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"Zivilisation würde das nicht überleben"

6. November 2017

2017 wird als eines der heißesten dokumentierten Jahre in die Geschichte eingehen, so die Weltwetterorganisation. Wir müssen jetzt handeln, sonst erkennen wir unseren Planeten nicht mehr, warnt Forscher Stefan Rahmstorf.

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Pazifik Marshallinseln
Bild: Getty Images/AFP/G. Johnson

DW: Es wurde mit dem Kimaabkommen beschlossen, dass die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad bleiben soll - am besten unter 1,5 Grad. Wo stehen wir heute?

Stefan Rahmstorf: Heute stehen wir bei etwa ein Grad globaler Erwärmung. Die letzten drei Jahre waren jeweils Rekord-Jahre hintereinander - die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. 2017 wird wahrscheinlich hinter 2016 auf dem zweiten Rang landen. Das liegt daran, dass 2016 durch ein El Niño -Ereignis im tropischen Pazifik noch einen extra Wärme-Schub bekommen hat - der ist jetzt vorbei. 2017 wird mit Sicherheit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen ohne ein El Niño-Ereignis.

Was heißt das für das 1,5 Grad Ziel?

Das ist nur noch zu erreichen, wenn man sofort drastische Einschnitte bei den weltweiten Emissionen macht und außerdem noch Glück hat. Glück in dem Sinne, dass die Unsicherheiten, die wir haben, alle zu unseren Gunsten ausfallen. Das ist natürlich nicht gewährleistet - es kann eben auch schlimmer kommen als erwartet.

Wie schnell müssen die Treibhausgasemissionen sinken?

Also um deutlich unter zwei Grad zu bleiben - reden wir mal nicht von 1,5, aber deutlich unter zwei Grad - müssten wir, wenn wir jetzt anfangen zu reduzieren, so zwischen 2040 und 2050 weltweit bei null Emissionen sein.

Wir müssen jetzt sehr schnell handeln. Sind Sie optimistisch, dass das gelingt?

Stefan Rahmstorf
CO2 ist das gefährlichste Gas, weil es in der Atmosphäre verbleibt, warnt Klimaforscher RahmstorfBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Ich mache keine politischen Prognosen. Ich glaube, das kann man auch nicht wirklich vorhersagen, wie sich die Politik entwickelt. Es gibt Anzeichen für einen vorsichtigen Optimismus. Zum Beispiel sind die fossilen CO2-Emissionen in den letzten drei Jahren konstant geblieben. Das könnte der Beginn einer Trendwende sein.

Wo liegt der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad?

Einerseits wachsen natürlich viele Folgen der Erwärmung proportional mit der Erwärmung an, werden also einfach schlimmer, je wärmer es wird. Es gibt andererseits aber auch bestimmte Toleranzgrenzen von Ökosystemen, zum Beispiel bei den Korallen. Da macht der Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad eben gerade den Unterschied aus, ob tropische Korallenriffe auf unserem Planeten noch überleben können, oder ob sie alle absterben. Zwei Drittel des Great Barrier Reefs in Australien sind in den letzten Jahren bereits so schwer geschädigt worden, dass Experten es für unwahrscheinlich halten, dass sie sich wieder erholen.

Es gibt auch andere Kipp-Punkte im Klimasystem - zum Beispiel Grenzen, wo der westantarktische Eisschild destabilisiert wird. [Wenn der schmilzt,] würde der globale Meeresspiegel um etwa drei Meter ansteigen. Oder der grönländische Eisschild, der noch einmal sieben Meter globalen Meeresspiegelanstieg bringen würde.

Wenn wir jetzt so weitermachen wie bisher - 54 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr - wo stehen wir dann am Ende dieses Jahrhunderts?

Wenn wir ungebremst weiter Treibhausgase emittieren und weitere Zunahmen wie in den letzten Jahrzehnten erlauben, dann werden wir bis Ende des Jahrhunderts mindestens vier Grad globale Erwärmung erleben. Das ist etwa der Unterschied zwischen dem Höhepunkt der letzten Eiszeit und heute. Das ist ein sehr anderer Planet als wir ihn jetzt kennen. Und die Erwärmung hört dann ja auch nicht auf, sondern sie wird dann in weiteren 100 Jahren noch auf sieben, acht Grad ansteigen. Ich glaube nicht, dass die menschliche Zivilisation das überleben würde.

Stefan Rahmstorf forscht zu Klimafragen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion