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Erwartungen an deutsche Außenpolitik

Wolfgang Dick6. Juli 2014

Der Plan, Drohnen für die Bundeswehr anzuschaffen, hat die Debatte über Deutschlands außenpolitisches Engagement wieder angefacht. Eine Umfrage offenbart die Wünsche der Bundesbürger.

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Menschen vor dem Reichstag - Foto: Matthias Tödt (dpa)
Bild: picture alliance / zb

Der Bundespräsident fordert mehr Engagement: Joachim Gauck plädiert dafür, dass Deutschland seine gestiegene politische und wirtschaftliche Bedeutung anerkennen und entsprechend mehr außenpolitische Verantwortung übernehmen soll.

Die Bundesregierung scheint diesem Wunsch des deutschen Staatsoberhauptes bereits nachzukommen: Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier bemühen sich um eine friedliche Lösung der Situation im Osten der Ukraine. Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen möchte gerne Drohnen anschaffen, die auch bewaffnet werden können. Die unbemannten Flugzeuge sollen bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr die deutschen Soldaten unterstützen.

Soll Deutschland tatsächlich auf der internationalen Bühne stärker aktiv werden? Die Meinung der Bundesbürger war dazu bislang wenig gefragt. Und da es keine deutschlandweiten Volksentscheide gibt, ist die Bevölkerung an diesen grundlegenden Weichenstellungen auch nicht direkt beteiligt. Aber was denken die Deutschen? Welche Ziele und Aufgaben soll die deutsche Außenpolitik verfolgen?

Meinungen im Wandel der Zeit

Zu diesen Fragen hat die Körber-Stiftung im Mai bei TNS Infratest eine repräsentative Umfrage unter 1000 Personen ab 18 Jahren in Auftrag gegeben. Bereits vor 20 Jahren fand schon einmal ein solcher Stimmungstest zur Außenpolitik statt, so dass sich interessante Vergleiche ergeben. Die Körber-Stiftung gilt in Deutschland mit ihrem Engagement für eine verantwortungsbewusste Gesellschaft als eine der führenden Institutionen. Sie wurde 1959 von dem Hamburger Unternehmer Kurt A. Körber gegründet.

Infografik Verantwortung bei internationalen Krisen - DW Grafik

"Eine große Überraschung für uns war der Stimmungsumschwung in der Bevölkerung", sagt Thomas Paulsen, der Leiter des Bereichs Internationale Politik in der Körber-Stiftung. Es gebe aber eine Erklärung dafür, warum 1994 immerhin 62 Prozent der Bürger meinten, Deutschland solle sich stärker engagieren, während sich 2014 eine Mehrheit der Deutschen eher für Zurückhaltung einsetzt.

"1994 sahen die Menschen jeden Tag in den Nachrichten fürchterliche Bilder von den Auseinandersetzungen auf dem Balkan. Heute steht die deutsche Bevölkerung unter dem Eindruck des Einsatzes in Afghanistan mit einer fragwürdigen Erfolgsbilanz", erklärt Thomas Paulsen den Sinneswandel.

Die wichtigsten Ziele

Wichtigste Aufgabe deutscher Außenpolitik ist für die Deutschen - laut Umfrage - der weltweite Schutz der Menschenrechte. Ansonsten sehen 51 Prozent der Befragten in allen Alters- und Bildungsschichten und unabhängig von Parteipräferenzen die Sicherung des "Friedens in der Welt" als wichtigstes Ziel. Um die Sicherheit von Verbündeten machen sich die Bürger dabei weniger Gedanken, als es in öffentlichen Äußerungen von Politikern zur Bündnistreue immer wieder beschworen wird.

Infografik Prioritäten deutscher Außenpolitik - DW Grafik

Eine Außenpolitik, die sich an wirtschaftlichen Interessen ausrichtet, lehnen Bundesbürger heute eher ab. Das Thema "Sicherung von Arbeitsplätzen" rangiert in der außenpolitischen Zielvorstellung der Bevölkerung weit unten. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler bekannte vor gut vier Jahren in einem Interview offenherzig, dass es bei den Einsätzen der Bundeswehr auch um deutsche ökonomische Ziele gehe. Die anschließende Kritik fiel heftig aus. Köhler entschloss sich, zurückzutreten.

1994 wäre Köhler mit seiner Aussage vermutlich auf mehr Verständnis gestoßen. Damals hielt noch mehr als die Hälfte der Deutschen den Arbeitsplatz-Aspekt bei der Außenpolitik für wichtig - jetzt ist es weniger als ein Viertel. Thomas Paulsen von der Körber-Stiftung begründet die in den Jahren 1994 und 2014 so unterschiedliche Meinung an diesem Punkt vor allem damit, dass Deutschland vor zwanzig Jahren unter einer der größten Rezessionen in der Geschichte der Bundesrepublik zu leiden hatte.

Heute sehe man angesichts der guten Konjunktur in Deutschland weniger Anlass für eine wirtschaftliche Orientierung deutscher Außenpolitik. In jedem Fall werden zivile Möglichkeiten beim außenpolitischen Engagement von den Befragten bevorzugt. Humanitäre Hilfe und diplomatische Verhandlungen erhalten viel Rückendeckung in der Bevölkerung, während militärische Einsätze überwiegend abgelehnt werden.

Engagement in Europa bevorzugt

Aufschlussreich ist die aktuelle Meinung der Bundesbürger, mit welchen Ländern enger und mit welchen eher weniger zusammengearbeitet werden sollte. "Es stehen ganz klar die europäischen Nachbarländer Deutschlands im Vordergrund", stellt Paulsen anhand der Umfrageergebnisse fest. Dass China sogar noch den USA vorgezogen wird, sei der gestiegenen Bedeutung des asiatischen Landes geschuldet. China ist Deutschlands drittgrößter Handelspartner - noch vor den USA.

Infografik Prioritäten deutscher Außenpolitik Internationale Zusammenarbeit - DW Grafik

Gespalten sind die Meinungen bei der Kooperation mit Russland. 53 Prozent der Befragten befürworten eine engere Zusammenarbeit, 41 Prozent wollen das genaue Gegenteil. Trotz der Ukraine-Krise und der Verwicklung Russlands darin sieht man in der Körber-Stiftung keinen Anlass, an eine größere Distanzierung der Deutschen von Russland zu glauben: "Seit vielen Jahren sehen wir eine starke Affinität der Deutschen zu Russland, die kurzfristig nicht zerstört werden kann. Das beruht im Übrigen auf Gegenseitigkeit."

Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass mit nahezu gleichen Anteilen die Zusammenarbeit mit Russland und den Vereinigten Staaten befürwortet wird. Erwartet wurde eigentlich eine höhere Zustimmung der Bundesbürger zum klassischen transatlantischen Partner USA. "Hier haben zum einen der latente Antiamerikanismus und zum anderen das negative Image der USA nach dem Irak-Krieg und der NSA-Affäre Spuren hinterlassen," so Thomas Paulsen.

Überraschendes Ergebnis der Umfrage ist die starke Ablehnung einer engeren Zusammenarbeit mit der Türkei. Dazu habe vor allem das als antidemokratisch empfundene Verhalten der Regierung Erdogan beigetragen.