Das Stehauf-Männchen
3. Juli 2004Man kann sich diesen adrett gekleideten Mann mit den Pausbäckchen und dem ordentlichen Seitenscheitel schlecht als impulsiven Revoluzzer vorstellen. Doch José Manuel Durão Barrosos erste politische Gehversuche standen im Zeichen des Kommunismus. "Verband der marxistisch-leninistischen Studenten" hieß die Plattform, auf der sich der damalige Jurastudent in Lissabon engagierte.
Kommunismus-Intermezzo
Doch langhaarige Marx-Jünger und Kommune-Anhänger müssen den Jungen aus bescheidenen Verhältnissen relativ schnell abgeschreckt haben. Nach seinem kurzen Kommunismus-Intermezzo fand Durão Barroso wieder zur politischen Mitte zurück. Er trat der eher konservativen PSD (Partido Social Democrata) bei und entschied sich für den geregelten Aufstieg auf der Karriereleiter. Universitätsabschlüsse in der Schweiz und den USA mit Auszeichnungen und Lehrtätigkeiten an internationalen Kaderschmieden folgten.
Der Junge aus der armen Nordostregion Trás-os-Montes wurde mit 29 Jahren Parlamentsabgeordneter, mit 30 Staatssekretär und mit 36 Jahren portugiesischer Außenminister. Wo Gleichaltrige gerade ihre Laufbahn begannen, saß er schon am internationalen Verhandlungstisch und prägte die Zukunft Angolas und Osttimors mit.
Bitterer Rückschlag
Seine Bilderbuch-Karriere bekam einen scheinbaren Bruch, als seine Partei Mitte der 1990er-Jahre abgewählt wurde. Als er auch noch bei seinem Versuch, Parteichef der PSD zu werden, scheiterte, hatten viele seiner Kollegen ihn auf dem Friedhof der Politik begraben. "Vergesst ihn" oder "Der kommt nie wieder" war in den damaligen Zeitungen zu lesen.
Doch Durão Barroso kam wieder. Seine Stunde schlug bei der vorgezogenen Parlamentswahl 2002. Trotz Unkenrufen gewann er die Wahl und bildete aller Kritik zum Trotz seine Koalition mit der rechtskonservativen europakritischen Volkspartei. Angetreten war er mit dem Ziel, Portugal mit einer neoliberalen Politik aus der Krise zu führen.
Doch davon ist bisher trotz größter politischer Anstrengung und zahlreicher Reformen wenig zu spüren. Deshalb ist die Begeisterung für den 48-Jährigen im Land geringer als im restlichen Europa. Bei den jüngsten Wahlen zum Europaparlament feierten die oppositionellen Sozialisten in Portugal (PS) mit über 44 Prozent der Stimmen den größten Sieg ihrer Geschichte. Ein bitterer Rückschlag für den erfolgsverwöhnten Barroso und ein Grund mehr, endgültig auf die europäische Politbühne zu wechseln.
Überwältigende Mehrheit
Charisma gehört nicht zu den hervorragenden Eigenschaften Durão Barroso. Er ist nicht der stets lächelnde, eloquente Medienmensch, sondern der emsige Arbeiter. Kein Mann der großen Gesten, eher der hartnäckige Diplomat. Er steht im rechten Flügel einer sozialdemokratischen Partei und symbolisiert Werte wie Understatement und Beständigkeit.
Das sei ein Grund, warum er eine "überwältigende Mehrheit" hinter sich habe, so der EU-Ratsvorsitzende Bertie Ahern. Tatsächlich kann sich Durão Barroso sowohl der Zustimmung der stärksten Fraktion im Europaparlament, der konservativen EVP, als auch der Sozialdemokraten sicher sein. Unlängst haben Schröder und Chirac ihre Zustimmung für den portugiesischen Politiker kund getan.
Dezentes Selbstbewusstsein
Ein kleines Wunder, wie viele EU-Kenner behaupten. Denn Durão Barroso gehörte zu jenen Politikern, die den Irak-Krieg unterstützten. Ausgerechnet auf den portugiesischen Azoren wurde im März 2003 der Krieg endgültig besiegelt. Medienwirksam drängten sich Bush, Blair und Aznar ins Rampenlicht und machten ihre Konterfeis zum Inbegriff der Kriegsallianz. Der Gastgeber Jose Manuel Durão Barroso hielt sich im Hintergrund bedeckt.
So wie jüngst auch wieder: Kurz vor dem Anpfiff des EM-Spiels zwischen Portugal und England nach dem Ausgang befragt, sagte Barroso selbstbewusst, aber dezent: "Wir sind schon ziemlich gut." Er sollte recht behalten. Die portugiesische Nationalmannschaft gewann gegen den Favouriten England und zog ins Viertelfinale ein. In Durão Barrosos Fall wird es keinen heißen Kampf wie auf dem Fussballplatz geben. Er wird seinen Weg an die Spitze der Brüsseler Behörde schon gehen - mit Nachdruck, aber ohne viel Aufhebens.