EU-Außenminister bleiben gespalten
13. Juli 2020Am deutlichsten fielen die Worte zur geplanten Umwandlung der Hagia Sophia als Moschee aus. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte die Maßnahme Ankaras einen "Schlag gegen die Allianz der Zivilisationen" - eine 15 Jahre alte politische Initiative, die den Austausch zwischen Christen und Muslimen stärken sollte. Sein österreichischer Kollege Alexander Schallenberg sprach vom "jüngsten Glied in einer Kette der Provokationen". Aber der Zorn der Minister führt vorerst zu keinen weiteren Reaktionen, außer zu einer einhelligen Verurteilung der Lage.
Immer mehr Konflikte mit der Türkei
Von der Regierung in Wien weiß man, dass sie seit Jahren einen besonders kritischen Ton gegenüber der Türkei anschlägt. Sie fordert immer wieder, die eingefrorenen Beitrittsverhandlungen mit Ankara ganz zu beenden. "Hier sollte die Europäische Union einen klaren Schnitt ziehen", sagt Außenminister Schellenberger. Aber diese Forderung wird in der EU immer wieder erhoben und hat bisher lediglich dazu geführt, dass die Verhandlungen stillgelegt wurden.
"Die Beziehungen zur Türkei haben sich in die falsche Richtung entwickelt", fügt der Luxemburger Asselborn hinzu. Es sei sehr schlimm, dass Ankara Menschenrechtsaktivisten "als Terroristen bekämpft" und im Mittelmeer versuche, seine Interessen gegen internationales Recht durchzusetzen. Damit bezieht er sich auf die türkischen Gasbohrungen vor der Küste Zyperns, die einen Dauerstreit zwischen Athen, Ankara und Nikosia ausgelöst haben.
Auch das militärische Eingreifen der Türkei in Libyen wird kritisiert. Dort hat sich Präsident Erdogan auf die Seite des international anerkannten Regierungschefs Al-Sarraj gestellt und ihm geholfen, das Vordringen von Milizengeneral Chalifa Haftar zurückzuschlagen. Allerdings war das eine unilaterale Entscheidung der Türkei, die die EU mit ihrem "Berliner Prozess" und der Suche nach einer internationalen Verhandlungslösung auf die Seitenlinie verdrängte.
"Die Lage in Libyen bleibt schlecht, das Waffenembargo wird gebrochen und die UN-Resolution nicht umgesetzt", kritisiert EU-Chefdiplomat Borrell. Streit gibt es darüber hinaus, weil die Türkei nur noch einen einzigen Grenzübergang für die Versorgung der Kriegsflüchtlinge im Nordwesten Syriens offen hält.
"Dialog" über angespannte Beziehungen
Die Antwort auf diese Liste der politischen Provokationen sind weitere Gesprächsangebote an Ankara. Die Außenminister hätten Borrell den Rücken gestärkt, sagt der deutsche Vertreter Heiko Maas, weiter den Dialog mit der Türkei zu suchen. Man habe die strategische Bedeutung der Türkei in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht diskutiert, fügt er noch hinzu. Ein Hinweis auf das seit 2015 geltende Flüchtlingsabkommen, das den ungehinderten Durchzug von Migranten nach Europa weitgehend verhindert. Die Erpressungsversuche Ankaras im Frühjahr, als türkische Behörden Migranten an die Grenze zu Griechenland brachten, um weitere Zahlungen von der EU zu fordern, scheinen dabei fast vergessen.
"Wir würden die Beziehungen zur Türkei gerne stärken", erklärt Josep Borrell. Allerdings stünden sie derzeit unter starkem Druck und die Entwicklung sei generell beunruhigend. Trotz einer Reihe von EU-Ländern, die immer wieder schärfere Reaktionen und einen Bruch mit der Türkei fordern, setzt vor allem Deutschland weiter auf "Dialog". Der EU-Chefdiplomat hatte bereits in der vergangenen Woche seinen türkischen Kollegen getroffen - er muss nun weiter versuchen, Ankara zum Einlenken zu bewegen. Wenn das nicht hilft, dann müsse man über weitere "Maßnahmen" nachdenken, wobei Sanktionen nur Mittel zum Zweck seien und kein Ersatz für Politik.
EU weiter vorsichtig gegenüber Hongkong
Zum heikelsten Thema auf der Tagesordnung - dem neuen sogenannten Sicherheitsgesetz für Hongkong - sagt Josep Borrell, es sei noch "drakonischer" ausgefallen als befürchtet. Das Gesetz werde Einfluss auf die gegenseitigen Beziehungen haben und stelle einen Bruch von Chinas internationalen Verpflichtungen dar, die Peking auf das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" verpflichten.
Allerdings gibt es keine unmittelbaren Gegenmaßnahmen, sondern die EU bereite ihre Antwort vor, so heißt es in Brüssel. Und es geht zunächst nur um kleine Schritte. So kündigten Schweden und Finnland jetzt an, sie wollten das Auslieferungsabkommen mit China in Bezug auf Hongkong auszusetzen. "Alle Mitgliedsländer denken über das Auslieferungsabkommen und das Rechtshilfeabkommen nach", erklärt Außenminister Heiko Maas dazu, die Entscheidung liege aber in nationaler Verantwortung.
Deutschland und Frankreich hatten darüber hinaus vorgeschlagen, dass Güter, die zur Unterdrückung von Protesten dienen könnten sowie der Export bestimmter Rüstungsgüter gestoppt werden sollten. Auch sollen Stipendien an Wissenschaftler und Künstler aus Hongkong vergeben werden, um ihnen den Aufenthalt in der EU zu erleichtern und einen längerfristigen Verbleib zu ermöglichen. Man werde dahin kommen, den besonderen Status von Hongkong auszusetzen und "Hongkong nicht mehr anders als Festlandchina behandeln", fügt Maas hinzu.
Wo bleiben die Konsequenzen für China?
Was Paris und Berlin bisher nicht vorschlagen, sind etwa Sanktionen gegen chinesische Politiker, die das sogenannte Sicherheitsgesetz umsetzen oder wirtschaftliche Maßnahmen irgendwelcher Art. Auch hier steht der sogenannte Dialog im Vordergrund und insbesondere die Bundesregierung hält an ihrem vorsichtigen Kurs gegenüber Peking fest. Widerstand kommt auch von einigen besonders engen Handelspartnern Chinas wie Ungarn und Griechenland. Die EU ist bei diesem Thema weiter uneinig und findet gegenüber China auch angesichts der jüngsten Entwicklungen zu keiner gemeinsamen Haltung. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte vor kurzem noch von "sehr ernsten Konsequenzen" wegen des neuen "Sicherheitsgesetzes" gesprochen. Aber konkret ist davon derzeit noch keine Spur.