Corona: Wieder Konzerte in großer Arena
15. August 2020Rapper Mo-Torres aus Köln macht keinen Hehl daraus: Er will so schnell wie möglich wieder auf der Bühne stehen. Vor seinem ersten Live-Konzert vor großem Publikum seit Monaten spricht er in der Umkleide mit der DW. Anfang März waren wegen der wachsenden Zahl von Corona-Infektionen in Deutschland alle Massenveranstaltungen untersagt worden. Dies traf die Konzertbranche hart und zwang Musiker, nach neuen Wegen zu suchen.
Konzerte per Webstream und auf dem Parkplatz
In seinem Studio gefangen, begann Moritz Helf, wie der Rapper mit bürgerlichem Namen heißt, mit Webstreams. Die sind aber mit Live-Konzerten nicht vergleichbar, findet er. "Livestream-Konzerte waren eine Herausforderung, weil man sich selber motivieren musste", erinnert sich Moritz. Es habe Kraft gebraucht, sich vorzustellen, dass am anderen Ende der Leitung Menschen sitzen, die gerade seine Musik hören. Das Konzert-Gefühl habe er in sich selbst erzeugen müssen. "Normalerweise ist es immer eine Interaktion mit dem Publikum, es pusht mich und ich pushe das Publikum", so der Künstler.
Als die Corona-Beschränkungen schrittweise gelockert wurden, konnte Moritz bei einem sogenannten Drive-In-Konzert mehrmals auftreten. Wieder direkt auf Fans zu treffen, auch wenn sie in Autos hinter Scheiben sitzen, das war für Moritz schon ein wahres Fest. "Mir ist aufgefallen, dass die Leute Konzerte wirklich vermisst haben", sagt er.
Aber Moritz nutzte auch die Zeit im Studio und nahm mehrere neue Tracks auf. "Wenn jetzt eine zweite Corona-Welle kommt, kann ich natürlich wieder ins Studio gehen. Dann kommen nächstes Jahr zwei oder drei Alben von mir raus, was natürlich toll für die Leute ist", freut sich der Rapper. "Aber live spielen ist für einen Musiker absolute Essenz und Erfüllung."
Disziplin schon beim Einlass
Während sich Moritz auf seinen Auftritt vorbereitet, bilden sich vor der Lanxess-Arena in Köln fünf Warteschlangen. Denn um den Kontakt im Publikum zu minimieren, wurden fünf separate Eingänge zur Arena eingerichtet. Die Menschen halten untereinander Abstand und tragen Schutzmasken. An den Eingängen desinfizieren sie ihre Hände. Eine junge Frau, die ein T-Shirt mit der Aufschrift "Staff" trägt, "Mitarbeiterin", steht hinter einer Schutzscheibe und scannt die Tickets.
Mit den Kontaktbeschränkungen seien alle Events in der großen Multifunktionsarena von einem Tag auf den anderen abgesagt worden, sagt Veranstalter Tom Fasshauer. Es sei schwer vorstellbar gewesen, wann und in welcher Form Konzerte wieder stattfinden könnten. Die Halle stand leer.
Die Idee, doch wieder Großveranstaltungen zu organisieren, kam Tom, nachdem er einen Bericht über ein Autokino gesehen hatte. Es folgten schwierige Gespräche mit den städtischen Behörden und Gesundheitsexperten. Doch bereits Ende Juni wurde in der Lanxess-Arena wieder Musik gespielt.
Masken, Kabinen und Selfies mit Abstand
Was beim Betreten der Arena ins Auge fällt, sind die im Innenraum aufgebauten Plexiglasboxen, die wie Aquarien wirken. Sie sind nach oben und zur Bühne hin offen. Jeder Würfel kann bis zu acht Personen aufnehmen. Der Abstand zwischen ihnen sowie zwischen den Personengruppen, die oben auf den Rängen der Arena sitzen, beträgt mindestens eineinhalb Meter.
Vom Eingang zur Halle bis zu ihrem Platz müssen die Besucher Schutzmasken tragen. Sobald sie ihren Platz erreicht haben, dürfen sie sie abnehmen. Mit Beginn des Konzerts vergessen sie für einen Moment das Coronavirus, sie tanzen und singen zur Musik ihres Lieblingskünstlers. "Jetzt, es ist Zeit sich zu bewegen", ruft Mo-Torres von der Bühne. Zugleich fordert er seine Fans aber auf, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. "Irgendwann ist diese Corona-Pandemie vorbei", betont er. "Aber jetzt noch nicht!"
Normalerweise steht der Rapper nach seinen Konzerten seinen Fans für gemeinsame Fotos zur Verfügung. Doch das geht jetzt nicht. Daher schlägt Moritz allen vor, Konzert-Selfies von ihren Plätzen aus zu machen, während er auf der Bühne posiert.
Keine Furcht vor Ansteckung
Die Fans, die an diesem Tag zum Konzert gekommen sind, haben keine Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken. "Hier fühlen wir uns sicher. Wir gehen nur zu Veranstaltungen, bei denen der erforderliche Abstand eingehalten wird. Wir würden nicht zu Massenveranstaltungen gehen, wo das nicht klappt", sagt eine Frau am Eingang. "Wenn man alle Vorsichtsmaßnahmen befolgt, dann haben wir keine Bedenken", erklärt ein Mann, der in der Schlange wartet.
Für viele ist dies der erste Besuch in einer Konzerthalle seit Beginn der Corona-Pandemie. Eine junge Frau sagt, früher sei sie oft in die Lanxess-Arena gegangen. "Es war natürlich komisch, ein halbes Jahr gar nicht hier gewesen zu sein, deswegen freue ich mich, dass es wieder losgeht", erzählt sie begeistert.
Sie alle sind sich einig: Während der Kontaktbeschränkungen haben sie Live-Musik vermisst. "Musik live ist was anderes als über das Internet oder CDs, ich freue mich darauf", strahlt ein junger Mann.
Einzigartiges Projekt in Europa
Die Kölner Lanxess-Arena ist eine der größten Sport- und Konzerthallen in Europa. Metallica, Deep Purple, Elton John sind hier schon aufgetreten. Und 2017 wurde hier die Eishockey-Weltmeisterschaft ausgetragen. Aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen dürfen in die Arena jetzt statt 20.000 maximal 2400 Zuschauer.
"Geld verdienen wir damit leider noch nicht, dazu sind die Zuschauerkapazitäten zu gering. Aber wir hoffen, dass wir am Ende plus/minus null aus der ganzen Sache herausgehen - und dass wir einfach eine tolle Zeit hatten", hofft Tom Fasshauer. Unter dem Motto "Arena Now" seien er und seine Mitstreiter "an den Start gegangen, um uns selber Beschäftigung zu verschaffen und den Künstlern wieder eine Möglichkeit zu geben, auf der Bühne zu stehen".
"Arena Now" ist ein in Europa bisher einzigartiges Konzept für den kulturellen Betrieb von Veranstaltungshallen in Zeiten von Corona, mit einem ausgeklügelten Raumnutzungs-, Einlass- und Hygienekonzept. Fasshauer: "Wir haben schon ein bisschen Geschichte geschrieben und das macht und wirklich stolz."
Dem Rapper Mo-Torres gefällt das neue Konzept für Konzerte, auch wenn die Besucher weiter auseinander sitzen als früher. "Die Stimmung war jetzt nicht gedämpft, nur weil in der 18.000-Personen-Halle nur 1000 Leute waren. Aber die haben hoffentlich eine gute Zeit gehabt. Das Gefühl war sehr gut", sagt Moritz direkt nach seinem Auftritt.
Nicht alle Künstler begrüßen die neuen Regeln, räumt Tom Fasshauer ein. Viele warteten immer noch darauf, vor vollen Rängen auftreten zu können.
Inzwischen interessieren sich auch andere Konzerthallen in Deutschland für das Kölner Konzept. Vielleicht finden bald auch in anderen Städten Konzerte mit solchen "Aquarien" statt.