiesen Henrique Gouveia e Melo. Heute verehrt das ganze Land den 61-jährigen Marineoffizier. Gouveia e Melo ist seit Februar Chef der Impfkampagne, und mit martialischen Worten und in Uniform stimmte er die Bevölkerung auf den Kampf gegen Corona ein. "Es heißt: Wir gegen das Virus. Wollt ihr in unseren Reihen kämpfen? Dann müsst ihr euch impfen lassen!
Der Erfolg gibt ihm recht: 88 Prozent haben in Portugal schon eine erste Impfung bekommen, das Land ist damit Europas Spitzenreiter. Bei den Über-12-Jährigen sind es sogar 98 Prozent. Die Gesundheitsbehörden verschickten aktiv Impftermine per SMS, mindestens drei Einladungen pro Einwohner. Doch auch in Portugal steigen die Inzidenzen wieder leicht an, eine Maskenpflicht im Freien steht deswegen wieder zur Debatte.
Spanien - vielleicht im Frühling das Virus besiegt?
Spanien ist die Corona-Oase, so heißt es zumindest in den spanischen Medien. Regierungschef Pedro Sánchez, der lange wegen seines Corona-Managements in der Kritik stand, setzte noch einen drauf: die Oppositionspolitiker, die "früher so geschrien haben, schweigen jetzt", rief der Sozialist seinen jubelnden Anhängern in der Touristenhochburg Benidorm zu, "vielleicht im Frühling" werde das Virus endgültig besiegt sein.
In Spanien sind 98 Prozent des Krankenhauspersonals vollständig geimpft, etwa 90 Prozent der Altenpflegerinnen und -pfleger. Sie erlebten den dramatischen Beginn der Pandemie am eigenen Leib: die völlig überfüllten Kliniken in Spanien und die Altenheime, in denen reihenweise alte Menschen starben.
Auch die Spanier müssen sich um ihre Booster-Impfung nicht selbst kümmern: Der Terminvorschlag kommt per SMS oder Whatsapp. Weil auch in Spanien die Zahlen wieder langsam steigen, wollen viele Regionen für das Nachtleben den Corona-Pass einführen, das Erfolgsmodell aus Mallorca.