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PolitikAsien

Decoding China: Auf dem Weg zur Militärgroßmacht im Pazifik

Dang Yuan
11. März 2024

China will die Marine modernisieren. Zwei Flugzeugträger mit Nuklearantrieb sollen gebaut werden. Zur Abschreckung der Nachbarstaaten - aber auch, um international die US-Militärpräsenz zu verdrängen.

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China | Flugzeugträger "Shandong"
Flugzeugträger "Shandong" mit der Rumpfnummer 17Bild: Li Gang/Xinhua/picture alliance

Um die Insel Taiwan droht ein Krieg. Die Volksrepublik China will eine Wiedervereinigung mit der aus ihrer Sicht abtrünnigen Provinz, notfalls auch mit Waffengewalt. Beim Volkskongress bekräftigte Chinas Premier Li Qiang in seinem Rechenschaftsbericht den festen Willen Pekings, "entschlossen die Sache der Wiedervereinigung Chinas" voranzutreiben. Das sei Bestandteil der "Gesamtstrategie" der Regierung. Die Aussage an sich ist nicht neu. Allerdings fehlte das Wort "friedlich" vor "Wiedervereinigung", das in den Formulierungen der vergangenen Jahre noch enthalten war.

China Li Qiang bei seiner Rede vor dem Nationalen Volkskongress
Chinas Premier Li Qiang beim Nationalen VolkskongressBild: Florence Lo/REUTERS

Nach Pekings Lesart liegt die potenzielle Bedrohung darin, dass die Republik China, wie sich Taiwan offiziell nennt, Sicherheitsgarantien durch die USA erhält. Fünf US-Flugzeugträger seien derzeit im Pazifik, berichten US-amerikanische Medien. Politiker in China sprechen jüngst gerne von "Frieden und Sicherheit auf beiden Uferseiten". Allmählich sind viele Experten davon überzeugt, dass es dabei nicht mehr allein um die Meerenge von Taiwan geht, sondern um den großen Teich Pazifik. 

Um die beanspruchten Gewässer wirklich kontrollieren zu können, baut Peking seine derzeit noch schwächelnde Marine kräftig aus. Der südlichste Punkt im Südchinesischen Meer liegt rund 2000 Kilometer weit vom Festland entfernt. Peking will seinen Aktionsradius noch darüber hinaus erweitern - mit seinen Flugzeugträgern.

Zwei Flugzeugträger im Dienst, zwei weitere im Bau 

Zwei Flugzeugträger sind derzeit in der chinesischen Marine im Dienst. Den ersten - "Liaoning" (Rumpfnummer 16), benannt nach der Provinz im Nordosten, in der das Kriegsschiff umgebaut wurde - erwarb China 1998 von der Ukraine über einen Mittelsmann aus Macau für 20 Millionen US-Dollar. Der Geschäftsmann hatte zunächst behauptet, ein schwimmendes Hotel und Casino bauen zu wollen. 2012 wurde die "Liaoning" nach dem Umbau zum Flugzeugträger der Marine übergeben. 

Der zweite - "Shandong" (Rumpfnummer 17) - hat als Namensgeber ebenfalls eine Küstenprovinz Chinas. Das Schiff ist mit geringen Modifikationen eine im Land selbst produzierte Kopie der "Liaoning" und kreuzt seit 2019 überwiegend im Südchinesischen Meer. 

Die "Fujian" (Rumpfnummer 18) liegt derzeit noch in einer Werft in Shanghai auf Kiel. Sie hat - wie die beiden Vorgänger - konventionellen Antrieb. Der Träger soll voraussichtlich 2025 in Dienst gestellt werden. 

 Fujian-Flugzeugträger der chinesischen Marine
Chinas Flugzeugträger "Fujian" im BauBild: Li Gang/Xinhua/AP/picture alliance

Spekulationen zufolge ist neben der "Fujian" noch ein vierter Flugzeugträger im Bau. "Mir sind keine technischen Schwierigkeiten beim vierten Flugzeugträger bekannt", bestätigt Admiral Yuan Huazhi indirekt die Gerüchte am Rande des Nationalen Volkskongresses gegenüber einer Reporterin aus Hongkong. Die Frage, ob der Träger bereits mit einem Nuklearantrieb ausgestattet sein wird, beantwortete der ranghöchste Politikoffizier der chinesischen Marine ausweichend: "Wir werden die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit schon informieren." Die mutmaßliche Schiffskennung 19 bleibt in der amtlichen Presse allerdings noch unerwähnt.

