Afrika - nur Passagier im China-Express?
5. September 2018"Wir empfangen afrikanische Länder mit offenen Armen und nehmen sie mit in Chinas Entwicklungs-Express."
Diese Aussage von Chinas Präsident Xi Jinping zu Beginn des siebten China-Afrika-Kooperationsforums (FOCAC) am Montag in Peking machte deutlich, wer im chinesischen Schnellzug Passagier ist und wer die Lok steuert. Auch die vielen Sätze in der Rede des chinesischen Staatsoberhaupts, die mit "China hat beschlossen" begannen, klangen nicht nach der Partnerschaft auf Augenhöhe, die von Teilnehmern beider Seiten beschworen wurde.
Laut Tom Bayes, China-Experte beim Forschungsinstitut MERICS, war der Gipfel ein "großer diplomatischer Sieg" für China.
"Trotz Rhetorik wie 'Bruderschaft' und 'Win-Win' war es offensichtlich, dass China sich gegenüber seinen afrikanischen Partnern als Vorbild präsentiert hat, dem sie folgen sollten", sagte Bayes der Deutschen Welle.
Auch die Teilnahme und die Aussagen von UN-Generalsekretär António Guterres, der seine klare Unterstützung für Chinas neue Seidenstraße aussprach und sich insgesamt positiv über den Gipfel äußerte, sind laut Bayes als Erfolg für China zu werten.
Einzige Enttäuschung für China sei, dass das Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) nicht noch vor dem Gipfel die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen hat. Der kleine Binnenstaat ist die einzige verbleibende afrikanische Nation, die Taiwan (anstelle von China) offiziell anerkennt.
Afrikanische Abhängigkeit?
Xi Jinping kündigte ebenfalls an, in den kommenden drei Jahren 60 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschüssen, zinsgünstigen Krediten und Investitionen bereitzustellen, unter anderem für Industrieförderung und Infrastruktur, aber auch für Stipendien an junge Afrikaner.
"Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Länder ein”, bekräftigte Xi, “zwingen ihnen nicht unseren Willen auf, verbinden keinerlei politische Bedingungen mit der wirtschaftlichen Unterstützung und streben keinerlei eigennützige politische Gewinne durch unsere Investitionen und finanzielle Zusammenarbeit mit Afrika an."
Schon im Vorfeld des Gipfels hatten Experten kritisiert, afrikanische Länder drohten durch chinesische Kredite in eine Schuldenfalle zu geraten. Als warnendes Beispiel gilt der Hafen von Hambantota in Sri Lanka: Weil der asiatische Inselstaat die chinesischen Kredite nicht bedienen konnte, wurde der Hafen an der neuen Seidenstraße für 99 Jahre an ein chinesisches Staatsunternehmen vermietet.
Um ähnliche Probleme zu vermeiden, annullierte Malaysia Ende August zwei Infrastrukturprojekte im Wert von mehr als 20 Milliarden US-Dollar, die von China finanziert werden sollten. Laut einer Untersuchung der amerikanischen China Africa Research Initiative ist China jedoch nur bei 3 von 17 afrikanischen Ländern, die sich in einer schwierigen Schuldensituation befinden, der größte Kreditgeber.
Keine Vorträge über Korruption
Es gebe drei Gründe, weswegen China als Kooperationspartner in Afrika so beliebt sei, sagt die kenianische Entwicklungsökonomin Anzetse Were im DW-Interview. Erstens hätten die Chinesen keine historischen Altlasten zu tragen - Kolonialismus, Sklaverei und misslungene Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und Weltwährungsfonds belasteten dagegen die Beziehung der Afrikaner zu den Europäern und Amerikanern.
Zweitens mache China den Afrikanern keine entwicklungspolitischen Vorschriften. Und drittens hielten die Chinesen auch keine Vorträge über Korruption, Demokratie und Menschenrechte. "Die Europäer und Amerikaner meinen, sie hätten das Recht, sich in afrikanische Angelegenheiten einzumischen", sagt Were. "Die Chinesen tun das nicht."
In der Tat sind Chinas wirtschaftliches Engagement und Entwicklungshilfe im Vergleich zu Akteuren wie der EU und den USA, die Hilfe oft an Vorgaben wie Achtung der Menschenrechte und politische Stabilität knüpfen, nicht an politische Bedingungen geknüpft.
Und doch besitzt China vor allem über die wirtschaftlichen Beziehungen großen Einfluss in Afrika. Nach chinesischen Angaben wurden 2017 zwischen China und Afrika Waren im Wert von 170 Milliarden US-Dollar gehandelt. Das Handelsvolumen zwischen den Vereinigten Staaten und Afrika erreichte im selben Zeitraum nicht ein Drittel dieser Summe.
Die Europäische Union treibt zwar noch intensiver Handel mit ihrem Nachbarkontinent, könnte jedoch in wenigen Jahren überholt werden, falls die Im- und Exporte zwischen Afrika und China weiter wachsen. Dementsprechend anfällig sind die afrikanischen Märkte für Fluktuationen der Nachfrage aus China.
Defizite bei Afrikas Regierungen
Die Debatte um den Einfluss Chinas lenke von den tatsächlichen Problemen ab, sagt Entwicklungsökonomin Were. "Der Kredithunger kommt von den afrikanischen Regierungen selbst. Kenia zum Beispiel leiht sich Geld bei allen möglichen Gebern. Es hat höhere Schulden bei der Weltbank als bei China."
Das Problem der Infrastrukturplanung sei vielmehr die fehlende Transparenz. Die afrikanischen Regierungen würden oft nicht gründlich genug prüfen, ob Projektvorschläge sinnvoll, nachhaltig und preiswert seien. "Ja, wir brauchen Infrastruktur", sagt Were. "Aber wir können unsere Probleme nicht einfach mit Geld bewerfen."
Außerdem könne die Infrastruktur nicht endlos von chinesischen Unternehmen ausgebaut werden: "Wir müssen für den Zeitpunkt planen, von dem an wir die Chinesen nicht mehr brauchen werden, um diese Straßen und Brücken zu bauen."
Risiken für China
Auch Tom Bayes von MERICS sieht keine "Strategie" Chinas, die betroffenen Länder in eine Schuldenfalle zu locken. Eine größere Gefahr bestehe darin, dass China ein hauseigenes Problem exportiert: Im Reich der Mitte würden viele Projekte aus politischer Opportunität vorangetrieben. Durchführbarkeit und finanzielle Tragfähigkeit spielten oft eine untergeordnete Rolle.
In dieser Hinsicht sei China, so Bayes, weniger gründlich als die Weltbank oder die EU. Das könnte Pekings langfristigen politischen Zielen und seiner Reputation schaden: Wenn nämlich zu viele Infrastrukturprojekte auf Dauer unrentabel bleiben oder sich korrupte Machthaber an ihnen bereichern und dies dann nach einem Regimewechsel ans Licht kommt.
Auf jeden Fall hat China Afrika im Rahmen seiner maritimen Seidenstraße langfristig fest im Blick, nicht zuletzt die sicherheitspolitischen Risiken. Aufgrund der instabilen politischen Lage stellen viele afrikanische Länder nach wie vor ein Sicherheitsrisiko dar. Vor zwei Jahren mussten im Südsudan 350 chinesische Ölarbeiter in Sicherheit gebracht werden; 2011 musste China gar 35.000 seiner Landsleute aus Libyen evakuieren. Infolgedessen verloren Chinesen Projekte in Milliarden-Höhe. Auch vor diesem Hintergrund eröffnete China 2017 im ostafrikanischen Dschibuti seine erste Militärbasis auf ausländischem Boden.