14 Tage zur Rettung des Klimas
6. November 2017Es weht jede Menge südpazifischer Atmosphäre durch die Hallen der Klimakonferenz in Bonn. Rituelle Gesänge und Tänze aus Fidschi kommen zur Aufführung, Kinder fordern eine nachhaltigere Welt, der neue Präsident der Bonner Klimakonferenz, Frank Bainimarama, Regierungschef aus Fidschi, findet warnende Worte und beschreibt, wie seinem Land aus hunderten von Inseln das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.
Eine Eröffnungsveranstaltung halt, farbenfroh und bildmächtig. Aber nicht wenige Beobachter beschleicht dabei ein mulmiges Gefühl: Denn zu glauben, dass die Inseln des Südpazifiks den Kampf gegen den Klimawandel wirklich gewinnen, dazu muss man schon ein sehr großer Optimist sein. Und manch einer erinnert leise daran, dass Bainimarama als Ex-General früher mithilfe des Militärs an die Macht kam, bevor er gewählt wurde. Und deshalb etwa vor neuen Jahren bei den Olympischen Spielen in London als "unerwünschte Person" galt. Aber jetzt geht es ja ums Klima.
Vom Klimagrundgesetz zum Regelwerk
Vor dem Plenarsaal, in dem gerade die Südpazifik-Atmosphäre herrscht, steht Jennifer Morgan. Seit vielen Jahren ist die Klimaexpertin von Greenpeace Beobachterin und Mitgestalterin von Klimakonferenzen. "Jetzt ist es wirklich ernst", sagt sie. "Ich erwarte, dass die Delegationen jetzt hierher kommen und ihre Arbeit machen. Dass sie das Regelbuch für Paris weiterschreiben und Fortschritte machen. Und sie müssen jeder für sich die Frage beantworten, was sie noch mehr tun können."
Das Regelwerk für Paris - darum geht es jetzt 14 Tage lang in Bonn. Vor zwei Jahren wurde in Frankreichs Hauptstadt der neue Klimavertrag unter lautem Jubel angenommen: eine Art Grundgesetz des Klimaschutzes, mit nationalen Zielen aller über 190 UN-Staaten, die zusammen erreichen sollen, dass die Erdtemperatur nicht über zwei Grad ansteigt.
Jamaika statt Südsee
Zwischen Pariser Wunsch und Bonner Wirklichkeit klafft aber noch eine deutliche Lücke. Momentan ergibt die Summe aller Klimabemühungen drei Grad. Eindeutig zu viel die Zukunft von Fidschi etwa. Und sehr detailreich ist der Paris-Vertrag auch nicht, rund 60 Punkte sind - vorsichtig ausgedrückt - unscharf. Das zu ändern, ist der Job für die vielen tausend Verhandler in Bonn.
Dazu gehören natürlich auch die Deutschen, deren Regierung gerade nur noch geschäftsführend im Amt ist. In Berlin streiten zeitlich CDU, CSU, FDP und Grüne um eine mögliche neue Regierung - und um die Zukunft der Kohle hierzulande. Denn Deutschland, lange ein Vorzeigeland im Klimaschutz, hat zuletzt in seinem Eifer nachgelassen.
Das Ziel, 40 Prozent der Klimagase bis zum Jahr 2020 einzusparen, was Teil des Paris-Abkommens ist, liegt in der Bundesrepublik in weiter Ferne. Weil das Land zu viel Kohle verbrennt. Die Grünen wollen Kohlekraftwerke abschalten, die FDP will die Klimaziele lieber verfehlen, CDU und CSU liegen irgendwo dazwischen - so die Positionen bei den Verhandlungen für eine mögliche schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition.
Zwei Minister, zwei Meinungen
Der Streit erreichte am Montagmorgen, noch vor der farbenfrohen COP23-Eröffnung, den deutschen Pavillon auf der Bonner Klimakonferenz. Der ist als Ort der Harmonie und der Gespräche geplant und wurde jetzt von zwei Ministern der alten Regierung eröffnet, die noch geschäftsführend im Amt ist.
Die eine, Umweltministerin Barbara Hendricks, fordert, das Kapitel Kohle bald zu beenden und das Ziel für 2020 energisch anzustreben: "Im kommenden Jahr, also 2018 wird die Regierung klare Schritte einleiten müssen auf dem Weg zum Ausstieg aus der Verbrennung von fossilen Energien." Aber dieser Regierung wird die SPD-Politikerin nicht mehr angehören.
Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU vielleicht schon. Und er ist vorsichtiger beim Thema Kohle. Er kündigt stattdessen an, alle Ministerien in Deutschland "klimaneutral" machen zu wollen. "Wenn wir das schaffen, hat das eine ähnlich große Wirkung, als wenn wir 10 Kohlekraftwerke abschalten." Eine waghalsige Rechnung.
Beide Ministerien haben bei der Eröffnung in Bonn dann aber zusammen noch einmal 100 Millionen Euro auf den Tisch gelegt: für Klimaprojekte in den armen Ländern. Das immerhin ist ein guter, und für Deutschland versöhnlicher Anfang der Mammut-Konferenz am Rhein.