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Das Comeback des IWF

Jan Philipp Wilhelm
14. September 2018

Der Internationale Währungsfonds ist zurück in Afrika. Drohen soziale Kahlschläge wie vor 30 Jahren? Experten sagen, der IWF hat aus Fehlern gelernt. Das eigentliche Problem wird er wohl trotzdem nicht lösen.

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USA IWF Haupteingang
Der IWF hat eine lange und umstrittene Vergangenheit in AfrikaBild: picture-alliance/dpa/J. Lo Scalzo

In Afrika erlebt derzeit eine Organisation ihr Comeback, mit der viele Bewohner des Kontinents wohl gerne nie wieder zu tun gehabt hätten: der Internationale Währungsfonds (IWF). Der Grund: Der Schuldenstand einiger afrikanischer Länder ist in den vergangenen Jahren derart angestiegen, dass vielerorts der Staatsbankrott droht.

Zuletzt hatte sich das Ölland Angola Ende August an die Organisation in Washington gewandt. Neben Hilfskrediten hofft Präsident João Lourenço auch auf Unterstützung bei der Umsetzung von Wirtschaftsreformen. Neun weitere afrikanische Länder nehmen aktuell IWF-Gelder in Anspruch, darunter Mosambik, Ghana und die Republik Kongo. Insgesamt beliefen sich die IWF-Programme in Afrika Ende 2017 auf 7,2 Milliarden US-Dollar - viermal so viel wie 2014.

Das verstärkte Engagement des IWF weckt Erinnerungen an die letzte schwere Schuldenkrise Afrikas in den 1980er- und 90er-Jahren. Auch damals drohte einigen Ländern die Zahlungsunfähigkeit, der IWF half mit Notkrediten aus. Doch die Kredite kamen mit strengen Auflagen: Der IWF und seine Schwesterorganisation Weltbank forderten im Gegenzug harte wirtschaftliche und politische Reformen von den Hilfsempfängern.

Berlin: Staatsbesuch Steinmeier und Joao Lourenco Präsident Angola
Angolas neuer Präsident João Lourenço, hier mit Bundespräsident Steinmeier, will IWF-Hilfen in Anspruch nehmenBild: DW/Cristiane Teixeira

Strukturreformen mit wenig Erfolg

Das als "Konsens von Washington" bekannt gewordene Reformpaket beinhaltete etwa den Abbau von Subventionen für Landwirtschaft und Industrie, Steuersenkungen, die Privatisierung von Staatsbetrieben und eine Politik des freien Handels. Doch statt wie erwartet für einen Wirtschaftsaufschwung zu sorgen, verschlimmerten die Reformen die wirtschaftlichen Probleme der Empfängerländer oft noch weiter.

"Unter dem Strich waren die Anpassungsprogramme nicht sehr erfolgreich", resümiert Rainer Thiele, Afrikaexperte am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Zwar hätten die meisten Länder kurzfristig ihre Zahlungsschwierigkeiten in den Griff bekommen, erklärt Thiele im DW-Interview. Doch sei es den Ländern nicht gelungen, anschließend auf "den langfristigen Wachstumspfad" zu kommen.

Inzwischen kritisieren auch IWF-Ökonomen selbst die Methoden ihrer Organisation. In einem 2016 veröffentlichten Aufsatz in der hauseigenen Fachzeitschrift bemängelten die Autoren, dass zumindest Teile der aufgezwungenen Reformen in der Vergangenheit zu mehr Ungleichheit geführt und dadurch Wirtschaftswachstum behindert hätten.

Angola: Ölförderung vor der angolanischen Küste
Viele afrikanische Länder sind vom Rohstoffexport abhängigBild: Getty Images/AFP/M. Bureau

China eröffnet finanziellen Spielraum

Tatsächlich müsse man dem IWF auch eine Lernerfahrung zugestehen, sagt Rainer Thiele. So würde beim Umgang mit Empfängerstaaten mittlerweile auf Themen wie gute Regierungsführung und soziale Belange erheblich mehr Gewicht gelegt als früher. Zudem gebe es Indizien, dass die Bedingungen für Kredite weniger streng geworden seien.

Ein möglicher Grund für diesen Sinneswandel: IWF und Weltbank sind längst nicht mehr die einzigen potentiellen Geldgeber für afrikanische Regierungen. Einige Staaten können sich mittlerweile an den regulären Kapitalmärkten mit Geld versorgen. Und vor allem der Aufstieg eines Großinvestors hat die finanziellen Verhältnisse in Afrika neu geordnet: China. 

"Die Ankunft von China hat afrikanischen Ländern neue finanzielle Möglichkeiten verschafft", sagt der senegalesische Wirtschaftswissenschaftler Ndongo Sylla im DW-Gespräch. Denn China wolle für seine Kredite keine politischen und wirtschaftlichen Reformen, sondern vor allem Rohstoffe und Märkte. Afrikanische Länder könnten so dem "Zugriff von IWF und Weltbank" zumindest zeitweise entkommen.

Experte: "Wurzeln des Schuldenproblems bekämpfen"

Doch für Sylla, der als Programmmanager bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar arbeitet, ändert Chinas Zahlungsbereitschaft nichts am eigentlichen Problem. Das nämlich sei die Spezialisierung afrikanischer Wirtschaften auf natürliche Ressourcen. "Afrikanische Länder sind verschuldet, weil sie hauptsächlich Rohstoffe exportieren und alles andere importieren", sagt Sylla.

Christine Lagarde in Marokko
Christine Lagarde: Die Chefin des IWF verspricht, afrikanische Staaten in Notsituationen zu unterstützenBild: Getty Images/AFP

Wie schon in den 80er- und 90er-Jahren sei auch die aktuelle Krise darauf zurückzuführen, dass die Preise für Rohstoffe wie Öl, Kakao oder Diamanten gefallen und die Zinsen für Auslandskredite gestiegen seien. Wolle man das Schuldenproblem ernsthaft angehen, müsse man Afrika die Möglichkeit geben, seine Landwirtschaft und Industrie in Ruhe zu entwickeln, so Sylla. "Das bedeutet aber auch, dass Afrika die Freihandelsagenda von IWF, Welthandelsorganisation und der Europäischen Kommission ablehnen muss."

Dass chinesische Kredite auf Basis von Rohstoffkonzessionen wohl tatsächlich keine langfristige Lösung für Afrikas Schuldenprobleme sind, zeigt das Beispiel Angola. Experten schätzen, dass das Land mittlerweile 25 Milliarden US-Dollar an Krediten von China angehäuft hat - allesamt abgesichert durch Einnahmen aus der Ölproduktion. Doch laut einem Bericht der Financial Times ist diese Möglichkeit nun weitgehend erschöpft: Zu viel Öl sei bereits für die Rückzahlung von Krediten vorgesehen. Angolas Hilferuf an den IWF - ein Zeichen, dass Afrika auch in Zukunft auf die umstrittene Organisation aus Washington nicht verzichten kann.