Westafrikas Währung polarisiert
25. Mai 2019Im August 2017 verbrennt der Aktivist Kémi Séba in Dakar, dem Sitz der westafrikanischen Zentralbank, öffentlich einen 5000-Franc-Schein, um gegen die wirtschaftlichen Fesseln der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu protestieren. Im Juni 2018 veröffentlichen zehn Musiker aus sechs westafrikanischen Ländern und Frankreich einen Rap mit dem Titel "7 Minuten gegen den CFA". Und im Januar dieses Jahres flammt die Debatte erneut auf, als der italienische Vizepremier Luigi Di Maio behauptet, Frankreich habe nie aufgehört, Afrika zu kolonialisieren - und als Beleg den CFA-Franc anführt. Junge Afrikaner gratulieren ihm zu seiner Analyse. Wie kommt es, dass eine Währung, die rund 155 Millionen Menschen in 14 Ländern West- und Zentralafrikas täglich benutzen, so polarisiert?
Eine Abkürzung, viele Konnotationen
"60 Jahre nach der Unabhängigkeit fordert die afrikanische Jugend, dass sich ihre Länder emanzipieren", sagt der togolesische Ökonom Kako Nubukpo im Gespräch mit der DW. Es sei ein Zeichen für eine gute demokratische Gesundheit, dass sich die afrikanischen Zivilgesellschaften mit diesem Thema befassten. Nubukpo ist selbst ein eingefleischter Gegner des CFA-Franc. "Ich verstehe die große Leidenschaft für dieses Thema", sagt er, "denn bereits der Name der Währung verweist auf den Franc der afrikanischen Kolonien."
Der ivorische Präsident Alassane Ouattara, selbst ein Ökonom, kontert: "Wenn es der Begriff 'CFA-Franc' ist, der uns stört, dann sollten wir ihn ändern." Tatsächlich hat sich die Bezeichnung der Währung im Spiegel der Zeit mehrmals geändert - doch die Abkürzung ist geblieben. Bei der Einführung standen die drei Buchstaben noch für die "colonies françaises d'Afrique" - die französischen Kolonien Afrikas, die mit einem festen Wechselkurs an den Franc gebunden wurden. Die Idee dahinter: Durch gegenseitig austauschbare Währungen sollten die internationalen Handelsbeziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Gang kommen. 1958, nach Aufkommen der Unabhängigkeitsbewegungen in Marokko und Algerien, gab sich Frankreich eine neue Verfassung. In der "Fünften Republik" wurden Frankreich und seine Kolonien zu einer Gemeinschaft erklärt, der "Communauté française d'Afrique". Der CFA-Franc wurde zur Währung für diese "Französische Gemeinschaft Afrikas".
Heute bezeichnet der CFA-Franc zwei Währungen, die mit gleichem Wechselkurs an den Euro gebunden sind. In Westafrika steht CFA für die "Communauté financière d'Afrique", die "Afrikanische Währungsgemeinschaft"; in Zentralafrika wird die Abkürzung mit "Coopération financière en Afrique centrale" - "Zentralafrikanische Währungskooperation" - aufgelöst.
Zwischen Selbstbestimmung und Stabilität
Seit 1960 die meisten französischen Kolonien unabhängig wurden, hat es immer wieder Kritik am "ideologischen" Charakter der Währung gegeben: Afrikanischen Staaten würde eine echte Währungsmacht vorenthalten. Guinea trat im gleichen Jahr aus, Mali folgte 1962, 1973 dann Madagaskar und Mauretanien. Bald darauf befanden sich diese Länder jedoch in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Der Austritt hatte für Madagaskar und auch für Mauretanien eine Abwertung der eigenen Währung über Jahre hinweg zur Folge. Mali trat dem System 1984 wieder bei. Mit Äquatorialguinea und Guinea-Bissau schlossen sich später sogar ehemalige spanische und portugiesische Kolonien an - ein Zeichen, dass die Währungsunion bei aller Kritik eben auch für Stabilität steht.
Afrikas Geld auf Frankreichs Konten
Im Mittelpunkt der Kritik steht die Regelung, dass mindestens 50 Prozent der Währungsreserven bei der französischen Notenbank hinterlegt sein müssen. Das sind derzeit rund zehn Milliarden Euro. Im Gegenzug garantiert Frankreich die Umtauschbarkeit des CFA in jede andere Währung. Ein Profitgeschäft für Frankreich, sagen Kritiker. Aber ist das wirklich so? Der senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla gibt zu, es nicht zu wissen. Es sei aber durchaus möglich, dass das französische Finanzministerium das Geld anlege und damit Gewinne erziele, sagt er im Gespräch mit der DW. Gewinne, die eventuell höher lägen als die 0,7 Prozent Zinsen - aktuell also 70 Millionen Euro -, die Paris jährlich an die beiden afrikanischen Zentralbanken auszahlt.
Viel wichtiger, als über einen Gewinn Frankreichs zu spekulieren, sei allerdings die Frage der Verfügbarkeit des Geldes, sagt Sylla, der für die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet. Denn den afrikanischen Ländern fehle damit ein wichtiges wirtschaftspolitisches Machtinstrument. Auf Nachfrage dementiert das französische Finanzministerium den Vorwurf, mit den Devisen Gewinne zu erzielen. Im Gegenteil, der Deal sei gewinnbringend für die afrikanischen Zentralbanken: Auf heutige Bank-an-Bank-Kredite fiele normalerweise ein Negativzins von -0,4 Prozent an. Außerdem könnten die Devisen jederzeit abgehoben werden.
