Club der zehn Defizitsünder
10. Juni 2005Das Defizitverfahren gegen die Niederlande wurde am 7. Juni eingestellt, nachdem die Regierung ihr Haushaltsdefizit von 3,2 Prozent (2003) auf 2,3 Prozent (2004) des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken konnte. Im gleichen Atemzug wurde ein Strafverfahren gegen Italien in die Wege geleitet.
Nach einer vorläufigen Revision des EU-Statistikamts Eurostat belief sich das italienische Staatsdefizit 2003 und 2004 auf jeweils 3,1 Prozent des BIP. Damit hat Rom die magische Defizitgrenze von 3 Prozent zweimal in Folge überschritten. Formell ist das Defizitverfahren zwar noch nicht beschlossen, doch dies - wie Währungskommissar Joaquín Almunia zu verstehen gab - wird die EU-Kommission Ende Juni "wohl offiziell so beschließen".
Milde gegen "Old Europe"
Der deutsche Finanzminister Hans Eichel hat dagegen noch bis Herbst 2005 Ruhe vor der Europäischen Kommission: Wegen der anhaltend schlechten Konjunktur wurde das Defizitverfahren vorerst auf Eis gelegt. Fraglich, ob die Atempause Deutschland wirklich weiterhilft. Selbst der stets optimistische Eichel hat inzwischen eingeräumt, dass die Einhaltung der Dreiprozentgrenze 2005 wohl schwierig werde.
Die Bundesrepublik hat seit 2002 regelmäßig gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Im Jahr 2004 lag das Budgetloch in Eichels Haushalt bei 3,9 Prozent, für 2005 erwartet die Kommission ein Defizit von 3,3 Prozent des BIP. Da Deutschland voraussichtlich in den Genuss der Regelungen des reformierten und gelockerten Stabilitätspakts kommen wird, dürfte es für die Haushaltskonsolidierung ein Jahr länger Zeit haben.
Auch das Verfahren gegen Frankreich ruht derzeit. Von der französischen Haushaltspolitik erwartet sich die Kommission indes mehr als von der deutschen. Im laufenden Jahr könnte das Staatsdefizit nach Ansicht der EU-Kommission gerade so auf 3,0 Prozent sinken. Sollte Paris dieses hohe Ziel erreichen, würde die EU das Verfahren gegen Frankreich aller Voraussicht nach einstellen. Wie Deutschland hat Frankreich seit 2002 regelmäßig gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Zuletzt hatte das französische Staatsdefizit 3,7 Prozent des BIP betragen.
Härte gegen Hellas
Während Deutschland und Frankreich noch durchatmen können, geht die EU-Kommission mit konsequenter Härte gegen Griechenland vor. Die griechischen Behörden hatten die Defizitzahlen von 1997 bis 2003 um durchschnittlich 2,1 Prozent des BIP geschönt, und damit mehrfach die kritische Dreiprozentgrenze umschifft. Das Defizit für das Jahr 2004 wurde von ursprünglich geschätzten 5,5 Prozent auf satte 6,1 Prozent korrigiert. Die verschärfte Haushaltskontrolle durch Brüssel und die Aussicht auf Strafen in Milliardenhöhe zeitigten unterdessen Wirkung: Im April dieses Jahres hat die EU angekündigt, auf Sanktionen gegen Hellas vorerst zu verzichten, da sie mit dem radikalen Sparkurs der Athener Regierung zufrieden ist.
Neue Mitglieder, alte Sorgen
Mehr als die Hälfte der unter Beobachtung stehenden Defizitsünder sind Neumitglieder. Tschechien, Polen, die Slowakei, Ungarn, Zypern und Malta wiesen 2003 teilweise sogar Defizite im zweistelligen Bereich aus, sodass sie sich seit ihrem Beitritt mit einem Defizitverfahren auseinander setzen müssen.
Zwar konnten die Neulinge ihre Defizite stark reduzieren - Tschechiens gar von 11,7 (2003) auf 3,0 Prozent (2004) -, für das laufende Jahr sagt die Frühjahrsprognose der EU-Kommission jedoch weiterhin zum Teil deutliche Verstöße gegen den Stabilitätspakt voraus. Einzig Zypern scheint mit einem prognostizierten Defizit von 2,9 Prozent für 2005 die Maastricht-Kriterien einhalten können.
Ende Juni wird die Zahl der unter Beobachtung stehenden Defizitsünder wohl auf elf anwachsen: Portugal erwartet in diesem Jahr ein Rekorddefizit von 6,83 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Defizitverfahren gegen Lissabon gilt aufgrund dieser dramatischen Haushaltslage als sicher.