Corona: Sorglose Deutsche?!
4. Juni 2020In Berlin feierten am vergangenen Wochenende bei schönstem Wetter rund 3000 Menschen mit 400 Booten eine Schlauchboot-Party auf dem Landwehrkanal. Zu normalen Zeiten wäre das nicht der Rede wert, aber in der Corona-Pandemie? "Die Bilder bereiten mir Sorgen", twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und er blieb nach dem Event nicht der einzige Kritiker. Doch augenscheinlich sind immer weniger Deutsche bereit, sich an Abstandsregeln und Rücksichtnahme zu halten.
Das zeigt sich auch im alltäglichen Leben. Zwar ist in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in Supermärkten und anderen Geschäften mindestens ein Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben. Die Menschen sollen weiterhin Abstand halten, mindestens 1,5 Meter. Doch immer häufiger fehlt die Maske, und wer einkaufen geht, findet sich oft in einer vergleichsweise dicht gedrängten Schlange vor der Kasse wieder.
Das Infektionsrisiko ist gesunken
Ein Verhalten, das auch darauf zurückzuführen ist, dass immer weniger Deutsche Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben.
Vor zwei Monaten waren noch doppelt so viele Menschen besorgt, dass sie oder Familienangehörige sich anstecken könnten. Aber die Infektionszahlen sind weiter rückläufig und die Politik hebt bereits seit Ende April nach und nach immer mehr Alltagsbeschränkungen auf. Mehr als jeder zweite Deutsche findet das auch richtig. Das geht aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend hervor, den das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap in dieser Woche erstellt hat.
Laut der repräsentativen Umfrage sind nur noch drei von zehn Bundesbürgern der Meinung, dass die Normalisierung zu weit geht. 13 Prozent sind hingegen der Meinung, dass die bisherigen Kursänderungen nicht weit genug gehen. Ein Blick auf die Parteianhänger zeigt, dass vor allem Anhänger der in weiten Teilen rechtsradikalen AfD gerne mehr Lockerungen hätten.
16 unterschiedliche Regelungen
Alles in allem findet der Normalisierungskurs der letzten Wochen bei den Bürgern also Unterstützung. Kritisch wird allerdings beurteilt, dass es keine bundesweit einheitlichen Regeln gibt, sondern jedes Bundesland seine eigenen Vorschriften hat, die sich teilweise deutlich unterscheiden. Angefangen von der Zahl der Menschen, die zusammen unterwegs sein dürfen, über die Öffnungen von Schulen, Kitas und Schwimmbädern bis hin zur Frage, ob man im Restaurant einen Mundschutz tragen muss oder nicht.
55 Prozent der Bundesbürger finden das nicht richtig und würden es lieber sehen, wenn die Bundesländer einheitlich handeln würden. Immerhin 45 Prozent empfinden es allerdings durchaus als richtig, dass jedes Bundesland für sich entscheidet, wie und wann es Lockerungen vornimmt.
Zu viel Fokus auf den Profi-Fußball
Wer muss in der Krise wie viel Hilfe bekommen? Die Politik hat in den vergangenen Wochen viel für die Wirtschaft, aber auch für andere gesellschaftlichen Bereiche getan. Allerdings hat sie dabei nach Ansicht der für den ARD-Deutschlandtrend Befragten nicht immer die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Defizite werden insbesondere im Schul- und Bildungsbereich identifiziert, während viele Bundesbürger die Aufmerksamkeit für die Interessen des Profi-Fußballs deutlich übertrieben finden.
Bund und Länder pumpen derzeit Milliarden-Beträge in die Wirtschaft, um die schlimmsten ökonomischen Folgen der Pandemie abzumildern. Im ARD-Deutschlandtrend beurteilen derzeit 60 Prozent der Bundesbürger die wirtschaftliche Lage als schlecht. Im Mai waren es noch 68 Prozent. Auf die Frage nach ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation antworten allerdings 80 Prozent der Bürger mit "gut" beziehungsweise "sehr gut".
Die Bewertung der eigenen Lebensumstände unterscheidet sich aber auch in Corona-Zeiten deutlich in Abhängigkeit vom Einkommen. Bezieher niedriger Einkommen sind mit 49 Prozent fast viermal häufiger mit der eigenen wirtschaftlichen Situation unzufrieden als Bezieher höherer Einkommen.
Bundesregierung kann punkten
Am späten Mittwochabend hat sich die Koalition aus CDU, CSU und SPD auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket geeinigt, das helfen soll, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Natürlich hatten die drei Parteien dabei die Wähler im Blick. Schließlich werden Akzeptanz und Erfolg des neuen Konjunkturpakets die Wahrnehmung der schwarz-roten Bundesregierung in den kommenden Monaten wesentlich prägen.
Bislang konnte das Kabinett in der Corona-Krise überzeugen. Kaum verändert zum Vormonat bewertet mit 62 Prozent (-2) auch im Juni die Mehrzahl der Wahlberechtigten die Berliner Regierungsarbeit wohlwollend. Außerhalb der eigenen Reihen erhält Schwarz-Rot Unterstützung von den Anhängern der Grünen (72 Prozent) und der FDP (66 Prozent). Die Linken-Anhänger sind in ihrem Urteil gespalten (51:49 Prozent). Massive Kritik üben hingegen die AfD-Anhänger: 89 Prozent sind mit der Regierung unzufrieden.
Zum Schluss: Die Sonntagsfrage
Im Herbst 2021 finden die nächsten Bundestagswahlen statt. Wenn schon jetzt gewählt würde, dann könnten CDU und CSU auf große Zustimmung hoffen.
Das Vertrauen in die Bundesregierung geht weiterhin mit hohen Unterstützungswerten für Berliner Kabinettsmitglieder einher. Auf der Liste der beliebtesten Politiker nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel den Spitzenplatz ein. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend erhält sie mit 71 Prozent (+3) den höchsten Zuspruch seit April 2015. Auf Platz zwei folgt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (60 Prozent; +1). Beliebt ist auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (57 Prozent; +1) gefolgt von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (51 Prozent; -2).