Der malische Ökonom Cheickna Bounajim Cissé meint in einem Interview mit der DW, die Frage der in Frankreich deponierten Devisenreserven müsse entmystifiziert werden. Zwar hält er es für wirtschaftlichen Unsinn, 50 Prozent der Währungsreserven zu hinterlegen. Aber die Westafrikanische Zentralbank verfüge in zehn Ländern über insgesamt 32 Konten, die auf acht Währungen ausgestellt seien. Dennoch richte sich die Aufmerksamkeit der Kritiker ausschließlich auf das in Paris eröffnete Konto.
Niedrige Inflation, aber keine Kredite?
Auch die Kopplung an den Euro ist umstritten. Denn zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Mitteln eines Staats gehört es, Einfluss auf den Wechselkurs nehmen zu können - also etwa die Währung abwerten zu können, um Exporte anzukurbeln. Die Länder des CFA-Franc können ihren Wechselkurs hingegen nicht eigenständig ändern. Kritiker bemängeln, eine überbewertete, also künstlich stark gehaltene Währung behindere Exporte und begünstige so die Importe von Fertigprodukten - was in der Folge die Industrialisierung hemmen würde. Afrika werde so stärker als ohnehin schon auf eine Wirtschaft festgelegt, die sich auf Rohstoffexporte stütze.
Die Befürworter der Kopplung führen die Geldwertstabilität ins Feld und verweisen auf niedrige Inflationsraten von unter 2% für die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion. Damit könnten Investoren angezogen werden. Im Falle einer eigenen Währung müsse man mit einer Inflation von rund 15 Prozent rechnen. Aber für den Togoer Kako Nubukpo kommt diese Stabilität nur einer afrikanischen Elite zugute, während der Agrarsektor, der 70% der Bevölkerung versorge, aufgrund der hohen Zinssätze der Banken nicht in der Lage sei, sich selbst zu finanzieren.
Aus der westafrikanischen Zentralbank heißt es, es gebe keine Vorzugsbehandlung bei der Kreditvergabe - entscheidend sei zuerst die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers. In der Tat zeigt eine Analyse der Statistiken der Weltbank, dass mindestens die Hälfte der Kredite für Privatunternehmen innerhalb der CFA-Franc-Zone vergeben werden. Diese Zahlen können allerdings eine harte Realität für Kleinunternehmer verbergen. Während es einigen Wirtschaftsakteuren gelingt, Finanzierungen zu Zinssätzen von sechs bis acht Prozent zu erhalten, ist es nicht ungewöhnlich, dass die Kreditzinsen Spitzenwerte zwischen 12 und 15 Prozent erreichen. Denn zahlungsfähige Großunternehmen können bessere Zinssätze aushandeln als ein Landwirt, der einen Traktor kaufen oder eine Halle bauen möchte, um seine Waren zu lagern - der Bank aber keine Sicherheiten bieten kann.
Eine neue Währung in Sicht?
Lange schon steht die Idee im Raum, diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit der Schaffung einer neuen Gemeinschaftswährung beizukommen. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS plant schon seit 1987 die Einrichtung einer eigenen Währungsunion. Seit Dezember nähmen diese Pläne Gestalt an, berichtet Florian Karner von der Konrad Adenauer Stiftung in Abidjan: "Da ist man mittlerweile soweit, dass man sich ganz praktischen Dingen hingibt und Ideen erarbeitet zum Design und zur Grafik", sagt Karner im Gespräch mit der DW. Die ECOWAS wende sich zwar nicht dezidiert gegen den CFA-Franc. "Aber wenn dort eine neue Währung einführt wird, dann ist das gleichzeitig der Abschied vom CFA-Franc."
Erst Ende April bekräftige Guineas Präsident Alpha Condé auf einem Staatsbesuch in der Elfenbeinküste seine Unterstützung für dieses Vorhaben. Die ivorische Tageszeitung "L'Inter" zitiert ihn mit den Worten: "Ich bin Anhänger einer regionalen Währung. 2020 werden wir in den Ländern der ECOWAS eine einheitliche Währung haben. Ganz gleich, ob dort Englisch, Portugiesisch oder Französisch gesprochen wird. Wir arbeiten in diese Richtung und der CFA Franc wird sich überlebt haben." Sein damaliger Gastgeber und Amtskollege Alassane Ouattara hingegen hält nichts von diesen Vorschlägen. Er ist ein hartnäckiger Verteidiger des CFA-Franc.
Florian Karner hält die Diskussion um den CFA-Franc und mögliche Alternativen für stark politisiert. Es stecke sehr viel Symbolik dahinter. "Wenn das Ziel eine ernsthafte wirtschaftliche Integration ist, dann ist für mich eine neue Währung der dritte Schritt vor dem ersten." Wichtig sei zunächst eine Harmonisierung der nationalen Entwicklungspläne und die Einhaltung der selbst gesteckten Regeln.