Noch zwei Flugzeugträger mit Nuklearantrieb?

Vor Beginn des Volkskongresses berichteten Medien in Hongkong und Taiwan übereinstimmend, dass noch zwei weitere nukleargetriebene Flugzeugträger mit den Rumpfnummern 20 und 21 auf Kiel gelegt worden seien - zeitgleich in zwei Bauwerften. Jeder habe zwei Thorium-Flüssigsalz-Reaktoren, die durch Kernspaltung Energie erzeugen, hieß es. 

"China will deutlich seine starken Ambitionen zeigen, seine Gewässer mit einer modernen Marine zu verteidigen", sagt Wang Feng, Herausgeber der chinesischsprachigen Zeitung "China Times" in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Das sei nach einer Reihe von tödlichen maritimen Zwischenfällen mit den Nachbarländern eine wirkungsvolle Abschreckungstaktik. 

Admiral Yuan bleibt dabei auf dem offiziellen Kurs: "Wir bauen Flugzeugträger, nicht um uns mit den USA zu vergleichen; und schon gar nicht, um mit den USA Kriege zu führen. Wir wollen mit ihnen unsere Souveränität und die territoriale Integrität verteidigen." 

Die Regierungsbank im chinesischen Parlament, dem Nationalen Volkskongress, ist im Gegensatz zu manchen westlichen Demokratien kein heißer Stuhl, sondern ein bequemer Sitzplatz. Kritische Fragen werden nicht gestellt. Der Regierungskurs und die komplette Staatsführung werden von knapp 3000 Delegierten applaudiert und bejubelt. Und hier, in der Großen Halle des Volks, zeigt sich überdeutlich die starke Ambition Chinas, eine regionale Militärsupermacht zu werden. 

Taiwan Verteidigungsministerium Überwachung
Taiwans Küstenwache beobachtet die Marine der Volksrepublik in den Gewässern vor der Insel Bild: ROC/ZUMA Wire/IMAGO

Steigende Militärausgaben

2024 steigen die absoluten Militärausgaben Chinas um 7,2 Prozent; im Vergleich zum Vorjahr auf umgerechnet 215,5 Milliarden Euro. Und wenn die Wirtschaft im laufenden Jahr das Wachstum von fünf Prozent erreichen sollte, würde der Rüstungsposten im Haushalt 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Laut dem Stockholmer Friedensinstitut SIPRI belegt China bei den Rüstungsausgaben damit weltweit Platz zwei direkt hinter den USA. 

Allem voran wird die Marine kräftig ausgebaut. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hätten sich die Militärtechnologien drastisch verändert, sagt Charles Martin-Shields vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Mit Flugzeugträgern, die atomar betrieben werden, "braucht eine moderne Marine keine Inselketten als Versorgungsstützpunkte zum Nachtanken mehr, um den riesigen Pazifik zu kontrollieren".

Besorgnis über Chinas Manöver

Ein Anlass für zunehmende militärische Spannungen ist, so glauben Experten, dass der gewählte chinakritische William Lai Ching-te im Mai das Präsidialamt in Taipeh übernehmen wird. "Grundsätzlich ist weder China noch die USA an einer militärischen Auseinandersetzung interessiert", schränkt Hanna Gers von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ein. "Ich persönlich halte Wirtschaftsblockaden für wahrscheinlicher. Aber ich weiß auch, dass hier über alle möglichen Szenarien gesprochen wird." 

Noch kreuzen die chinesischen Flugzeugträger in eigenen Gewässern. Aber Admiral Yuan deutet schon an, dass die chinesische Marine demnächst auch weit entfernte Ziele ansteuern könnte. "Dafür werden Flugzeugträger gebaut."

Ein möglicher Testfall wäre die Krise in Nahost. Seitdem die Huthi-Miliz im Jemen zivile Schiff im Roten Meer angreift, ist dort die Handelsschifffahrt eingeschränkt. "Die Handelsrouten durch das Rote Meer sind für die Energieversorgung Chinas von strategischer Bedeutung", sagt Herausgeber Wang. Noch sei die Volksbereitungsarmee aber nicht in der Lage, defensive Operationen zur maritimen Sicherheit durchzuführen. Ein weiteres Argument dafür, die Marine aufzurüsten: "Es geht schließlich um die Staatssicherheit." 

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.