Rückschlag für Hongkong als Medienstandort
15. Juli 2020Der Umzug der Redaktion in die südkoreanische Hauptstadt Seoul sei beschlossen worden, da das sogenannte chinesische Sicherheitsgesetz "viel Unsicherheit" hinsichtlich der journalistischen Arbeit in Hongkong schaffe, kündigte das Blatt an. Die Zeitung schreibt weiter, man habe in jüngster Zeit Schwierigkeiten beim Erhalt von Arbeitsgenehmigungen für ihre Mitarbeiter in Hongkong gehabt. In der Volksrepublik China sei dies nicht ungewöhnlich, in der Sonderverwaltungszone Hongkong hingegen schon. Das Gesetz steht auch international in der Kritik, weil es die demokratischen Freiheitsrechte in der Sonderverwaltungszone massiv einschränkt und die Kontrolle durch die Kommunistische Partei verschärft.
Die "NYT" ist damit das erste große internationale Medienunternehmen, das nach Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes Ende Juni ankündigt, eine größere Zahl von Mitarbeitern zu verlegen. Hongkong ist seit Jahren ein regionaler Hauptsitz der US-Zeitung, die dortigen Mitarbeiter der Online-Redaktion tragen wie ihre Kollegen in New York und London zum 24-Stunden-Betrieb der "NYT"-Website bei. Die Online-Redakteure machen rund ein Drittel aller "NYT"-Mitarbeiter in Hongkong aus. Ihr Umzug nach Seoul soll im Laufe des nächsten Jahres erfolgen.
Wichtiger Medienstandort in Asien
Hongkong ist unter anderem wegen seines Sonderstatus hinsichtlich demokratischer Rechte wie Meinungsfreiheit und wegen seiner Rolle als Wirtschaftsmetropole ein beliebter Standort internationaler Medien. Auch CNN, die Nachrichtenagentur AFP, das "Wall Street Journal" und die "Financial Times" gehören zu den Medien, die hier einen wichtigen Standort haben.
Die Regierung in Peking versichert, gesetzestreue ausländische Journalisten hätten "keinerlei Grund zur Sorge" wegen des sogenannten Sicherheitsgesetzes. "Wir haben eine offene und aufgeschlossene Haltung gegenüber ausländischen Medien, die in China berichten", sagte die chinesische Außenamtssprecherin Hua Chunying bei ihrem regelmäßigen Pressebriefing am Mittwoch.
In einer Umfrage des Clubs der Auslandskorrespondenten in China, die im März veröffentlicht wurde, gaben jedoch 82 Prozent der befragten Journalisten an, dass sie im Laufe des vergangenen Jahres bei der Berichterstattung aus China bereits Einmischung, Schikanen oder sogar Gewalt erlebt hätten. Solche Einschüchterungsversuche befürchten nun auch die Auslandskorrespondenten in Hongkong.
Aktivisten auf dem Vormarsch
Bei den inoffiziellen Vorwahlen der Hongkonger Demokratie-Bewegung setzten sich unterdessen junge und besonders pekingkritische Politiker durch. Sechzehn Vertreter des selbsterklärten "Widerstandslagers" schnitten besonders gut ab. Sie hoffen nun darauf, nach den Wahlen zum Legislativrat der chinesischen Sonderverwaltungszone im September der Regierung in Peking politischen Widerstand leisten zu können.
Im Hongkonger Parlament haben pekingfreundliche Parteien bessere Chancen, da nur die Hälfte der 70 Sitze direkt gewählt wird. Die restlichen Abgeordneten werden von einer Vielzahl von Industriegremien und speziellen Interessengruppen zuverlässig im Interesse Pekings bestimmt. Die von einer Koalition demokratischer Gruppen veranstaltete Vorwahl sollte eine Spaltung der pekingkritischen Wähler beim offiziellen Urnengang im September vermeiden.
Alle 35 gewählten Sitze zu erobern, dürfte jedoch schwer werden. Die Aktivisten hoffen aber, aus der Stimmung nach den Protesten im vergangenen Jahr Kapital schlagen zu können. "Die Ergebnisse der Vorwahlen haben gezeigt, dass die Widerstandsfraktion zum Mainstream geworden ist", sagte Lester Shum, ein Gesicht der Protestbewegung. "Jetzt ist es unsere wichtigste Aufgabe, uns zu vereinen und dem Marionettenregime Pekings in Hongkong frontal entgegenzutreten." Demnach nahmen über 600.000 Menschen am Wochenende an der Abstimmung teil - trotz behördlicher Warnungen, dass die Vorwahlen gegen das neue sogenannte Sicherheitsgesetz verstoßen könnten. Regierungsbeamte deuteten bereits an, bestimmte Kandidaten könnten strafrechtlich verfolgt oder von der Wahl ausgeschlossen werden.
Peking übt Vergeltung
Im Streit um die Autonomie Hongkongs hat China als Vergeltung für ein neues Sanktionsgesetz der USA seinerseits Strafmaßnahmen gegen amerikanische Bürger und Einrichtungen verhängt. Ein Außenamtssprecher verurteilte in Peking in scharfen Worten das Sanktionsgesetz, das Präsident Donald Trump am Dienstag unterzeichnet hatte. China müsse die "notwendige Antwort" geben, um seine legitimen Interessen zu schützen, und verhänge Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen in den USA.
Aus Protest gegen das US-Sanktionsgesetz bestellte inzwischen das chinesische Außenministerium den amerikanischen Botschafter in Peking, Terry Branstad, ein. Vizeaußenminister Zheng Zeguang warf der US-Regierung bei dem Treffen eine Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Das Vorgehen der USA verunglimpfe "böswillig" das neue Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in der chinesischen Sonderverwaltungsregion.
Das US-Repräsentantenhaus und der Senat hatten das Hongkong-Autonomiegesetz zu Monatsbeginn ohne Gegenstimmen verabschiedet. Am Dienstag unterzeichnete Trump das Dekret, womit es in Kraft trat. Damit solle China für "repressive Aktionen" gegen die Menschen in Hongkong zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Trump. Das Gesetz gebe der Regierung wirksame neue Werkzeuge, um gegen Personen und Institutionen vorzugehen, "die Hongkongs Freiheit auslöschen".
kle/sti (afp, dpa, rtr)